Berlin. Das Bundesverwaltungsgericht könnte Fahrverbote für Diesel-Autos erlauben. Doch was sind die Folgen? Wir klären die wichtigsten Fragen.

Ob Nachrüstung von Dieselautos, Fahrverbote in Innenstädten oder ein kostenloser öffentlicher Nahverkehr – es gibt gerade viele Ideen, wie die Luft sauberer werden und weniger Stickoxide enthalten kann. Ein Grund für diese mehr oder weniger realistischen Vorschläge ist ein wichtiger Termin vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig an diesem Donnerstag.

Dabei könnten die Richter Fahrverbote für Dieselautos in Düsseldorf und Stuttgart erlauben. Ein solches Urteil hätte gravierende Folgen auch für andere Städte. Landesregierungen und die Bundesregierung kämen massiv unter Druck, solche Verbote endlich zu erlauben.

Was kommt da auf Bürger und Dieselfahrer zu? Wären auch Lkw betroffen? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

• Wo liegt das Problem?

Es geht um die Qualität der Luft in Städten und ganz konkret um die Belastung mit Stickoxiden. Diese Gase mit dem chemischen Kürzel NOx entstehen vor allem durch Dieselmotoren und Heizanlagen. Sie können in höherer Konzen­tration giftig sein und Atemwege und Augen reizen. Auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Lungenprobleme werden mit den Gasen in Verbindung gebracht.

Forscher der Uni Jena haben gerade herausgefunden, dass das Risiko für einen Herzinfarkt steigt, wenn die Konzentration von Stickoxiden binnen eines Tages stark ansteigt. Aus allen diesen Gründen gibt es einen Grenzwert für das Gas Stickstoffdioxid. Dieser Wert wird in vielen Städten seit Jahren nicht eingehalten.

• Wie schlecht ist die Luft wirklich?

Insgesamt ist die Luft in deutschen Städten in den vergangenen Jahren spürbar besser geworden. Das zeigen die Messungen des Umweltbundesamts. Noch immer aber werden die Grenzwerte in 66 Städten überschritten. Am stärksten ist dies in München, Stuttgart und Köln der Fall.

In München waren in einem Kubikmeter Luft im Durchschnitt des Jahres 2017 genau 78 Mikrogramm Stickoxid enthalten. Ein Jahr zuvor waren es 80 Mikrogramm. Erlaubt sind 40 Mikrogramm. Ähnlich war es in Stuttgart (73 gegenüber 82 Mikrogramm), Köln (62/63). Etwas besser ist die Luft in Hamburg (58/62) und Berlin (49/52). In den meisten Städten liegt der tatsächliche Stickoxid-Wert etwa auf Höhe des Grenzwertes oder darunter.

• Was bedeuten die Messwerte?

Das Umweltbundesamt sammelt die Ergebnisse aus 500 Messstationen, die nach einem ausgeklügelten System auf ganz Deutschland verteilt sind. Einige Stationen liefern stündlich automatisch aktuelle Werte, andere müssen monatlich per Hand ausgewertet werden. Stehen in einigen Städten mehrere Messstationen, gilt immer nur der höchste Wert für die gesamte Stadt.

Fahrverbote und Skandale: Das müssen Dieselauto-Besitzer jetzt wissen

weitere Videos

    Die Luft ist also nicht überall so schmutzig wie der Stickoxid-Wert es auf den ersten Blick vermuten ließe. In Stuttgart etwa gibt es beispielsweise außer der berühmten Station am Neckartor, an der stets Höchstwerte gemessen werden, vier weitere Stationen, von denen immerhin eine unter dem Grenzwert liegt.

    • Wer produziert Stickoxide?

    Nach Angaben des Umweltbundesamts verursacht der Straßenverkehr rund 60 Prozent der Stickoxide. Daran wiederum sind Diesel-Pkw zu 50 Prozent beteiligt. Ihr Anteil hat sich in den vergangenen Jahren stetig gesteigert und ist nun fünfmal so groß wie im Jahr 2000. Der Beitrag von Diesel-Lkw an der Belastung durch Stickoxide ist hingegen gesunken.

    Heute sind es 28 Prozent. Im Jahr 2000 war es noch doppelt so viel. Autos, die Benzin tanken, verursachen weniger Stickoxide. Zu einem geringen Teil tragen auch Industrie und Landwirtschaft zur Produktion des Gases bei.

    • Warum entscheidet ein Gericht?

    Das Problem zu hoher Stickoxid-Werte ist seit vielen Jahren bekannt. Die Autoindustrie brachte seither zwar neue Dieselmotoren auf den Markt, aber seit dem VW-Skandal ist bekannt, dass diese Motoren oft nur auf dem Papier und im Labor sauberer wurden. Die Menge der ausgestoßenen Stickoxide blieb auf der Straße unverändert hoch oder stieg sogar an. Weder die Bundesregierung noch die Landesregierungen haben das Problem bisher in den Griff bekommen.

    Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat deshalb begonnen, auf die Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte zu klagen. Das ist ein mühsamer Weg, weil es immer um die sogenannten Luftreinhaltepläne in einzelnen Städten geht. In dem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht geht es konkret um die Pläne in Düsseldorf und Stuttgart.

    • Wie wird das Gericht entscheiden?

    Die Verwaltungsgerichte in Düsseldorf und Stuttgart hatten die zuständigen Behörden bereits verpflichtet, die Luftreinhaltepläne so zu verschärfen, dass die Grenzwerte für Stickoxide schnell eingehalten werden. Die Stuttgarter Richter bezeichneten Fahrverbote dabei die als die „wirksamste“ Maßnahme. Die Richter in Düsseldorf ließen wissen, Fahrverbote für Diesel müssten „ernstlich geprüft“ werden.

    Das Bundesverwaltungsgericht wird am Donnerstag nicht selbst Fahrverbote anordnen. Es wird aber entscheiden, ob Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in Städten mit sehr schlechter Luft rechtlich zulässig sind und in den Katalog von Maßnahmen für bessere Luft aufgenommen werden können. Experten glauben, dass es dazu kommen wird.

    • Wo und für wen würden Fahrverbote gelten?

    Fahrverbote würden in besonders betroffenen Städten gelten. Sie könnten zeitlich begrenzt und nur für bestimmte Strecken oder Zonen verhängt werden. Die Regelung wäre von Stadt zu Stadt verschieden. Ein Fahrverbot würde für Diesel-Pkw oder kleinere Diesellieferwagen gelten, die die neueste Abgasnorm Euro 6 nicht einhalten. Schwere Nutzfahrzeuge wie Lkw oder Busse fahren zwar auch mit Dieselmotoren.

    Für sie gelten aber andere Grenzwerte, die – und das ist der seit dem VW-Skandal bekannte Unterschied zu Pkw – nachweisbar eingehalten werden. Das liegt daran, dass der Stickoxidausstoß von Lkw schon lange auf der Straße und nicht nur im Labor getestet wird.

    Völlig offen ist, wie Fahrverbote wirksam kontrolliert werden können. Unklar ist auch, wie die blaue Plakette, mit der saubere Diesel freie Fahrt hätten, vergeben werden soll: nach der Schadstoffklasse im Fahrzeugschein oder nach dem tatsächlichen Stickoxidausstoß?

    • Welche Folgen hätten Fahrverbote?

    Die Folgen des Gerichtsentscheids und von Fahrverboten sind nicht absehbar. Die Politik will sie deshalb vermeiden. Das städtische Leben könnte lahmgelegt werden, weil Läden nicht beliefert und Handwerker nicht zum Kunden kommen könnten. Die Zahl der verkauften Dieselneuwagen könnte noch weiter einbrechen, Gebrauchtwagen könnten weiter an Wert verlieren.

    Die Umrüstung vorhandener Dieselmotoren ist teuer. Die Politik versucht zwar, Radwege zu bauen und den öffentlichen Nahverkehr zu fördern, aber das braucht Zeit. Und: Wenn wieder mehr Benzinautos unterwegs sind, steigt der Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid.