Berlin. Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un hat im Atom-Konflikt vorgelegt. Wie weit er geht und ob US-Präsident Trump mitspielt, ist offen.

Nordkoreas Diktator Kim Jong-un hat sich in den vergangenen Monaten als Meister der großen Gesten entpuppt. Seine neueste Ankündigung, Tests für Atomwaffen und Langstreckenraketen auszusetzen, reiht sich ein in eine Kette von Entspannungssignalen.

So gibt es seit Freitag eine Telefon-Hotline zwischen Nord- und Südkorea, die den Kriegszustand seit 1953 offiziell noch nicht beendet haben. Im März ließ Kim durchblicken, dass er eine „Entnuklearisierung“ der koreanischen Halbinsel anpeile. Im Februar hatten nordkoreanische Sportler an den Olympischen Winterspielen beim südlichen Nachbarn teilgenommen.

Die Botschaft: Pjöngjang will den Status des steinzeitsozialistischen Parias der internationalen Politik abschütteln. All dies sind mehr als atmosphärische Aufheller. Kim ist offensichtlich daran interessiert, die Gipfeltreffen mit dem südkoreanischen Staatschef Moon Jae-in am kommenden Freitag und später mit US-Präsident Donald Trump zu einem historischen Wurf zu nutzen.

Kim kündigt Aussetzen von Atom- und Raketentests an

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    Kim Jong-un will Stellung als „Führer“ untermauern

    Nordkoreas Schritte sind jedoch nur der Beginn eines großen Polit-Pokers. Kims strategisches Ziel scheint klar: Er will eine Anerkennung seines Regimes – die Spitzenbegegnung mit Trump wäre eine Art propagandistischer Ritterschlag. Welche Sicherheitsgarantien ihm der Amerikaner geben möchte und kann, ist hingegen offen.

    Darüber hinaus strebt Kim das Ende der harten internationalen Sanktionen an. Ein höherer Lebensstandard der eigenen Bevölkerung sowie mehr Wirtschaftswachstum durch ausländische Investitionen würden ihm einen zusätzlichen Legitimationsschub nach innen verleihen und seine Stellung als „Führer“ untermauern.

    Auch Donald Trump könnte profitieren

    Und Trump? Für ihn wäre die Lösung des jahrzehntelang schwelenden Korea-Konflikts ein Triumphzug ohnegleichen. Er könnte sich als der große „Dealmaker“ präsentieren, dessen Marschroute des „maximalen Drucks“ sich ausgezahlt habe. Der Chef des Weißen Hauses, dessen Ego keine Grenzen kennt, würde sagen: Seht her, ich habe geschafft, woran sich meine Vorgänger die Zähne ausgebissen haben. Wenige Monate vor den wichtigen Zwischenwahlen des US-Kongresses ein Erfolg, mit dem er auf allen PR-Klavieren spielen würde.

    Doch ob Kim und Trump auf einen Nenner kommen, ist keineswegs sicher. So hat Kim offen gelassen, ob er sein bisher angehäuftes Atom-Arsenal verschrottet. Auch die Frage, ob Inspektoren seine Zusagen lückenlos kontrollieren können, bleibt einstweilen unbeantwortet. Ferner hat der Nordkoreaner nur den Test-Stopp für Langstreckenraketen avisiert, nicht jedoch für Kurz- und Mittelstreckenraketen. Aber auch China mischt in der ostasiatischen Poker-Partie mit. Peking stören vor allem der US-Raketenabwehrschirm THAAD und die Anwesenheit von knapp 30.000 amerikanischen Soldaten in Südkorea. Dass Trump hier nennenswerte Zugeständnisse macht, darf bezweifelt werden.

    Nordkorea: Raketen für den Führer

    Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un ist stolz auf seine Armee. Das isolierte Land provoziert gern mit militärischen Drohgebärden. Und Machthaber Kim Jong Un lässt sich nach Raketentests von Militärs bejubeln.
    Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un ist stolz auf seine Armee. Das isolierte Land provoziert gern mit militärischen Drohgebärden. Und Machthaber Kim Jong Un lässt sich nach Raketentests von Militärs bejubeln. © REUTERS | REUTERS / KCNA
    Bilder von Kim mit den Führern der Streitkräfte veröffentlicht die staatliche Nachrichtenagentur KCNA häufig.
    Bilder von Kim mit den Führern der Streitkräfte veröffentlicht die staatliche Nachrichtenagentur KCNA häufig. © REUTERS | REUTERS / KCNA
    Nach einer Pause von zweieinhalb Monaten startete Machthaber Kim Jong Un erstmals wieder eine ballistische Rakete von Pyongsong nahe der Hauptstadt Pjöngjang in Richtung Osten. Nordkorea hatte am 29. November am frühen Morgen (Ortszeit) seine bisher weitreichendste Rakete getestet.
    Nach einer Pause von zweieinhalb Monaten startete Machthaber Kim Jong Un erstmals wieder eine ballistische Rakete von Pyongsong nahe der Hauptstadt Pjöngjang in Richtung Osten. Nordkorea hatte am 29. November am frühen Morgen (Ortszeit) seine bisher weitreichendste Rakete getestet. © dpa | Lee Jin-Man
    Es handelt sich um eine neuartige Interkontinentalrakete des Typs Hwasong-15, die möglicherweise bis in die USA fliegen könnte. Nach Angaben des südkoreanischen Militärs erreichte der Flugkörper eine Höhe von 4500 Kilometern und flog etwa 960 Kilometer weit in Richtung der japanischen Küste, bevor er ins Meer stürzte.
    Es handelt sich um eine neuartige Interkontinentalrakete des Typs Hwasong-15, die möglicherweise bis in die USA fliegen könnte. Nach Angaben des südkoreanischen Militärs erreichte der Flugkörper eine Höhe von 4500 Kilometern und flog etwa 960 Kilometer weit in Richtung der japanischen Küste, bevor er ins Meer stürzte. © dpa | Jon Chol Jin
    Südkorea reagierte nur fünf Minuten nach dem Start der Rakete mit Manövern und schoss drei Raketen für Zielübungen ins Meer.
    Südkorea reagierte nur fünf Minuten nach dem Start der Rakete mit Manövern und schoss drei Raketen für Zielübungen ins Meer. © dpa | 093844+0900
    Auch in der Vergangenheit antwortete Südkorea auf die Provokationen mit eigenen Tests, hier mit einer ballistischen Hyunmu-2-Rakete.
    Auch in der Vergangenheit antwortete Südkorea auf die Provokationen mit eigenen Tests, hier mit einer ballistischen Hyunmu-2-Rakete. © Handout
    Beliebt in Nordkorea: Bilder von angeblich geglückten Raketentests, wie hier beim Start einer Mittelstreckenrakete.
    Beliebt in Nordkorea: Bilder von angeblich geglückten Raketentests, wie hier beim Start einer Mittelstreckenrakete. © REUTERS | REUTERS / KCNA
    Südkorea und seine Verbündeten, allen voran die USA, beobachten die Waffentests des Regimes mit großer Sorge.
    Südkorea und seine Verbündeten, allen voran die USA, beobachten die Waffentests des Regimes mit großer Sorge. © REUTERS | REUTERS / KCNA
    Nach Erkenntnissen von Japan und den USA ist Pjöngjang möglicherweise in der Lage, Interkontinentalraketen mit Miniatur-Atomkraftsprengköpfen zu bestücken.
    Nach Erkenntnissen von Japan und den USA ist Pjöngjang möglicherweise in der Lage, Interkontinentalraketen mit Miniatur-Atomkraftsprengköpfen zu bestücken. © REUTERS | REUTERS / KCNA
    Damit ist Kim einen Schritt näher an seinem Ziel, das Land zu einer vollwertigen Atommacht zu machen.
    Damit ist Kim einen Schritt näher an seinem Ziel, das Land zu einer vollwertigen Atommacht zu machen. © REUTERS | REUTERS / KCNA
    Die Weiterentwicklung und Tests von Raketen – hier eine U-Boot-Rakete bei einer Militärparade – stehen dabei im Fokus des Regimes.
    Die Weiterentwicklung und Tests von Raketen – hier eine U-Boot-Rakete bei einer Militärparade – stehen dabei im Fokus des Regimes. © dpa | Wong Maye-E
    Kim präsentiert sein Militär bei zahlreichen Gelegenheiten. Diese Soldaten vor einem Raketenwerfer sind Teil einer Parade zum 70. Jahrestag der Gründung der Arbeiterpartei von Korea.
    Kim präsentiert sein Militär bei zahlreichen Gelegenheiten. Diese Soldaten vor einem Raketenwerfer sind Teil einer Parade zum 70. Jahrestag der Gründung der Arbeiterpartei von Korea. © REUTERS | REUTERS / DAMIR SAGOLJ
    Der Machthaber – Enkel des Republikgründers Kim Il Sung – schreckt auch nicht davor zurück, mit dem Einsatz seines Arsenals zu drohen.
    Der Machthaber – Enkel des Republikgründers Kim Il Sung – schreckt auch nicht davor zurück, mit dem Einsatz seines Arsenals zu drohen. © REUTERS | DAMIR SAGOLJ
    Ein Angriff auf das US-Überseegebiet Guam seien jederzeit möglich, sagte ein Militärsprecher zuletzt.
    Ein Angriff auf das US-Überseegebiet Guam seien jederzeit möglich, sagte ein Militärsprecher zuletzt. © REUTERS | REUTERS / KCNA
    Genutzt werden könnten dafür Langstreckenraketen wie diese, die Kim hier inspiziert.
    Genutzt werden könnten dafür Langstreckenraketen wie diese, die Kim hier inspiziert. © REUTERS | REUTERS / KCNA
    Kims Vater Kim Jong Il und sein Großvater, Dynastie-Gründer Kim Il Sung, werden in dem international weitgehend isolierten Land wie Könige verehrt.
    Kims Vater Kim Jong Il und sein Großvater, Dynastie-Gründer Kim Il Sung, werden in dem international weitgehend isolierten Land wie Könige verehrt. © REUTERS | DAMIR SAGOLJ
    Hier marschieren Soldaten zu Kim Il Sungs 105. Geburtstag.
    Hier marschieren Soldaten zu Kim Il Sungs 105. Geburtstag. © dpa | Wong Maye-E
    Auch diese Militärs salutieren in Pjöngjang dem Staatsgründer.
    Auch diese Militärs salutieren in Pjöngjang dem Staatsgründer. © dpa | Wong Maye-E
    Liest da der Kim-Darsteller, was der echte Trump getwittert hat? Imitatoren des US-Präsidenten Trump und des nordkoreanischen Führers treffen sich in Hongkong – und kommen sich näher, als es die echten verfeindeten Führer bis jetzt je getan haben.
    Liest da der Kim-Darsteller, was der echte Trump getwittert hat? Imitatoren des US-Präsidenten Trump und des nordkoreanischen Führers treffen sich in Hongkong – und kommen sich näher, als es die echten verfeindeten Führer bis jetzt je getan haben. © REUTERS | REUTERS / BOBBY YIP
    Dass auch der echte Kim Jong Un genau beobachtet, was auf der anderen Seite des Pazifiks passiert, gilt als sicher.
    Dass auch der echte Kim Jong Un genau beobachtet, was auf der anderen Seite des Pazifiks passiert, gilt als sicher. © REUTERS | REUTERS / KCNA
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    Menschenrechte nicht auf der Agenda

    Immerhin begünstigt die politische Großwetterlage eine Korea-Übereinkunft. Kim kommt zugute, dass die Weltbühne derzeit von autokratischen Staatenlenkern dominiert wird: Der Russe Wladimir Putin, der Chinese Xi Jinping, der Türke Recep Tayyip Erdogan und nicht zuletzt Trump lieben das stramme Durchregieren. Die Themen Menschenrechte und Demokratieförderung stehen nicht auf ihrer Agenda. In dieser Hinsicht hat Kim nichts zu befürchten. Sollte es im Nordkorea-Konflikt zu einem Durchbruch kommen, wären Trump und Kim vor dem heimischen Publikum die großen Profiteure. Wenn es schief läuft, könnten sie immer noch sagen: Wir haben alles versucht, aber die andere Seite hat nicht mitgezogen.