Stuttgart. Daimler gerät in der Abgasaffäre in den Fokus. Nach Medieninformationen hegen Ermittler Manipulationsverdacht bei einer Million Autos.

Die Daimler AG soll rund eine Million Diesel-Pkw mit einem unzulässig hohen Schadstoffausstoß verkauft haben. Damit wäre der Konzern tiefer in der Abgasaffäre verstrickt als bisher bekannt. Das berichtet die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ).

Die Information geht den Angaben zufolge aus Unterlagen im Zusammenhang mit einer Razzia bei dem Konzern Ende Mai hervor. Die SZ habe mit NDR und WDR den Untersuchungsbeschluss des Amtsgerichts Stuttgart einsehen können.

In den Unterlagen steht demnach, dass bei zwei Motorenreihen Abgasmessungen manipuliert worden sein sollen. Damit sei die Schadstoffreinigung bei den offiziellen Messungen der Behörden auf einem Prüfstand ein- und auf der Straße weitgehend ausgeschaltet worden. Betroffen seien mehr als eine Millionen Fahrzeuge, die von den Motoren OM 642 und OM 651 angetrieben werden. Es geht um Pkw und Kleintransporter, die von 2008 bis 2016 in Europa und den USA verkauft wurden.

Ermittlungen gegen mehrere Daimler-Beschäftigte

Laut „SZ“ könnte sogar die europaweite Zulassung widerrufen werden. Die Staatsanwaltschaft ermittle gegen zwei Daimler-Beschäftigte wegen des Verdachts, Autokunden seien mit verbotener Werbung in die Irre geführt und betrogen worden. Es sei davon auszugehen, dass weitere Mitarbeiter des Konzerns an den mutmaßlichen Taten mitgewirkt hätten.

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    Eine Daimler-Sprecherin sagte, es handele sich um ein laufendes Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Stuttgart. „Wir kooperieren vollumfänglich mit den Behörden. Spekulationen kommentieren wir nicht.“ Die Gefahr einer Stilllegungsverfügung sehe der Konzern nicht. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart wollte sich nicht äußern. Auch vom Bundesverkehrsministerium war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten.

    VW hatte elf Millionen Pkw manipuliert

    Daimler geriet im Schlepptau des Dieselskandals bei Volkswagen in das Visier von Ermittlern in den USA und Deutschland. VW hatte im September 2015 zugegeben, bei elf Millionen Pkw weltweit die Abgasnachbehandlung manipuliert zu haben.

    Mit einer Abschalteinrichtung wurde der Ausstoß gesundheitsschädlichen Stickoxids nur auf dem Prüfstand unter den Grenzwert gebracht, auf der Straße lag er ein Vielfaches höher. Seither wird gestritten, ob die auch bei vielen anderen Automarken festgestellte Abweichung zwischen Prüfstand und Alltagsbetrieb rein technisch bedingt und gesetzeskonform ist oder auf illegale Manipulation hinweist.

    Schadenersatzklage in den USA

    Volkswagen kostete der Skandal bisher 22,6 Milliarden Euro an Strafen und Entschädigung. Daimler erklärte sich im vergangenen Jahr auf Druck des Bundesverkehrsministeriums zu einem Rückruf von knapp 250.000 Fahrzeugen mit übermäßigem Schadstoffausstoß in Europa bereit.

    Der Dax-Konzern hatte im jüngsten Quartalsbericht bekräftigt, im Falle eines „nachteiligen Ausgangs dieser Ermittlungen“ könnten erhebliche Geldstrafen, sonstigen Sanktionen oder Rückrufaktionen drohen. In den USA haben Käufer von Mercedes-Diesel-Pkw den Autobauer bereits auf Schadensersatz verklagt. (law/dpa/rtr)