Berlin. Das Lohngleichheitsgesetz soll die Lücke zwischen Männern und Frauen schließen. Doch für wen gilt das Gesetz? Das müssen Sie wissen.

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Das hat sich Frauenministerin Manuela Schwesig (SPD) auf die Fahnen geschrieben und jahrelang für ein Gesetz gestritten, das die Unterschiede bei der Bezahlung zwischen Männer und Frauen wirksam bekämpfen soll. Allein die große Koalition diskutierte untereinander länger als ein Jahr, nun hat das Kabinett den Entwurf am Mittwoch beschlossen. Was sich nun ändern soll – ein Überblick:

Warum gibt es ein solches Gesetz?

Laut Angaben des Statistischen Bundesamtes haben Frauen im Jahr 2015 im Schnitt 21 Prozent weniger verdient als Männer. Wenn man berücksichtigt, dass Frauen öfter in Teilzeit arbeiten, seltener in Führungspositionen aufsteigen und stärker in sozialen Berufen mit geringeren Verdiensten arbeiten, beträgt die Lücke noch sieben Prozent.

Was ist der wichtigste Punkt?

Der Auskunftsanspruch des Arbeitnehmers. So soll Schluss sein damit, dass schon deshalb immer noch geringere Löhne meistens an Frauen gezahlt werden können, weil es schlicht nicht auffällt. Künftig sollen Arbeitnehmer auf Wunsch erfahren können, was Kollegen des anderen Geschlechts für gleiche oder gleichwertige Arbeit verdienen – über den Betriebsrat oder vom Arbeitgeber direkt, wenn dieser diesen Weg favorisiert.

Gilt das Gesetz nur für Frauen?

Nein. Es geht generell darum, dass die Lohnfindung keine „black box“ ist. Alle Beschäftigten in Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitern erhalten ein Auskunftsrecht, was eine vergleichbare Gruppe (sechs Mitarbeiter) des anderen Geschlechts verdient – auch die Männer. Die Neuregelung betrifft etwa 14 Millionen Beschäftigte. „Es geht nicht darum, den Lohnzettel des Kollegen einzusehen“, sagt Ministerin Schwesig. „Es geht darum, mit einem Tabu zu brechen: Über Geld redet man nicht.“

Was können Arbeitnehmer mit den Informationen anfangen?

Sie können laut Schwesig bei Gehaltsverhandlungen mit den Informationen anders auftreten als ohne – oder auch notfalls vor Gericht ein höheres Gehalt erstreiten. Rund 4000 Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern sollen darüber hinaus regelmäßig über den Stand der Entgeltgleichheit berichten. 6300 Betriebe werden zudem aufgefordert, entsprechende Prüfverfahren einzuführen.

Warum gilt das nur für Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitern?

Die SPD-Ministerin wollte das Gesetz ursprünglich für Betriebe ab sechs Mitarbeiter einführen – der Protest vor allem aus dem Wirtschaftsflügel der Union war enorm. Daher hat man sich auf den politischen Kompromiss von 200 Beschäftigten geeinigt. Für Betriebe mit weniger Mitarbeitern will das Ministerium prüfen, was für Instrumente hier künftig greifen könnten – konkret ist aber bisher nichts geplant.

Allerdings können Mitarbeiter sich heute bereits auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) berufen, das bereits Benachteiligungen aus Gründen des Geschlechts ausschließt – auch was die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen „einschließlich Arbeitsentgelt und Entlassungsbedingungen“ betrifft.

Allerdings muss ein Arbeitnehmer konkret nachweisen, dass er schlechter bezahlt wird. Das ist ohne Auskunftsanspruch schwierig. In den meisten Unternehmen, die nicht der Tarifbindung unterliegen, sind Gehälter Verschlusssache.

Was kritisiert die Wirtschaft?

Deutschlands Arbeitgeber halten das geplante Gesetz für unnötig. „Trotz wichtiger Korrekturen bleibt das Gesetz mit neuem Auskunftsanspruch, Regelungen über Prüfverfahren, Berichtspflichten, neuen Verfahren für den Betriebsrat und die Tarifvertragsparteien bürokratisch und erreicht nicht das Ziel, bessere Karrierechancen für Frauen zu schaffen“, sagt Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer.

Der Verband der Familienunternehmer verdammt das Gesetz als „Bürokratiemonster“. Präsident Lutz Goebel spricht von einem „Generalverdacht gegen alle Unternehmen, Frauen beim Lohn zu diskriminieren“. Außerdem erschwere der Gesetzgeber, Qualifikation und Leistung individuell zu belohnen.

Auch der Verband deutscher Unternehmerinnen lehnt den Entwurf ab. „Wer jetzt den Frauen Hoffnung macht, dieses Gesetz könne die Lohnlücke wirksam verringern, der führt in die Irre“, sagte Verbandspräsidentin Stephanie Bschorr dieser Zeitung. Die Entgeltlücke resultiere zu rund 15 Prozent aus den Erwerbsbiografien der Frauen und nicht aus der Bezahlung, unterstrich Bschorr. Um das zu ändern, müsse es mehr Frauen in technischen Berufen und in Chefsesseln sowie eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf für beide Elternteile geben.

Wird das Gesetz kommen?

Damit das Gesetz noch in dieser Legislatur wirksam wird, muss es der Bundestag bis zum Sommer verabschieden. Doch es wird ein hartes parlamentarisches Verfahren. Die Unionsfraktion kündigte am Mittwoch bereits an, den Gesetzentwurf auf seine Praxistauglichkeit zu überprüfen. Auch sei die Frage der zusätzlichen bürokratischen Belastung für die Unternehmen nicht geklärt. Diese müsse kompensiert werden.