Berlin/Hannover. Eine Grünen-Abgeordnete hat die Koalition mit der SPD zu einem vorzeitigen Ende gebracht. Neuwahlen wird es wohl im September geben.

Am Freitag gab es keinen Tweet von Elke Twesten: Die niedersächsische Landtagsabgeordnete bedient den Kurznachrichtendienst sonst regelmäßig, aber an dem Tag, als sie aus der Grünen-Fraktion in Hannover und auch aus der Partei austritt, kam keine Twitter-Nachricht.

Schriftlich hatte Twesten am Vormittag ihren Austritt aus der Grünen-Landtagsfraktion und aus der Partei erklärt. Fraktionschefin Anja Piel konnte dann nur kurz mit ihr telefonieren. Umstimmen konnte sie sie nicht. Um zwölf Uhr mittags gab die Abgeordnete im Sitzungssaal der CDU-Fraktion eine Erklärung ab, da stand neben ihr schon der christdemokratische Fraktionschef Björn Thümler. „Ich bin keine Verräterin, ich fühle mich sehr gut“, sagte Twesten. Am Dienstag will sie in den Reihen der CDU aufgenommen werden. So wird es wohl auch kommen.

Übertritte haben selten so gravierende Folgen

Immer wieder passiert es, dass Abgeordnete in den Parlamenten der Bundesländer die Partei und damit auch die Seite wechseln. So war erst im April eine SPD-Abgeordnete in Thüringen zur CDU übergetreten. Selten aber hatte eine solche Aktion so gravierende Auswirkungen wie jetzt.

Weil Rot-Grün dort nur mit einer Stimme Mehrheit regiert, brachte Twestens Schritt die Koalition zum Einsturz und damit auch die Landesregierung – fünf Monate vor der für Januar geplanten Landtagswahl. Auch für die mit schlechten Umfragen kämpfende SPD im Bund kommt die Regierungskrise zwei Monate vor der Bundestagswahl höchst ungelegen.

Twesten sah sich von Parteikollegen ausgegrenzt

Sie verlasse die Grünen, weil sie von ihrer Partei nicht erneut als Direktkandidatin nominiert worden sei, sagte Twesten bei ihrem Auftritt in den Räumen der CDU. „Dieser Schritt fällt mir nicht leicht, aber er ist notwendig.“ Vorausgegangen war ein tiefes Zerwürfnis mit den Grünen in ihrer Heimat östlich von Bremen. In einem Interview mit der Lokalzeitung hatte die Abgeordnete berichtet, ihre Arbeit werde von Parteifreunden „aus dem Hintergrund, wenn nicht gar Hinterhalt“ torpediert. Sie und andere Funktionsträger würden „diskreditiert und ausgegrenzt“.

Mit ihrer „zielgerichteten Selbstständigkeit“ sei sie angeeckt, vielen sei sie „nicht mehr ‚grün‘ genug“, sagte die 54-Jährige, die früher in der Zollverwaltung tätig war. Zweimal hatte sie versucht, Landrätin zu werden und kann sich vorstellen, auch für den Bundestag oder das EU-Parlament zu kandidieren. Seit 2008 sitzt Twesten im Landtag, sie war für Frauenrechte zuständig. Gewählt wurde sie nicht direkt, sondern über die Landesliste. Die Grünen forderten sie deshalb auf, ihr Mandat zurückzugeben. Dazu aber ist Twesten nicht bereit.

Opposition hätte Ministerpräsident Weil stürzen können

Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) brauchte am Freitag ein bisschen, bis er sich sortiert hatte. Bei seinem ersten Auftritt vor den Kameras war der sonst so gelassene Regierungschef sichtlich aufgebracht. Er sprach von einer Intrige, der er „nicht weichen“ werde. Das Verhalten der Abgeordneten sei „unsäglich“ und „schädlich für die Demokratie.“ Weil forderte den Landtag auf, sich aufzulösen und den Weg für Neuwahlen freizumachen.

Da sich auch CDU, FDP und die Grünen dafür aussprachen, gilt ein vorgezogener Wahltermin am 24. September, dem Tag der Bundestagswahl, als wahrscheinlich. Theoretisch hätten CDU und FDP den Ministerpräsidenten mit neuer Mehrheit und einem Misstrauensvotum stürzen können, aber der politische Imageschaden eines so brachialen Machtwechsels wäre wohl beträchtlich gewesen. Auch sind die beiden Oppositionsparteien noch nicht auf die Machtübernahme vorbereitet.

Bundes-SPD wirft CDU Intrige vor

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil, der selbst aus Niedersachsen kommt, warf der CDU in Berlin vor, sich an einem „schmutzigen Intrigenspiel“ zu beteiligen. Sie müsse aufklären, seit wann sie schon Kontakt mit der Abgeordneten habe. Ähnlich äußerte sich der Fraktionschef im Bundestag, Thomas Oppermann. Grünen-Politiker Jürgen Trittin warf der CDU einen „Stimmenkauf“ in Hannover vor, begründete dies aber nicht weiter.

Der niedersächsische CDU-Landeschef Bernd Althusmann dagegen versicherte, erstmals am vergangenen Freitag mit Elke Twesten über ihre Wechselabsichten gesprochen zu haben: „Angebote hat es keine gegeben“, betonte er.