Washington/Brüssel/Berlin. Nach der Ankündigung Trumps, aus dem Atomvertrag mit dem Iran auszusteigen, droht eine Eskalation. Die EU will das Abkommen retten.

Der Ausstieg von US-Präsident Donald Trump aus dem Atomabkommen mit dem Iran sorgt weltweit für Unruhe. Der Aufruf des neuen US-Botschafters Richard Grenell, deutsche Unternehmen sollten ihr Irangeschäft unverzüglich herunterfahren, löst Empörung aus. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) erklärte, sie sehe Deutschland dem Abkommen verpflichtet. Die EU will an dem Deal festhalten und riskiert damit Sanktionen der Amerikaner.

• Was verspricht sich die US-Regierung vom Ausstieg aus dem Atom-Deal?

Die Motive von US-Präsident Donald Trump sind zum einen innenpolitisch zu suchen. Die Zwischenwahlen im Kongress nahen, Stammwähler müssen mobilisiert werden, denn die Umfragewerte für Trump und die Republikaner sind schlecht. Zum anderen wollen Trump und seine neuen Top-Leute John Bolton (Sicherheitsberater) und Mike Pompeo (Außenminister) den Iran auf der Weltbühne als zentralen Bösewicht ausgrenzen. Sie lassen sogar Sympathie für einen Regime-Wechsel in Teheran erkennen. Gleichzeitig setzt Trump darauf, die jetzige Führung mit einem Mix aus Drohungen und harten Sanktionen zurück an den Verhandlungstisch zu zwingen, um ein ganz neues Atomabkommen auszuhandeln.

Ab 6. August sollen die ersten Sanktionen greifen. Ab dann darf der Iran nicht mehr unbegrenzt US-Dollar kaufen. Auch die Stahl-, Kohle- und Autoindustrie wird mit Export-Hemmnissen belegt. Auch Teppiche und Nahrungsmittel sind betroffen. Die nächste Sanktionsstufe setzt ab 4. November ein. Dann sind die Schiffsindustrie und der für Teheran wichtige Energie-Sektor dran. Öl und Gas dürfen nicht mehr unbeschränkt verkauft werden. Ob auch europäischen Firmen, die mit dem Iran weiter Handel treiben, Strafen drohen, ist von Trump zwar angedeutet worden, in den Einzelheiten aber noch unklar.

Urananreicherung

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    • Wie will die EU ihre Unternehmen schützen?

    Die EU wird so lange an dem Abkommen festhalten, wie der Iran seine vertraglichen Verpflichtungen weiter erfüllt. Der Vertrag funktioniere, er sei entscheidend für die Sicherheit der Nahost-Region und zentral für Bemühungen, die Weiterverbreitung von Atomwaffen zu verhindern, erklärte die Außenbeauftragte Federica Mogherini.

    Seit Wochen arbeiten EU-Diplomaten deshalb an einer Lösung, wie sich das Abkommen erhalten lässt. Für Montag ist ein Treffen der Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens mit Vertretern des Irans geplant. EU-Diplomaten suchen nach Wegen, wie europäische Unternehmen, die am Irangeschäft festhalten, vor den Folgen neuer US-Sanktionen geschützt werden können.

    Im Gespräch sind eine Unterstützung von betroffenen Firmen mit Geldern der Europäischen Investitionsbank oder andere Hilfen aus EU-Töpfen. Ob dies die Risiken für Betriebe abfangen kann, ist offen. Vor allem große Konzerne mit Niederlassungen in den USA dürften sich dem amerikanischen Druck wohl beugen, heißt es. Deshalb wäre es eine Option, europäischen Unternehmen unter Strafe zu verbieten, sich an US-Sanktionen gegen den Iran zu halten; Vorbild wäre ein Gesetz, das 1996 im Streit um Sanktionen gegen Kuba, Iran und Libyen erlassen worden war.

    • Werden im Iran jetzt die Hardliner gestärkt?

    Der oberste iranische Führer, Ajatollah Ali Chamenei, hat mit einem Ausstieg aus dem Atom-Deal gedroht, sollten die Europäer dem Beispiel der Amerikaner folgen. „Es besteht keinerlei Logik, in dem Abkommen zu bleiben, wenn uns das EU-Trio dessen Umsetzung nicht versichert“, sagte Ali Chamenei, der in allen strategischen Entscheidungen das letzte Wort hat. Sollten die Verhandlungen mit Frankreich, Großbritannien und Deutschland scheitern, werde der Iran sein Atomprogramm und die Urananreicherung wieder unbegrenzt aufnehmen, warnte Präsident Hassan Rohani. Der gemäßigte Geistliche gilt als Reformer im Regierungsapparat.

    Er hatte für das Atomabkommen geworben und der Bevölkerung mehr Wohlstand und mehr Freiheiten versprochen. Die US-Sanktionen werden zur Folge haben, dass viele Iraner den Gürtel enger schnallen müssen. Dadurch gerät Rohani unter Druck. Die Hardliner, die von Anfang an gegen den Atom-Deal waren, bekommen Oberwasser.

    • Wie groß ist die Sorge in der deutschen Wirtschaft?

    Der neue US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell, sorgte mit einer Forderung für Ärger: „Deutsche Unternehmen, die im Iran tätig sind, sollten den Betrieb unverzüglich herunterfahren“, verlangte er per Twitter. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) reagierte alarmiert.

    „Die Äußerungen des neuen US-Botschafters sorgen für große Verunsicherung und Verstimmung bei der deutschen Wirtschaft“, sagte DIHK-Präsident Eric Schweitzer. Die deutsche Wirtschaft bangt um ihr leicht anziehendes Iran-Geschäft und fordert Hilfe von der Politik. Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie zeigt kein Verständnis für die US-Forderung.

    • Was passiert an den Märkten?

    Die Ölpreise verteuerten sich am Mittwoch für die Nordseesorte Brent um 3,1 Prozent auf 77,20 Dollar je Barrel (159 Liter). Ein Barrel der US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) kletterte um 1,78 Dollar auf 70,84 Dollar.

    Damit kosten die beiden maßgeblichen Rohölsorten so viel wie zuletzt Ende 2014. Die europäischen Börsen reagierten erstaunlich gelassen. Die großen Mineralölkonzerne OMV, Total, BP und Shell legten angesichts steigender Ölpreise sogar in ihren Aktienwerten zu. Der Dollar konnte seinen anhaltenden Wertzuwachs fortsetzen.