Brüssel. Der Asyl-Streit innerhalb der Union sorgt für Bewegung auf EU-Ebene. Bestätigt sich ein Kurswechsel könnte das Merkels Trumpf sein.

Das immerhin hat die CSU mit ihrem Asyl-Konfliktkurs erreicht: Es kommt Bewegung in die europäische Flüchtlingspolitik. Wenn Deutschland als Hauptzielland der Asylbewerber seine bisherige Praxis infrage stellt, wenn die Regierung des größten EU-Landes und die gemeinsame europäische Asylpolitik zu zerbrechen drohen, dann ist schnelles Handeln gefragt.

Es ist ja eine Herausforderung nicht nur für die deutsche Politik: Die Flüchtlingszahlen gehen zwar insgesamt stark zurück, aber der Unmutspegel in vielen EU-Ländern steigt. Dumm nur für Seehofer und Co., dass sie die neue Dynamik mitverursacht haben, aber die Schwungrichtung nicht kon­trollieren können.

Brüsseler Gipfel ist Anti-Seehofer-Gipfel

Mit ihrer Androhung eines nationalen Alleingangs ist die CSU auch in Europa weitgehend isoliert. Dies vor allem zeigt der Asylgipfel in Brüssel: Dass sich gleich 17 Regierungschefs auf Merkels Initiative einfanden, ist eine eindeutige Demonstration – für den Willen, an einer europäischen Lösung in der Flüchtlingspolitik festzuhalten, allen nationalen Interessensunterschieden zum Trotz.

Es kann nicht funktionieren, wenn in Europa jedes Land für sich dem Mi­grationsdruck Herr werden will. Bereits der Versuch, dies auf Kosten der Nachbarn zu tun, beschädigt das Fundament, auf dem die EU gebaut ist. Der Brüsseler Gipfel beruht auf dieser Einsicht – und ist damit auch ein Anti-Seehofer-Gipfel.

Das rettet Merkel noch nicht, aber es stützt sie. Dabei hat die Kanzlerin gut daran getan, die Erwartungen zu dämpfen. Ein umfassendes Migrationspaket wird nicht binnen wenigen Tagen neu geschnürt – die Zeit reicht aber, um einen Kurswechsel einzuleiten und jene Blockaden wegzusprengen, die den Kontinent zu spalten drohten: Die geplante Asylreform, die im Krisenfall eine verbindliche Quote zur Flüchtlingsaufnahme für alle EU-Länder vorschreiben sollte, ist vorerst gescheitert – am Widerstand osteuropäischer Länder vor allem.

Scharfe Auflagen und Kontrollen

Nun wird die Reform auf die lange Bank geschoben. Am Ende werden widerspenstige Länder ihre Solidarität wohl auch mit Geld oder Grenzschutzpersonal beweisen können. Erst die Vertagung macht den Weg frei, kurzfristig viel härter als bislang geplant gegen die Weiterreise registrierter Asylbewerber vorzugehen. Führende EU-Politiker geben Merkel für dieses Ansinnen Geleitschutz: Zwischenstaatliche Rücknahmeabkommen werden plötzlich als Modell empfohlen, begleitet durch scharfe Auflagen und Kontrollen für die Flüchtlinge.

Asylgipfel: Es geht um mehr als Hilfe für Angela Merkel

Sicher, so würden Missstände im deutschen Asylvollzug abgestellt. Durchsetzbar wäre das aber nur, wenn die betroffenen Aufnahmeländer am Mittelmeer, die sich zu Recht alleingelassen fühlen, ebenso entlastet würden. Da setzt die EU nun neben Finanz- und Personalhilfen auf Härte und Abschreckung – also auf einen massiven Grenzschutz und die Unterbringung von Asylbewerbern in Sammellager außerhalb der EU.

Österreichs Kanzler Kurz dringt auf rasche Entscheidung in Richtung härterer Asylpolitik

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    Wie realistisch Letzteres ist, bleibt unklar: Die als Standort ausersehenen Staaten Afrikas winken bislang ab, viele rechtliche Fragen sind in diesem Zusammenhang noch offen. Dennoch: Die Abschottung nach außen wird zum gemeinsamen Nenner der europäischen Flüchtlingspolitik. Die Hardliner in Budapest und Wien können sich schon jetzt freuen.

    Und die CSU? Bestätigt sich der Kurswechsel, wird es schwer, einen ­De-facto-Koalitionsbruch zu rechtfertigen. Das könnte Merkels entscheidender Trumpf sein, auch wenn sie so schnell nicht vollständig liefern kann oder will, was die CSU im Detail von ihr verlangt.