Washington. Präsident Trumps neuer Kommunikationschef Scaramucci beleidigt den Stabschef. Auch der Streit um die Krankenversicherung geht weiter.

Am Ende der 30. Kalenderwoche steht die Regierung von Donald Trump an mehreren Fronten vor großen Scherbenhaufen. Ier Staabschef, eine zentrale Figur der Regierung, wird ohne Begründung ausgetauscht. Im Verhältnis mit Russland brennt es lichterloh. Eine neue Krankenversicherung ist nach einer historischen Abstimmungsniederlage der Republikaner im Senat in weite Ferne gerückt. Die Schlagzahl der schlechten Nachrichten wird immer höher. Der Reihe nach:

Trump feuert Stabschef Priebus

Seinen Justizminister Jeff Sessions hat er bisher vergeblich mit öffentlichen Erniedrigungen zum Rücktritt gedrängt. Bei Stabschef Reince Priebus (45) spart sich US-Präsident Donald Trump den Umweg. Mit sofortiger Wirkung ist der frühere Parteichef der Republikaner in seiner Funktion als „Mädchen für alles“ im Weißen Haus gefeuert. Übernehmen wird der bisher für das Heimatschutzministerium zuständige Ex-General John Kelly (67), den Trump seit Wochen wegen der zurückgehenden Übertritte von Illegalen an der Grenze zu Mexiko als seinen „Star“ im Kabinett preist. Das teilte Trump am Freitagnachmittag via Twitter mit.

Begründung? Fehlanzeige. Mit dem Abgang von Priebus, dem seit dem ersten Tag der Präsidentschaft zu wenig Durchsetzungskraft im verminten Gelände zwischen Hardlinern und moderaten Konservativen nachgesagt wurde, hat sich bewahrheitet, was Trumps neuer Kommunikationschef Anthony Scaramucci vor kurzem nach einem heftigen Streit gesagt hat: „Priebus wird bald entlassen.“ Scaramucci (53) warf ihm vor, die Medien mit Anti-Trump-Stoff zu versorgen.

Jeff Sessions in Russland-Affäre befangen

Trump heuerte auf Empfehlung seiner Tochter Ivanka und seines Schwiegersohnes Jared Kushner den Wall-Street-Investor Anthony Scaramucci (53) als neuen Kommunikationschef an. Deswegen nahm der glücklose Regierungssprecher Sean Spicer vorzeitig seinen Hut. Der Multimillionär mit italienischen Einwanderer-Wurzeln schaffte es in einer Woche, selbst zur größten Skandalstory in Washington zu werden.

Nicht nur, dass er den geschassten Reince Priebus als „verdammten paranoiden Schizophrenen“ bezeichnete. Dem rechtsnationalen Top-Berater Stephen Bannon warf er mit nicht jugendfrei zitierbaren Worten vor, sich auf Kosten Trumps zu profilieren. Selbst Trump-freundliche Medien bezeichneten den Niveauverlust als „schockierend“. Das Weiße Haus sei zu einer „Bühne für Intriganten verkommen – mit Trump als Zuschauer-in-Chief“. Dass er Scaramucci nicht umgehend entließ, sondern ihm über eine Sprecherin sogar den Rücken stärken ließ, sei ein „Alarmzeichen“, sagen Analysten des Senders CNN. Scaramucci sei offensichtlich von höchster Stelle autorisiert, als „Abrissbirne“ gegen illoyale Mitarbeiter zu agieren.

So heftig beschimpft Trumps Kommunikationschef Kollegen

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    Keine Mehrheit für Minimal-Gesetz

    Trumps zentrales Versprechen, das umstrittene Krankenversicherungsmodell seines Vorgängers („Obamacare“) abzuschaffen und durch „etwas ganz Wunderbares“ zu ersetzen, ist seit Freitagmorgen 1.40 Uhr endgültig zur Farce geworden. Die mit Mehrheiten in beiden Häusern des Kongresses regierenden Republikaner konnten nach sieben Jahren des Lamentierens und wochenlangem Taktieren selbst für ein drastisch abgespecktes Minimal-Gesetz keine Mehrheit organisieren. Zu weit auseinander liegen innerparteilich die ideologisch zementierten Standpunkte.

    Am Ende stimmten 51 Senatoren dagegen, nur 49 dafür. Drei Konservative, darunter der just an einem Gehirntumor operierte Star-Senator und Trump-Kritiker John McCain aus Arizona, stellten sich nach dramatischer Nachtsitzung gegen die eigene Partei und schlossen sich den 48 Demokraten an. Sie wollten nicht mitverantworten, dass 16 Millionen US-Amerikaner ihren Versicherungsschutz verloren hätten, wäre der mehrfach verwässerte Gesetzentwurf durchgekommen. „Obamacare“ bleibt weiter in Kraft.

    Trump hatte Neustart der Beziehungen versprochen

    Trump warf den Nein-Sagern vor, sie hätten die Amerikaner „im Stich gelassen“. Er plädierte dafür, das System „implodieren“ zu lassen und dann bei null anzufangen. Fachleute halten das für weltfremd. „Trump spielt mit dem Leben von Millionen von Menschen“, heißt es bei großen Krankenversicherungen. Trump hatte Russland im Wahlkampf einen Neustart der Beziehungen versprochen. Obwohl die US-Geheimdienste Moskau als Drahtzieher für Sabotageakte während des Präsidentschaftswahlkampfes ausgemacht haben.

    Die Realität sieht seit gestern definitiv anders aus. Als Reaktion auf ein im Senat und im Repräsentantenhaus angeschobenes Sanktionspaket, das zum Leidwesen Europas vor allem den russischen Energiesektor betrifft, hat der Kreml Gegenmaßnahmen angeordnet. Bis 1. September müssen die USA ihr diplomatisches Personal in Russland um über die Hälfte (jetzt 1100) reduzieren. Trump hat das Sanktionsgesetz, mit dem Russland auch für sein Vorgehen in der Ukraine und auf der Krim weiter bestraft werden soll, noch nicht unterschrieben.

    Trump wollte Verhältnis zu Moskau reparieren

    Er erwägt ein Veto. Was wiederum den Graben zwischen Weißem Haus und Kongress vertiefen würde. Trump hat intern bekundet, dass der Kongress ihm jeglichen Spielraum genommen habe, um das kaputte Verhältnis zu Moskau zu reparieren. Trump beendete mit einer Twitter-Meldung die Karrieren von Tausenden Transgender-Menschen (Personen, die sich nicht ihrem Geschlecht bei Geburt zugehörig fühlen), die in den amerikanischen Streitkräften in Afghanistan und im Irak ihr Leben riskiert haben.

    Er begründete seine Entscheidung mit „enormen medizinischen Kosten“. Außerdem gefährdeten Transgender-Personen die Leistungsfähigkeit des Militärs. Am Tag darauf gaben die Spitzen im Generalstab und im Pentagon Kontra – alles bleibe beim Alten, niemand werde entlassen, niemand diskriminiert. Das Verteidigungsministerium war nicht vorab informiert. Es widersetzt sich damit de facto dem Commander-in-Chief.