Berlin. Horst Seehofer hat einen würdigen Abgang verpasst, Markus Söder triumphiert. Doch die Münchner Seifenoper muss jetzt schnell enden.

Macht ist immer gefährlich. Besonders dann, wenn man ihr zu sehr vertraut. Horst Seehofer unterlag trotz jahrzehntelanger politischer Erfahrung in den höchsten Ämtern dieser Fehleinschätzung. Als er im April dieses Jahres verkündete, wieder als Spitzenkandidat bei der Landtagswahl 2018 antreten zu wollen, vermittelte er die Botschaft: Ohne mich geht es nicht.

Zu diesem Zeitpunkt schien der leidige Streit mit Bundeskanzlerin Angela Merkel über eine Obergrenze für Flüchtlinge ausgestanden, die Umfragewerte waren hervorragend, ein Wahlerfolg schien ausgemacht. Es war ein Trugschluss. Seehofer hätte zu diesem Zeitpunkt einen würdevollen Abgang und eine geordnete Übergabe der Macht noch organisieren können, ja, vielleicht sogar seinen Intimfeind Markus Söder übergehen können.

Doch das Festklammern an der Macht nach der Wahlniederlage und das Gezerre um seine Posten, hat ihn den würdevollen Abgang gekostet. Dass er nun noch Parteichef bleiben möchte, ist persönlich nachzuvollziehen, macht es aber für die CSU nicht leichter.

Seehofer und Söder sollen neues CSU-Spitzenduo bilden

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    Seehofer hat im Umgang mit Söder Fehler gemacht

    Zumal Seehofer 2018 dann ausgerechnet für Söder Wahlkampf machen muss. Den Mann, den er jahrelang sowohl öffentlich als auch hinterrücks mit allen Mitteln bekämpft hat. Die Ironie dabei ist, dass Seehofer im Bundestagswahlkampf bereits für CDU-Chefin Merkel trommeln musste, deren Flüchtlingspolitik er zutiefst verachtet hatte und die er 2015 auf offener Bühne dafür abkanzelte.

    Den Konflikt mit Merkel nicht vor dem Wahlkampf gelöst zu haben, gilt als der größte Fehler Seehofers. Danach band er seinen Widersacher Söder nicht in die Berliner Jamaika-Verhandlungen seiner Partei mit CDU, Grünen und FDP ein – obwohl Söder mit zehnjähriger Erfahrung als Minister durchaus inhaltlich etwas beizutragen gehabt hätte. Diese Entscheidungen haben sich gerächt.

    Abgang wird Seehofers politischer Leistung nicht gerecht

    Der 68 Jahre alte Seehofer, der manch schwere Krankheit und familiäre Wirrungen überstanden hat, wirkte am Montag einigermaßen berührt. Auch wenn er sich das ihm eigene Frotzeln mit der Presse nicht nehmen lässt, haben die vergangenen Wochen doch Spuren hinterlassen.

    Er habe schon viele politische Abschiede von Kollegen in seiner Karriere erlebt, sagte er nachdenklich. Dies nun persönlich zu erfahren, sei doch etwas grundsätzlich anderes. Es ist sehr schade, dass diese Erkenntnis zu spät kommt. Es wäre der politischen Leistung Seehofers vollkommen angemessen gewesen, aus einer Position der allgemeinen Hochachtung heraus Lebewohl zur Politik zu sagen.

    Das sind die Vorsitzenden der CSU

    Josef Müller ist der Mitbegründer der CSU und war der erste Vorsitzende der Partei. Im Dritten Reich wurde der Widerstandskämpfer von den Nationalsozialisten mehrmals verhaftet und in verschiedenen Konzentrationslagern interniert. Nach dem Krieg gründete er mit Adam Stegerwald die CSU und stand bis 1949 an der Spitze der Partei. Von 1947 bis 1952 war Müller zudem bayerischer Justizminister. Am 12. September 1979 starb er.
    Josef Müller ist der Mitbegründer der CSU und war der erste Vorsitzende der Partei. Im Dritten Reich wurde der Widerstandskämpfer von den Nationalsozialisten mehrmals verhaftet und in verschiedenen Konzentrationslagern interniert. Nach dem Krieg gründete er mit Adam Stegerwald die CSU und stand bis 1949 an der Spitze der Partei. Von 1947 bis 1952 war Müller zudem bayerischer Justizminister. Am 12. September 1979 starb er. © picture-alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / Istvan Bajzat
    Nachfolger von Josef Müller wurde Hans Ehard. Der studierte Jurist war von 1949 bis 1955 Parteivorsitzender der CSU. Von 1946 bis 1954 und von 1960 bis 1962 war er Ministerpräsident des Freistaates Bayern. 1980 starb Hans Ehard in München.
    Nachfolger von Josef Müller wurde Hans Ehard. Der studierte Jurist war von 1949 bis 1955 Parteivorsitzender der CSU. Von 1946 bis 1954 und von 1960 bis 1962 war er Ministerpräsident des Freistaates Bayern. 1980 starb Hans Ehard in München. © imago/ZUMA/Keystone | imago stock&people
    Hanns Seidel wurde 1955 – in einer Kampfabstimmung gegen Franz Josef Strauß – zum Parteivorsitzenden der CSU gewählt. Von 1957 bis 1960 war er zudem bayerischer Ministerpräsident. Er legte das Amt aus gesundheitlichen Gründen nieder, 1961 gab er auch den CSU-Vorsitz ab.
    Hanns Seidel wurde 1955 – in einer Kampfabstimmung gegen Franz Josef Strauß – zum Parteivorsitzenden der CSU gewählt. Von 1957 bis 1960 war er zudem bayerischer Ministerpräsident. Er legte das Amt aus gesundheitlichen Gründen nieder, 1961 gab er auch den CSU-Vorsitz ab. © picture alliance/ASSOCIATED PRESS | AP Content
    Franz Josef Strauß gilt als CSU-Übervater. Von 1961 bis zu seinem Tod im Oktober 1988 war Strauß Parteichef. In der Zeit, von 1978 bis 1988, auch Ministerpräsident in Bayern. Im Lebenslauf des gebürtigen Münchners stehen noch weitere Posten. So war er Bundesminister für besondere Aufgaben, Minister für Atomfragen, Verteidigungsminister und auch mal Finanzminister. Nur als Kanzlerkandidat scheiterte er und verlor die Bundestagswahl 1980 gegen Helmut Schmidt (SPD).
    Franz Josef Strauß gilt als CSU-Übervater. Von 1961 bis zu seinem Tod im Oktober 1988 war Strauß Parteichef. In der Zeit, von 1978 bis 1988, auch Ministerpräsident in Bayern. Im Lebenslauf des gebürtigen Münchners stehen noch weitere Posten. So war er Bundesminister für besondere Aufgaben, Minister für Atomfragen, Verteidigungsminister und auch mal Finanzminister. Nur als Kanzlerkandidat scheiterte er und verlor die Bundestagswahl 1980 gegen Helmut Schmidt (SPD). © imago/photothek | photothek.net
    Er trat das schwere Erbe von Franz Josef Strauß an: Theo Waigel. Von 1988 bis 1999 stand Waigel an der Spitze der CSU. Der Mann mit den markanten Augenbrauen war von 1989 bis 1998 unter Helmut Kohl Bundesfinanzenminister.
    Er trat das schwere Erbe von Franz Josef Strauß an: Theo Waigel. Von 1988 bis 1999 stand Waigel an der Spitze der CSU. Der Mann mit den markanten Augenbrauen war von 1989 bis 1998 unter Helmut Kohl Bundesfinanzenminister. © imago/WEREK | imago stock&people
    1999 folgte Edmund Stoiber. Acht Jahre lang war der Jurist Parteivorsitzender, von 1993 bis September 2007 auch Ministerpräsident. Der Höhepunkt seiner Karriere war die Kür zum Kanzlerkandidaten der Union im Jahr 2002. Edmund Stoiber verlor allerdings gegen den SPD-Politiker Gerhard Schröder.
    1999 folgte Edmund Stoiber. Acht Jahre lang war der Jurist Parteivorsitzender, von 1993 bis September 2007 auch Ministerpräsident. Der Höhepunkt seiner Karriere war die Kür zum Kanzlerkandidaten der Union im Jahr 2002. Edmund Stoiber verlor allerdings gegen den SPD-Politiker Gerhard Schröder. © imago/photothek | Liesa Johannssen/photothek.net
    Das war eher ein kurzes Intermezzo: Erwin Huber war knapp ein Jahr, von September 2007 bis Oktober 2008, Parteivorsitzender der CSU. Er setzte sich damals gegen Horst Seehofer und Gabriele Pauli durch. Weil das Ergebnis der CSU bei der Landtagswahl 2008 so schlecht war, trat Huber zurück.
    Das war eher ein kurzes Intermezzo: Erwin Huber war knapp ein Jahr, von September 2007 bis Oktober 2008, Parteivorsitzender der CSU. Er setzte sich damals gegen Horst Seehofer und Gabriele Pauli durch. Weil das Ergebnis der CSU bei der Landtagswahl 2008 so schlecht war, trat Huber zurück. © imago/photothek | Ute Grabowsky/photothek.net
    Nach dem Rücktritt von Erwin Huber übernahm Horst Seehofer den Posten. Seitdem ist er CSU-Parteivorsitzender.
    Nach dem Rücktritt von Erwin Huber übernahm Horst Seehofer den Posten. Seitdem ist er CSU-Parteivorsitzender. © dpa | Peter Kneffel
    Markus Söder ist seit dem 19. Januar 2019 CSU-Parteivorsitzender.
    Markus Söder ist seit dem 19. Januar 2019 CSU-Parteivorsitzender. © dpa | Peter Kneffel
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    Markus Söder hat im entscheidenden Moment zugeschlagen

    Diese Schwäche Seehofers ist nun die Stärke des Neuen an der Spitze des Freistaats, Markus Söder. Der ehrgeizige Finanzminister ist bislang nicht für seine diplomatische Art bekannt. Er hat in den vergangenen Wochen aber klug taktiert, ist nicht zu früh nach vorne geprescht, hat im entscheidenden Moment zugeschlagen.

    Es ist nun an ihm, die zerrissene Partei zu einen, sich Seehofers bundespolitische Erfahrung zunutze zu machen und die Querschüsse einzustellen. Seine Aussagen am Tag seines Triumphs lassen zumindest darauf hoffen, dass man die Münchner Seifenoper zu beenden gedenkt. Immer wenn es ernst wurde für die CSU und das Land Bayern, dann habe man sich zusammengerauft, das werde auch diesmal so sein, gab Söder zu Protokoll.

    Denn wenn sich die CSU weiter so benimmt und sich über die Verteilung von Posten selbst zerlegt, werden sich wahrscheinlich noch mehr Wähler für eine Alternative entscheiden. Liegt diese rechts von der CSU, wäre das nicht nur für Bayern ein Fiasko.