Washington. Ob Syrien oder Nordkorea: US-Verteidigungsminister James Mattis hat Trump bislang von verhängnisvollen Militäraktionen abgehalten.

Es gibt ernst zu nehmende Menschen in Washington, die James Mattis gleich morgen den Friedensnobelpreis verleihen würden. Die Begründung geht ungefähr so: Mit seinem „nimmermüden Eintreten für Di­plomatie“ und seinem „tiefen Wissen um die Empfänglichkeiten“ seiner wichtigsten Bezugsperson, Donald Trump, habe der Verteidigungsminister einen „unschätzbaren Beitrag“ geleistet, den „unberechenbaren Präsidenten“ von verhängnisvollen militärischen Abenteuern abzuhalten.

Zuletzt war diese Gabe im Syrien-Konflikt zu besichtigen. Dort verlor der hoch angesehene Vier-Sterne-General nach Ansicht von Militärstrategen „vielleicht eine Schlacht“: Trump ignorierte vor den Strafangriffen auf die mutmaßlichen Chemiewaffen-Labore von Diktator Baschar al-Assad die von Mattis geforderte parlamentarische Absicherung durch den Kongress.

Mattis erkannte Einstieg in Eskalation mit Russland

Aber er gewann „den ersten Krieg“: Trump und sein wenig zimperlicher neuer Nationaler Sicherheitsberater John Bolton hatten sich einen Breitband-Militärschlag gewünscht, um das Regime in Damaskus und dessen Schutzherrn in Moskau wirklich zu treffen. Es war maßgeblich Mattis, der darin den Einstieg in eine Eskalation mit Russland erkannte und sich mit seinem Antrag für drei eng gefasste Ziele am Ende durchsetzte.

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    Und zwar so, dass der 67-Jährige als der unangefochtene Star im Kabinett gilt. Weil er etwas geschafft hat, was sonst niemandem gelingt: Trump Paroli zu bieten, ohne dass der Chef dies als Majestätsbeleidigung empfindet, was früher oder später unter der politischen Guillotine endet. Wie im Fall von Ex-Außenminister Rex Tillerson oder beim früheren Sicherheitsberater H. R. McMaster. Mit Mattis erlaubt sich der Präsident so etwas nicht.

    Kontrolle über das iranische Atomprogramm

    Noch nicht, sagen Kritiker, denn die „härteste Prüfung“ stehe noch aus: Mitte Mai wird Trump über den Fortbestand des Atomabkommens mit dem Iran entscheiden. Er verlangt erhebliche Nachbesserungen an dem Vertragswerk, das die USA 2015 gemeinsam mit Russland, China, England, Frankreich und Deutschland unterzeichnet haben. Andernfalls steigt er aus, heißt es im Weißen Haus.

    Trump erkennt in dem Abkommen, das den Iran vom Bau einer Atomwaffe abhalten soll, eine Wellness-Kur für das Mullah-Regime. Mattis dagegen will den Vertrag aus Gründen der „nationalen Sicherheit“ beibehalten. Sonst, so sagen Experten aus seinem Umfeld, verliere der Westen die Kontrolle über das iranische Atomprogramm, was unliebsame Konsequenzen haben könnte – „bis hin zu einer militärischen Konfrontation“.

    Konzepte für einen Militärschlag gegen Nordkorea

    Ähnlich äußerte sich kürzlich der iranische Außenminister Dschawad Sarif. Er sprach ominös von „unangenehmen“ Folgen, sollten die USA dem Abkommen den Rücken kehren, während die anderen Partner bei der Stange blieben.

    Wie Mattis hier seinen Einfluss in die Waagschale werfen wird, ist nicht bekannt. Schon bei anderen Meinungsverschiedenheiten bewegte sich der Militär ausschließlich im Hintergrund. Trump wollte lange vor der jetzt eingeläuteten Entspannungsphase mit Nordkorea Konzepte für einen Militärschlag gegen das kommunistische Regime. Mattis weigerte sich und betonte, dass der Diplomatie Vorrang gegeben werden müsse.

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      Mattis warb für ein längerfristiges Engagement in Syrien

      Weil ein Waffengang auf der dicht besiedelten koreanischen Halbinsel eine apokalyptische Kettenreaktion auslösen würde. Trump stellte noch vor drei Wochen in den Raum, dass die Terrormiliz IS in Syrien weitgehend bezwungen sei und die 2000 US-Soldaten dort beizeiten nach Hause geholt werden könnten – Mattis warb für ein längerfristiges Engagement.

      Der Pentagonchef hat es sich zur preußisch anmutenden Pflicht gemacht, niemals öffentlich so gegen Trump zu punkten, dass dieser sich in seinem Allmachtsanspruch angegriffen fühlen könnte. Darum sieht man ihn auch so gut wie nie im Fernsehen, wo jeder Minister Gefahr läuft, von Trump als Konkurrent um Aufmerksamkeit und Relevanz beargwöhnt zu werden. Niemals würde dem gelernten Historiker und Politologen selbst in Hintergrundgesprächen mit Journalisten auch nur ein geringschätziges Wort über den Mann über die Lippen kommen, der ihn ganz offenkundig bewundert.

      Das Gegenmodell zu den Hardlinern Pompeo und Bolton

      Der im Irak-Krieg wegen seines resoluten Auftretens „mad dog“ (tollwütiger Hund) genannte General verfährt dabei dialektisch. Sein Tenor: „Je mehr ihr das Außenministerium ausdünnt, um Konflikte zu lösen, bevor sie entbrennen, desto mehr Munition muss ich kaufen.“ Bisher verlässt sich Trump auf ihn, gibt ihm sogar freie Hand, etwa bei der Kriegsführung im Jemen. Ob das so bleibt, muss sich angesichts der neuen Personalien – Mike Pompeo/Außenministerium, John Bolton/Sicherheitsberater – noch zeigen.

      Beide bedienen gern die kriegerischen Impulse Trumps. Mattis verkörpert das Gegenmodell. Still, im Hintergrund moderierend. Zwischendurch sagt er Sätze, die wie in Stein gemeißelt klingen. „Was lässt Sie nachts wach bleiben?“, wurde Mattis in einem TV-Interview gefragt. Antwort: „Nichts. Ich sorge dafür, dass andere nachts nicht schlafen können.“ Donald Trump ist bis heute begeistert.