Wien/Berlin. Der TV-Sender ORF will den Mitarbeitern scharfe Regeln für Twitter und Facebook auferlegen. Auch bei ARD und ZDF gibt es Richtlinien.

Eine vom österreichischen Rundfunk ORF geplante Social-Media-Richtlinie für die Mitarbeiter hat intern sowie bei vielen Journalisten und Medienvertretern heftige Kritik ausgelöst.

Auf Druck der rechten Regierungspartei FPÖ soll die ORF-Führung einen Entwurf erarbeitet haben, der den Mitarbeitern des Senders künftig auch auf privaten Accounts eine „einseitige oder parteiische Haltung“ untersagt. Dagegen protestiert nun unter anderem der bekannte ORF-Nachrichtenmoderator Armin Wolf – und bekommt von vielen Kollegen Unterstützung.

„Ich twittere nichts, was ich nicht auch bei einer Podiumsdiskussion oder in einem Interview sagen würde“, erklärte Wolf in einem Tweet. „Auch wenn dort das ORF-Gesetz nicht gilt, ist mir immer bewusst, was und wo ich arbeite. Hat bisher tadellos gereicht.“

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Armin Wolf ist einer der profiliertesten Journalisten Österreichs. Zuletzt sorgte er mit einem kritischen Interview mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin für Aufsehen.

ORF-Chef Alexander Wrabetz wies die Kritik, der ORF erlasse einen „Maulkorb“ für die Mitarbeiter, im Gespräch mit der österreichischen Nachrichtenagentur APA als „absurd“ zurück. Wrabetz erklärte, dass die Richtlinie eine Maßnahme sei, die den kritischen Journalismus im ORF absichern solle. „Wenn man sich kritisch mit Fragen auseinandersetzt, muss man das so tun, dass nicht der Eindruck der Voreingenommenheit der journalistischen Arbeit im ORF entsteht.“

Deutsche TV-Journalisten bei Twitter

Auch in Deutschland melden sich Journalisten und Moderatoren von ARD und ZDF regelmäßig zu aktuellen Themen zu Wort. Dunja Hayali (ZDF-„Morgenmagazin“) etwa ist bei Twitter sehr aktiv. Dort bot sie ihrem ORF-Kollegen Wolf quasi Asyl in Deutschland an:

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Auch „Heute Journal“-Moderator Claus Kleber meldet sich regelmäßig per Twitter. Er vermeidet dabei aber in der Regel eine Positionierung in aktuellen politischen Fragen.

Bei der ARD gehört „Tagesschau“-Moderator Constantin Schreiber zu den fleißigeren Twitter-Nutzern. Schreiber, der sich besonders in Fragen von Migration und Asyl engagiert, scheut auch vor Spitzen gegen die Regierung nicht zurück:

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Für Ärger sorgte zuletzt einige Tweets von Tina Hassel, Chefin des ARD-Hauptstadtstudios. Sie twitterte im Januar vom Grünen-Bundesparteitag einige Botschaften, die einige zu euphorisch klangen. Etwa so:

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Kritik an Hassel kam von Gesundheitsminister und CDU-Mann Jens Spahn. Er sagte in einem Interview mit der „Neuen Zürcher Zeitung“ auf die Frage, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk besser sei: „Es gibt Tweets von Redakteuren des öffentlichrechtlichen Rundfunks, die sind einfach nur politisch eindeutige Kommentare und sehr subjektiv. Da steht zur Absicherung drüber: privater Account. Soll ich jetzt auch immer sagen: ,Das war Spahn privat’? Ich bin Mitglied der Regierung. Entsprechend werden Sie meine Zitate einsortieren. Die gleichen Maßstäbe sollten für Journalisten gelten.“

Richtlinien gibt es auch bei ARD und ZDF

Richtlinien für den Umgang mit sozialen Medien gibt es auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen in Deutschland. Beim ZDF etwa ist dies bereits seit 2011 geregelt. „Darin festgehalten ist unter anderem, dass jeder Mitarbeiter persönlich verantwortlich ist für die Inhalte, die in Blogs, Wikis oder anderen sozialen Netzwerken eingestellt werden“, teilte eine Sprecherin des Senders auf Anfrage mit.

Und weiter: „Geben sich ZDF-Mitarbeiter als solche auf Social-Media-Plattformen zu erkennen, sind sie dazu angehalten, ihren Namen und ihre Funktion im ZDF zu nennen, wobei klar zu stellen ist, dass es sich bei einem Post um eine persönliche Einschätzung handelt und nicht um eine Position des ZDF.“

Beim Ersten ist es ähnlich. „Es gibt in allen Landesrundfunkanstalten der ARD Social Media Guidelines, also Richtlinien, die beschreiben, in welchem Rahmen sich Angestellte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bei ihren Aktivitäten möglichst bewegen sollten“, sagte ARD-Chefredakteur Rainald Becker in einem Interview mit dem Internetportal meedia.de. Er sehe „nicht, warum sich öffentlich-rechtliche Journalisten dabei selbst zensieren sollten“.

In Österreich liegen der ORF und die FPÖ bereits seit längerem im Clinch. Die FPÖ, die seit Dezember mit der ÖVP die Regierung bildet, fordert nicht zuletzt das Aus der Gebührenfinanzierung für den Sender. Seit Mai stellt die FPÖ mit Norbert Steger den Vorsitzenden des ORF-Stiftungsrats. Der hatte bereits im April angedroht, dass bei Verstößen gegen die bereits damals angekündigte Richtlinie nach einer Verwarnung die Entlassung folge.

Bundeskanzler Kurz mischt sich ein

Im Februar hatte ein Facebook-Beitrag von Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache Ärger provoziert, in dem er Wolfs Nachrichtensendung als einen „Ort, an dem Lügen zu Nachrichten werden“, bezeichnete. In einem offenen Brief an Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) kritisierten daraufhin führende deutsche Journalisten und Kulturschaffende die Attacken der FPÖ gegen den Sender. Strache entschuldigte sich bei Wolf.

Am Dienstag sagte Strache in Wien, dass die Richtlinie eine interne Angelegenheit des ORF sei. Er erwarte vom ORF aber selbstverständlich eine parteipolitisch unabhängige Berichterstattung.

Bundeskanzler Sebastian Kurz zeigte sich hingegen überrascht über die Pläne. „Ich halte die Meinungsfreiheit für ein hohes Gut. Insofern sehe ich persönlich diesen Erlass, diese Idee, sehr sehr skeptisch.“

Protest vom Deutschen Journalisten-Verband

Diese Einschätzung teilt der Deutsche Journalisten-Verband (DJV): Aus Sicht des Verbandsvorsitzenden Frank Überall ist es eine befremdliche Tendenz beim ORF, politische Meinungsäußerungen mit „Guidelines“ verbieten zu wollen. „Wenn eine Äußerung in sozialen Medien wie auf Twitter als privat erkennbar ist, kann man sie nicht untersagen“, sagt Überall der dpa. Alles andere sei eine Einschränkung ihrer Meinungsfreiheit.

Das gelte auch für Deutschland. „Auch wir Journalisten sind ja immer noch Staatsbürger.“ Es sei ihr gutes Recht, in privaten Accounts oder Blogs ihre Meinung zu sagen. Etwas anderes sei es, wenn sie sich zum Beispiel in Blogs oder auf den Webseiten der Medien äußerten für die sie arbeiten, dann seien sie in einer anderen Rolle, sagte Überall. (mit Material von dpa)