Brüssel. Die EU-Kommission plant ein europäisches System, um Sparguthaben abzusichern. Für deutsche Sparer könnte das mehr Risiken bedeuten.

Es ist ein Schreckensszenario für die deutsche Bankenbranche: Mehrere Geldinstitute in Italien gehen pleite – und die Banken in Deutschland und anderen EU-Staaten müssen mit dem Geld ihrer Sparer einspringen, um italienische Bankkunden zu entschädigen. So könnte es nach Meinung von Kritikern kommen, wenn sich die EU-Kommission mit ihren Plänen zu einem besseren Schutz von Sparern in Europa durchsetzt.

Am Mittwoch legte die Kommission dazu in Brüssel ihren überarbeiteten Vorschlag für eine gemeinschaftliche Sicherung von Sparguthaben vor: Sie will ein von den Banken finanziertes „europäisches Einlagensicherungssystem“ (Edis) einführen. Alle Bankkunden in der EU sollten den gleichen Schutz genießen, unabhängig vom Wohnort, sagte Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis.

Finanzminister Schäuble lehnt die Pläne ab

Doch was Bürgern in vielen europäischen Ländern mehr Sicherheit bringen würde, könnte für deutsche Sparer mehr Risiken bedeuten: Werden die gut gefüllten Sicherungstöpfe der deutschen Kreditwirtschaft bald auch genutzt, um in Notlagen anderswo zu helfen?

Die deutschen Banken sind alarmiert, auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) lehnte die Pläne umgehend ab. Ihre Befürchtung: Indirekt müssten die deutschen Sparer für die Risiken anderswo bürgen. „Wenn europaweit Risiko und Haftung auseinandergerissen werden, ist das ordnungspolitisch das falsche Signal“, warnte Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon.

Schäuble zum letzten Mal bei Treffen der Euro-Finanzminister

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    Neu ist die Sorge nicht. Die Kommission hatte bereits vor zwei Jahren einen Vorstoß unternommen, der ab 2024 eine voll vergemeinschaftete Einlagensicherung für Sparguthaben vorsah. Das lehnte nicht nur Deutschland, sondern auch Österreich und die Niederlande ab; auch im EU-Parlament gab es Widerstand. Jetzt versucht es die Kommission mit einem leicht abgeänderten Vorschlag, hält am Endziel aber fest, wie Dombrovskis versicherte.

    Der Umbau erfolgt in zwei Stufen

    Das europäische Einlagensicherungssystem soll in zwei Stufen eingeführt werden. Anfangs würde in einer „Rückversicherungsphase“ der gemeinschaftliche Fonds nur genutzt, um in Notfällen frisches Geld auszuleihen, wenn ein nationales Sicherungssystem überfordert ist. Erst später, wenn Banken europaweit faule Kredite abgebaut und Verlustrisiken minimiert haben, soll Edis als „Mitversicherung“ mehr und mehr dazu dienen, Sparer bei Bankpleiten direkt zu entschädigen.

    Die Grundlage dafür gibt es schon jetzt: Laut EU-Richtlinie bekommt jeder Sparer Guthaben bis zu 100.000 Euro zurückerstattet, wenn seine Bank zusammenbricht – was verhindern soll, dass die Kunden im Krisenfall ihre Konten plündern und damit die Bank erst recht in die Pleite treiben. Dazu sind nationale Sicherungssysteme zu schaffen, die die Kundengelder garantieren. Doch nicht alle EU-Staaten haben ihre Hausaufgaben bereits gemacht. Zugleich drohen vor allem in Südeuropa neue Risiken: Die Banken in der EU haben noch faule Kredite in der Gesamthöhe von fast einer Billion Euro in ihren Büchern, ein Drittel davon entfällt auf Geldinstitute in Italien.

    Bei vielen südeuropäischen Banken tickt eine Zeitbombe

    Zugleich halten vor allem südeuropäische Banken gefährlich viele einheimische Staatsanleihen, deren Kurs von der Europäischen Zentralbank nicht ewig gestützt werden kann – da tickt eine Zeitbombe. In Deutschland ist nicht nur die Lage vergleichsweise entspannt, es gibt mit gesetzlichen und freiwilligen Sicherungsfonds der Banken auch ein dickes Polster für den Notfall. Im Krisenfall dürften Länder wie Deutschland also für Länder mit schwachen Banken haften.

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    Entsprechend groß sind die Bedenken hierzulande. Die gesamte Kreditwirtschaft warnte deshalb in einer gemeinsamen Erklärung: „Angesichts der noch immer sehr unterschiedlichen Risiken in den einzelnen Bankensystemen würde mit Edis de facto ein neuer Transfermechanismus zwischen den nationalen Sicherungssystemen der Eurozone geschaffen, bei dem die Haftung jedes Kreditinstituts in der gesamten Eurozone grundsätzlich unbegrenzt wäre.“ Das Ziel, die Einlagensicherung vollständig zu vergemeinschaften, sei weiterhin „der falsche Weg“.

    Für Schäuble ist Vergemeinschaftung vorerst kein Thema

    Schäuble erneuerte sein Veto: „Unsere Position ist unverändert“, ließ er sein Ministerium erklären. „Erst wenn die Risiken in und für Banken ausreichend reduziert wurden, kann es eine politische Diskussion zu einer etwaigen Vergemeinschaftung der Einlagensicherung geben.“ Keine Solidarität ohne Reform, heißt das Credo in Berlin.

    Auch im Europaparlament gibt es Bedenken. „Die Kommission hat die Probleme nicht gelöst und wenig Überzeugendes geliefert“, meinte der finanzpolitische Sprecher der EVP-Fraktion, Burkhard Balz (CDU). Aber die EU-Kommission drängt, unterstützt von Frankreich und südeuropäischen Ländern. Sie will mit der Einlagensicherung endlich die Reform der Bankenunion vollenden, um für den Fall einer neuen Finanzkrise gewappnet zu sein.

    Bis 2018 soll Reform der Einlagensicherung stehen

    Einiges ist schon geschehen: Die Banken müssen jetzt mehr Eigenkapital nachweisen, die EZB beaufsichtigt die großen Finanzhäuser. Und bei einer Pleite haften zuerst die Anteilseigner und Gläubiger. Nur die gemeinsame Einlagensicherung steckt fest. Die Kommission hofft, dass sich die EU-Staaten und das Europaparlament nächstes Jahr auf eine Reform verständigen. Doch aus Berlin ist weiterer Widerstand gewiss: Die FDP lehnt eine europäische Einlagensicherung ab. Der dauerhafte Haftungsverbund, hat FDP-Präside Volker Wissing schon erklärt, sei „ein schwerer Fehler“.