Paris. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat Wladimir Putin empfangen. Nach der bisherigen Eiszeit wollen beide einen Neuanfang wagen.

Emmanuel Macron ist erst drei Wochen im Amt, doch immer weniger Franzosen bezweifeln, dass der 39-Jährige die Präsidentenrolle tatsächlich auszufüllen vermag. Insbesondere auf dem spiegelblanken internationalen Parkett scheint sich der Neuling mit traumwandlerischer Sicherheit zu bewegen. Davon konnten sich die Franzosen bei seinen gelungenen Auftritten beim Nato-Gipfel in Brüssel und beim G7-Treffen im sizilianischen Taormina überzeugen. Am Montag folgte der Empfang von Russlands Präsident Wladimir Putin in Versailles – ein echter Härtetest.

Die Frage, ob auch der unterkühlte „Wlad“ für den jugendlichen Charme von „Manu“ empfänglich sein wird, bescherte der ersten Begegnung zwischen den beiden Präsidenten große Aufmerksamkeit. Und noch viel mehr: Auch das Angebot eines „anspruchsvollen“ Dialogs, das Macron Putin mit der Einladung nach Versailles übermittelte, hatte für Aufhorchen gesorgt.

Immerhin stellt die ausgestreckte Hand des Franzosen einen klaren Bruch mit dem Konfrontationskurs dar, den Paris unter Macrons Amtsvorgänger François Hollande gegenüber Moskau einschlug – und der zu einer regelrechten Eiszeit in den russisch-französischen Beziehungen geführt hatte.

Im Wahlkampf hatte der Kreml Marine Le Pen unterstützt

Natürlich wusste Macron, dass sich die entgegengesetzten Positionen Frankreichs und Russlands im Syrien-Krieg oder im Ukraine-Konflikt kaum beim ersten direkten Kontakt ausgleichen lassen. Sein Ziel war es erst einmal, dem bleiernen Schweigen zwischen Franzosen und Russen ein Ende zu setzen.

Dafür musste Macron aber erst einmal mit der jüngsten Vergangenheit abschließen. Moskau hatte im Präsidentschaftswahlkampf die rechtspopulistische Politikerin Marine Le Pen mit einem Milliarden-Kredit sowie mit einem Empfang im Kreml offen unterstützt. Und kremlnahe Medien überzogen Macron monatelang mit einer massiven Kampagne (Fake News inklusive), russische Hacker sollen an den Cyberangriffen auf Macrons Wahlkampfzentrale beteiligt gewesen sein.

Unter Hollande kam es zu mehreren Affronts

„Wir wollen neue Akzente setzen“, heißt es im Umkreis von Macron. Es sei „kontraproduktiv“, die Russen zu demütigen. In der französischen Hauptstadt weiß man natürlich, dass der von Hollande im letzten Augenblick annullierte Verkauf zweier Mistral-Hubschrauberträger an die russische Marine von Putin als Affront gewertet wurde. Erst recht gilt das für ein ebenfalls kurzfristig abgeblasenes Pariser Treffen zwischen Putin und Hollande im vergangenen Oktober, weil russische Flugzeuge an der Bombardierung der syrischen Stadt Aleppo teilnahmen.

Zu den neuen Akzenten gehört ganz fraglos viel Pomade für den Kremlfürsten. So war Putin der erste ausländische Staatschef, den Macron empfing. Zwar reiste der Russe lediglich zur Eröffnung einer Ausstellung über den von ihm verehrten Zaren Peter den Großen nach Paris, und doch wurde er vor der weltberühmten Residenz des Sonnenkönigs Ludwig XIV. auf rotem Teppich und mit militärischen Ehren begrüßt.

Die Karriere von Präsident Macron

Europa im Blick: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron macht sich für eine Neugestaltung der Politik der Europäischen Union stark. Bilder seiner Karriere.
Europa im Blick: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron macht sich für eine Neugestaltung der Politik der Europäischen Union stark. Bilder seiner Karriere. © REUTERS | POOL
Emmanuel Macron ist der jüngste Präsident Frankreichs. Mit 39 Jahren wurde er zum Staatsoberhaupt gewählt. Die Stichwahl am 14. Mai 2017 entschied er klar für sich. Auch bei der Wahl zur Nationalversammlung im Juni erreichte seine Partei die absolute Mehrheit.
Emmanuel Macron ist der jüngste Präsident Frankreichs. Mit 39 Jahren wurde er zum Staatsoberhaupt gewählt. Die Stichwahl am 14. Mai 2017 entschied er klar für sich. Auch bei der Wahl zur Nationalversammlung im Juni erreichte seine Partei die absolute Mehrheit. © Getty Images | Aurelien Meunier
Hinter Macron steht die von ihm 2016 gegründete politische Bewegung „En Marche!“ (In Bewegung). Einen klassischen Parteiapparat hat er bislang nicht. Macron führte sein Wahlkampfteam wie ein Start-Up-Unternehmen.
Hinter Macron steht die von ihm 2016 gegründete politische Bewegung „En Marche!“ (In Bewegung). Einen klassischen Parteiapparat hat er bislang nicht. Macron führte sein Wahlkampfteam wie ein Start-Up-Unternehmen. © dpa | Michel Spingler
Der Arztsohn war bis 2012 gut bezahlter Investmentbanker bei Rothschild & Cie., dann holte ihn der damalige Präsident François Hollande als Berater in den Elysée-Palast. Von 2014 bis 2016 war er Wirtschaftsminister.
Der Arztsohn war bis 2012 gut bezahlter Investmentbanker bei Rothschild & Cie., dann holte ihn der damalige Präsident François Hollande als Berater in den Elysée-Palast. Von 2014 bis 2016 war er Wirtschaftsminister. © REUTERS | FRANCOIS LENOIR
Anschließend ist Macron aus dem Schatten seines Mentors im Elysée-Palast getreten, hat eine politische Blitzkarriere gemacht und den Sozialisten beerbt.
Anschließend ist Macron aus dem Schatten seines Mentors im Elysée-Palast getreten, hat eine politische Blitzkarriere gemacht und den Sozialisten beerbt. © REUTERS | REGIS DUVIGNAU
Macron ist unkonventionell, er will „weder rechts noch links“ sein.
Macron ist unkonventionell, er will „weder rechts noch links“ sein. © REUTERS | REUTERS / JEAN-PAUL PELISSIER
 Er gilt als Mitte-Links-Politiker, seine Ausrichtung ist sozialliberal.
Er gilt als Mitte-Links-Politiker, seine Ausrichtung ist sozialliberal. © REUTERS | BENOIT TESSIER
Berührungsängste hat er jedenfalls nicht. Weder bei den französischen Bürgern, ...
Berührungsängste hat er jedenfalls nicht. Weder bei den französischen Bürgern, ... © REUTERS | POOL
... noch bei Tieren.
... noch bei Tieren. © dpa | Eric Feferberg
Manche nennen den Politjungstar den „französischen Kennedy“. Schon vor der Wahl war von einer „Macromania“ die Rede.
Manche nennen den Politjungstar den „französischen Kennedy“. Schon vor der Wahl war von einer „Macromania“ die Rede. © Getty Images | Aurelien Meunier
Verheiratet ist Macron seit 2007 mit Brigitte Macron. Die beiden kennen sich seit seiner Schulzeit.
Verheiratet ist Macron seit 2007 mit Brigitte Macron. Die beiden kennen sich seit seiner Schulzeit. © dpa | Eric Feferberg
Brigitte Macron war damals seine Französischlehrerin. Sie hat drei Kinder aus erster Ehe, zwei davon älter als Macron.
Brigitte Macron war damals seine Französischlehrerin. Sie hat drei Kinder aus erster Ehe, zwei davon älter als Macron. © dpa | Christophe Ena
Das ungewöhnliche Paar bringt Glamour in den Élysée-Palast.
Das ungewöhnliche Paar bringt Glamour in den Élysée-Palast. © dpa | Yoan Valat
Macron ist wie so viele andere Spitzenpolitiker Frankreichs Absolvent der Elite-Hochschule ENA. Doch er sieht sich nicht als Teil des politischen Establishments, sondern als Erneuerer, der Frankreich aufrütteln und modernisieren will.
Macron ist wie so viele andere Spitzenpolitiker Frankreichs Absolvent der Elite-Hochschule ENA. Doch er sieht sich nicht als Teil des politischen Establishments, sondern als Erneuerer, der Frankreich aufrütteln und modernisieren will. © dpa | Eric Feferberg
Der haushohe Sieg bei der Parlamentswahl gibt Macron ausreichend Rückhalt für sein Reformprogramm.
Der haushohe Sieg bei der Parlamentswahl gibt Macron ausreichend Rückhalt für sein Reformprogramm. © Getty Images | Sylvain Lefevre
Der achte Präsident der Fünften Republik will die französische Wirtschaft wieder in Schwung bringen.
Der achte Präsident der Fünften Republik will die französische Wirtschaft wieder in Schwung bringen. © dpa | Valentin Flauraud
Dafür plant er unter anderem eine Lockerung des Arbeitsrechts.
Dafür plant er unter anderem eine Lockerung des Arbeitsrechts. © dpa | Etienne Laurent
Ob das an seiner Beliebtheit kratzen wird?
Ob das an seiner Beliebtheit kratzen wird? © REUTERS | POOL
Macron, die mächtigste Frau Europas und der mächtigste Mann der Welt: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der US-Präsident Donald Trump sind zwei Spitzenpolitiker, an denen Macron seit seinem Amtsantritt ganz wesentlich seine Selbstdarstellung ausgerichtet hat.
Macron, die mächtigste Frau Europas und der mächtigste Mann der Welt: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der US-Präsident Donald Trump sind zwei Spitzenpolitiker, an denen Macron seit seinem Amtsantritt ganz wesentlich seine Selbstdarstellung ausgerichtet hat. © REUTERS | REUTERS / POOL
Auf dem EU-Gipfel in Brüssel (Belgien) am 28. Juni 2018 zeigte der selbstbewusste junge Staatschef demonstrativ die Nähe zu Merkel.
Auf dem EU-Gipfel in Brüssel (Belgien) am 28. Juni 2018 zeigte der selbstbewusste junge Staatschef demonstrativ die Nähe zu Merkel. © dpa | Geert Vanden Wijngaert
Auch den amerikanischen Präsidenten Donald Trump traf Macron 2017.
Auch den amerikanischen Präsidenten Donald Trump traf Macron 2017. © Getty Images | Matt Cardy
In Frankreich trifft Macron auch auf viel Widerstand mit seiner Politik. Hier protestieren in Paris Demonstranten gegen Macrons Plan für eine Justizreform.
In Frankreich trifft Macron auch auf viel Widerstand mit seiner Politik. Hier protestieren in Paris Demonstranten gegen Macrons Plan für eine Justizreform. © dpa | Francois Mori
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Rückbesinnung auf bessere Zeiten

Doch all das bedeutet nicht, dass Macron sich auf die Seite der Putin-Versteher geschlagen hat. Zwar hebt sich der neue Präsident als lächelndes Gesicht der französischen Diplomatie recht deutlich von seinem gerne mit erhobenem Zeigefinger moralisierenden Vorgänger ab, aber in der Sache will er eine klare Linie verfolgen.

Eine Linie, die Trumps Klimaskeptizismus ebenso entgegensteht wie Putins Politik in Syrien, Libyen und in der Ukraine. Der durch das Versailler Treffen unterstrichene Umstand, dass sowohl der französische als auch der russische Präsident einen Neustart der Beziehungen zwischen ihren beiden Ländern wünschen und offensichtlich bereit sind, persönliche Differenzen zu begraben, schließt deutliche Worte nicht aus.

Übrigens ließ der offizielle Anlass der Begegnung, die Eröffnung der großen Ausstellung über den Besuch Peters des Großen anno 1717 in Versailles, an Symbolik nichts zu wünschen übrig. Damals besiegelten Zar und Sonnenkönig die Aufnahme ihrer diplomatischen Beziehungen. 300 Jahre später sind diese auf einen solchen Tiefpunkt abgesackt, dass sich die Rückbesinnung auf bessere Zeiten nur positiv auswirken kann.