Essen. Manipulationen haben das Vertrauen in die Autobauer tief erschüttert. Die neuen Vorwürfe gegen Daimler treffen die Branche erneut.

Deutschland ist die Wiege des Automobils. Es waren deutsche Ingenieure, die den Pkw, den Lkw und den Omnibus erfanden. 400 Milliarden Umsatz und 800.000 Beschäftigte allein in der Autoindustrie sind eine nicht wegzudenkende Macht in der Bundesrepublik. Das Auto prägt die deutsche Wirtschaft wie kein anderes Produkt. Stahlhersteller, Zulieferer, Werkstätten, Händler, Reifenproduzenten hängen von ihm ab. Mit dem Abgasskandal bei Volkswagen jedoch begann der Abwärtssog für die gesamte Branche.

Manipulationen und Betrug haben das Vertrauen in die Hersteller tief erschüttert. Inzwischen wissen wir, dass Trickser nicht nur in Wolfsburg sitzen. Sie treiben offenbar auch bei Daimler ihr Unwesen. Bei jenem Autobauer, der sich mit einem funkelnden Mercedes-Stern schmückt. Seit mehr als einem Jahrhundert ist er nicht nur Statussymbol, sondern auch Ausweis für Qualität und deutsche Wertarbeit.

Vertrauensverlust unter den Kunden

Der Mercedes-Stern, eines der bekanntesten Markenzeichen der Welt, droht nun Flecken abzubekommen. Es war schon länger vermutet worden, dass auch die Stuttgarter mit Software arbeiten, die bei Dieselmotoren die Abgaswerte schönt. Jetzt verdichten sich die Hinweise. Eine Million Autos sollen betroffen sein – längst nicht so viele wie bei Volkswagen. Den Imageschaden mindert das aber keineswegs. Neben teuren Strafen droht Daimler vor allem ein Vertrauensverlust unter ihren Kunden.

Auch wenn Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) medienwirksam die Daimler-Spitze zum Rapport einbestellt und ihr nun das ohnehin zahnlose Kraftfahrbundesamt auf den Hals hetzen will, zeigt der aktuelle Manipulations-Vorwurf erneut, wie machtlos die Politik der Autobranche gegenübersteht.

Noch am Dienstag dieser Woche hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel vor Vertretern der bayrischen Wirtschaft erneut hinter die umstrittene Dieseltechnologie für Autos gestellt. „Wir haben den Diesel immer protegiert und sollten deshalb jetzt auch nicht einfach abrücken, weil er weniger CO2-Emissionen verursacht“, sagte die Regierungschefin, die den Diesel trotz der Stickoxid-Problematik im März noch als „umweltfreundlich“ gepriesen hatte.

Anteil der Diesel an den Pkw-Neuzulassungen sinkt rapide

So blauäugig wie die Kanzlerin sind die Verbraucher längst nicht mehr. Angesichts drohender Fahrverbote und bröckelnder Wiederverkaufswerte sinkt der Anteil der Diesel an den Pkw-Neuzulassungen rapide. Die Selbstzünder sind auf dem besten Weg, Ladenhüter zu werden. Und unter dem Vorwand, Arbeitsplätze sichern zu wollen, ermutigt Merkel die Industrie auch noch, weiter an der Verbrennungstechnologie festzuhalten, die ganz gewiss keine Zukunft hat.

Bei der Entwicklung von Elektroautos und leistungsfähigen Batterien hinken die deutschen Hersteller weiter hinterher. „Die deutsche Autoindustrie liegt am Boden“, formuliert es drastisch der Duisburger Autoprofessor Ferdinand Dudenhöffer. Und die Chinesen sowie der amerikanische Unternehmer Elon Musk mit seinem fortschrittlichen Tesla stellen sich indes an die Spitze der Bewegung hin zur Elektromobilität, die die ganze Welt revolutionieren wird.

Für die Herstellung eines Elektromotors ist nur ein Siebtel der Beschäftigten nötig. Anstatt BMW, Daimler und Co. zu bestärken, am Alten festzuhalten, wäre es die Pflicht der Kanzlerin, die Konzerne schneller in Richtung Elektromobilität zu treiben. Es steht aber zu befürchten, dass sich die CDU-Vorsitzende vor der Bundestagswahl am 24. September nicht mit der einflussreichen Automobil-Lobby anlegen wird.