Washington. Er liegt in der oberen Schublade im Oval Office: ein Brief des US-Präsidenten an seinen Nachfolger. Was Obama an Trump geschrieben hat.
- Der frühere US-Präsident Obama hat seinem Nachfolger Donald Trump im Weißen Haus einen Brief hinterlassen
- Obama schrieb versöhnliche, aber auch vorsichtig mahnende Zeilen
- Den handschriftlichen Brief ließ Obama der Tradition gemäß am Tag der Vereidigung im Oval Office zurück
Handgeschrieben auf edlem Briefpapier und in die obere Schublade des Schreibtisches im Büro des Präsidenten gelegt: In Amerika ist es Tradition, dass scheidende Präsidenten oder auch Minister ihren Nachfolgern einen Brief hinterlassen.
Was in den Briefen steht, wird oft erst viel später veröffentlicht. Viele Menschen interessierte es brennend, was Barack Obama wohl an seinen Nachfolger geschrieben hat. Der Brief wurde nun von CNN veröffentlicht. Darin reflektiert Obama über die Verantwortung, die das Amt des Präsidenten mit sich bringt – darunter die Verpflichtung, die Demokratie zu hüten. Obama kritisiert Trump nicht, äußert sich aber vorsichtig mahnend.
Der Brief liest sich in manchen Passagen wie eine Vorahnung: Trump ist in den gut sieben Monaten seiner bisherigen Amtszeit bereits mehrfach vorgeworfen worden, rechtsstaatliche Prinzipien zu missachten. So ging er Richter massiv an, versuchte, die Einstellung missliebiger strafrechtlicher Ermittlungen zu erreichen und begnadigte kürzlich einen Ex-Sheriff, dem wiederholte Verstöße gegen Bürgerrechte angelastet werden.
Donald Trump legt seinen Amtseid ab
„Einige Reflexionen aus den vergangenen acht Jahren“
Obama beginnt dem Sender CNN nach mit einem Glückwunsch „zu einem erfolgreichen Rennen“. Millionen hätten ihre Hoffnung auf Trump gesetzt, „und wir alle, unabhängig von der Partei, sollten auf Wohlergehen und vergrößerte Sicherheit während Ihrer Amtszeit hoffen“.
Es sei ein „einzigartiges Amt, ohne eine klare Blaupause für Erfolg“, fährt Obama fort und bietet Trump dann „einige Reflexionen“ aus den vergangenen acht Jahren an. Nicht jeder sei so „gesegnet mit großem Glück“ wie er und sein Nachfolger, schreibt Obama. Es sei an Menschen wie ihm und Trump, alles zu tun, damit andere hart arbeitende Menschen ebenfalls mehr Chancen bekämen.
Michelle Obamas Mimik spricht Bände
„Wir sind Hüter demokratischer Institutionen“
Obama weist weiter auf die Bedeutung amerikanischer Führungskraft in der Welt hin und warnt davor, demokratische Grundprinzipien um politischer Vorteile willen auszuhöhlen. „Wir haben dieses Amt nur vorübergehend inne. Das macht uns zu Hütern dieser demokratischen Institutionen und Traditionen – wie Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung, gleichen Schutz und Bürgerrechte –, für die unsere Vorfahren kämpften und Blut vergossen-“
Obamas Brief erinnert Trump an die große Verantwortung, die ihm obliegt: „Ungeachtet des Drucks und der Zugkräfte der Tagespolitik ist es an uns, diese Instrumente zumindest so stark zu lassen, wie wir sie vorgefunden haben.“ Obama schließt mit den Worten: „Viel Glück und möge Gott Sie behüten.“
Schöner Brief, sagte Trump
Trump hatte den Briefinhalt nach seiner Inauguration lediglich als „schön“ beschrieben, er „schätze es sehr“, werde aber nicht sagen, was darin steht.
Der Brief, wie ihn CNN veröffentlichte, soll folgenden Wortlaut haben:
Dear Mr. President -
Congratulations on a remarkable run. Millions have placed their hopes in you, and all of us, regardless of party, should hope for expanded prosperity and security during your tenure.
This is a unique office, without a clear blueprint for success, so I don’t know that any advice from me will be particularly helpful. Still, let me offer a few reflections from the past 8 years.
First, we’ve both been blessed, in different ways, with great good fortune. Not everyone is so lucky. It’s up to us to do everything we can (to) build more ladders of success for every child and family that’s willing to work hard.
Second, American leadership in this world really is indispensable. It’s up to us, through action and example, to sustain the international order that’s expanded steadily since the end of the Cold War, and upon which our own wealth and safety depend.
Third, we are just temporary occupants of this office. That makes us guardians of those democratic institutions and traditions -- like rule of law, separation of powers, equal protection and civil liberties -- that our forebears fought and bled for. Regardless of the push and pull of daily politics, it’s up to us to leave those instruments of our democracy at least as strong as we found them.
And finally, take time, in the rush of events and responsibilities, for friends and family. They’ll get you through the inevitable rough patches.
Michelle and I wish you and Melania the very best as you embark on this great adventure, and know that we stand ready to help in any ways which we can.
Good luck and Godspeed,
BO
(dpa/aba)