Passau. Markus Söder attackiert beim politischen Aschermittwoch in Passau die SPD. Er will die demokratische Rechte wieder in der CSU vereinen.

Die weiß-blau geschmückte Halle ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Es ziehen ein: Der designierte bayerische Ministerpräsident Markus Söder mit Ehefrau Karin. Zu den Klängen des Defiliermarsches, eigentlich dem amtierenden Ministerpräsidenten vorbehalten. Und der heißt immer noch Horst Seehofer. Ein Fehler in der Choreographie. „Ich komme damit emotional zurecht“, sagt Söder grinsend.

Der Noch-Finanzminister der CSU hat die Bühne beim politischen Aschermittwoch in Passau für sich allein. CSU-Chef und Noch-Ministerpräsident Seehofer hatte seine Teilnahme kurzfristig wegen eines grippalen Infekts abgesagt: So wirklich behagt hat ihm die Rede in Bierzelt-Atmosphäre ohnehin nie.

Söder ist eher geschaffen für die Abteilung Attacke. Der 51 Jahre alte Franke ist kurz vor dem Ziel, dem er sein politisches Leben untergeordnet hat. Er wird Ende März bayerischer Ministerpräsident sein und die Partei in die Landtagswahl am 14. Oktober als Spitzenkandidat führen. Beides hat er Seehofer in einem zermürbenden Machtkampf nach dem desaströsen CSU-Ergebnis bei der Bundestagswahl abgetrotzt.

Ohne Bayern stünde Deutschland schlechter da

Jetzt muss Söder liefern. Und angesichts der starken AfD in Bayern ist die Standortbestimmung der CSU für ihn klar: Nicht nur die politische Mitte, sondern auch der rechte Flügel soll es ein. Das Credo von CSU-Übervater Franz Josef Strauß, wonach es rechts neben der CSU keine demokratische legitimierte Partei geben darf, hat in Zeiten der AfD-Konkurrenz bei den Christsozialen wieder Konjunktur. Vor allem hier will Söder punkten. „Wir sind für die demokratische Mitte da, aber wir wollen auch die demokratische Rechte wieder bei uns vereinen“, ruft er unter dem Applaus des Saals.

Söder, dessen Machtwille und unbedingter Ehrgeiz legendär sind, wird sanfter in der Rolle des künftigen Landesvaters. „Heimat ist nicht nur politische Gefühlsduselei, sondern der seelische Anker, den jeder braucht.“ Ohne Bayern stünde Deutschland schlechter da – davon braucht er an diesem Mittwochvormittag niemanden überzeugen.

Söder fordert Unionsparteien zur Einbindung rechter Wähler auf

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    Söder präsentiert in Passau seinen Kurs für die Landtagswahl. Kreuze in allen staatlichen Gebäuden im Freistaat, eine eigene bayerische Grenzpolizei, die Verankerung der christlich-abendländischen Kultur in der bayerischen Verfassung, die Begrenzung der Amtszeit des bayerischen Ministerpräsidenten auf zehn Jahre, eine bayerische Eigenheimzulage. Ein eigenes Landesamt für Asyl will er in Bayern gründen. Die Erweiterung des Schengenraums verhindern.

    Menschen haben Angst vor einem Kontrollverlust

    In der weiß-blau geschmückten Dreiländerhalle wird mit viel Holz, ebenfalls weiß-blauen Tischdecken, der Blaskapelle und den Maßkrügen ein Heimatgefühl in der Mehrzweckhalle suggeriert. Ein Klischee, klar. Aber es geht um mehr, das wissen sie bei der CSU spätestens seit dem Stimmenverlust bei der Bundestagswahl. In Niederbayern holte die AfD starke Ergebnisse. Und jeder, den man hier fragt, hat eine Geschichte aus dem Herbst 2015, dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise. Manch gute, manch schlechte Geschichte, doch einig sind sich alle: Die Zeit damals hat die Region verändert.

    Die einst freie Grenze nach Österreich wird wieder kontrolliert, die Pendler sind stinksauer. Taxifahrer erzählen, es gebe nach wie vor die Schleuser, die die Menschen nachts auf der Landstraße abstellten, auch Frauen und Kinder. Ein Kontrollverlust des Staates, wie sie ihn 2015 erlebt haben, davor haben sie hier im Grenzgebiet zu Österreich und Tschechien Angst. Dagegen helfen keine Blaskapelle und auch kein Bier. Söder weiß das.

    Größter Beifall bei dem Thema Migration

    Er hält sich lange mit der Migrationsfrage auf, bekommt dafür den stärksten Beifall: „Die Zuwanderung hat in Deutschland alles verändert“, ist er sich sicher. Deutschland sei das einzige Land der Welt, „in das man ohne Pass hinein und nicht mehr herauskommt“, sagt er und beklagt gleichzeitig eine schlechte deutsche Abschiebepraxis. Der Staat mache sich dabei lächerlich. „Wir helfen anderen wirklich gerne, aber darüber dürfen wir die einheimische Bevölkerung nicht vergessen.“ Diejenigen, die ein Recht auf Schutz hätten, bekämen ihn auch. Doch die Balance zwischen den Aufwendungen für die einheimische Bevölkerung und die Migranten stimme nicht mehr.

    Söder schafft es, dass das Publikum bei der Stange bleibt. Er geht mit der politischen Konkurrenz ins Gericht („Die Grünen lehnen Drohnen an der Grenze ab, aber sie sind sicher bereit, sie in Kantinen einzusetzen“, um zu sehen, „ob wir Schweinefleisch essen oder nicht“), macht sich kurz über die SPD lustig: „Einmal Zwerg, immer Zwerg, liebe SPD!“

    Seehofer geht ins Berliner Regierungskabinett

    Söder vermeidet Attacken unter der Gürtellinie. Er kommt an beim Publikum, es nach einer Stunde und 15 Minuten zu Zugabe-Rufen zu bringen, das muss man auch in Bayern erstmal schaffen. Und er rückt die Partei klar nach rechts. „Kein Rechtsruck, sondern Rückkehr zu alter Glaubwürdigkeit“, nennt Söder das. „Wir wollen die Lufthoheit über den Stammtischen wieder zurückgewinnen.“ Söder hat es angesichts der Selbstzerlegung der SPD und dem Grummeln in der CDU auch einfach, die CSU als Partei hinzustellen, die den politischen Generationswechsel geschafft hat. „Es waren keine einfachen Monate, aber wir haben eine Neuaufstellung geschafft.“

    „Passt scho“, hatte auch Seehofer nach den Koalitionsverhandlungen gesagt. Der Machtkampf zwischen ihm und Söder ist – zumindest vorläufig – befriedet. Die Pfründe sind verteilt, wenn es denn eine Regierung gibt. Seehofer geht als CSU-Chef tatsächlich nochmal nach Berlin, als Innen- und Heimatminister in ein Kabinett von Angela Merkel.

    Kanzlerin Merkel erwähnt Söder nicht

    In Bayern war man bis zuletzt skeptisch gewesen, ob der 68-Jährige nicht nur taktiert. Doch Seehofer, der sich auch das Finanz- oder Sozialministerium zugetraut hätte, will seiner politischen Karriere ein weiteres Amt hinzufügen. Und Söder attestieren in einer aktuellen Bayern-Umfrage 61 Prozent der Befragten in der Übergangsphase einen guten Eindruck. Passt also.

    Die Kanzlerin erwähnt Söder namentlich nicht. Nur einmal, als er begründet, warum er die Amtszeit des bayerischen Ministerpräsidenten künftig begrenzen will, sagt er: „Neuer Schwung tut immer gut, dies wäre auch ein Signal für Deutschland.“ Applaus.

    Am Ende seiner Rede macht Söder deutlich, wo er seinen Platz auch in Zukunft sieht: in Bayern. „Ich habe immer gesagt, ich liebe das Land und die Leute“. Er könne das Ergebnis der CSU bei der Landtagswahl zwar nicht exakt in Prozenten vorhersagen, „aber tausend Prozent Einsatz für das Land und die Leute“, das werde er geben. Die CSU hat also einen neuen Tausendsassa, einen „1000-Prozent-Mann“. Der zu 100 Prozent auf das Konservative vertraut.