Darum ist es für eine Amtsenthebung von Trump zu früh
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Lesezeit: 6 Minuten
Von Dirk Hautkapp
Washington. Die Chance, dass der Kongress ein Impeachment-Verfahren gegen Trump billigt, ist noch gering. Doch das Blatt kann sich schnell wenden.
Noch kann man sie an zwei Händen abzählen: Jene Abgeordneten und Senatoren im 535-köpfigen US-Kongress, die das folgenschwerste Wort im politischen Getriebe Washingtons in den Mund nehmen: „Impeachment“, zu deutsch: Amtsenthebung.
Aber seit Donald Trump die katastrophalsten sieben Tage seiner noch jungen Präsidentschaft hingelegt hat, wächst die Zahl derer, die ein unschönes Ende des New Yorker Milliardärs auf der politischen Bühne der amerikanischen Hauptstadt nicht mehr ausschließen.
Wladimir Putin will Donald Trump zur Seite springen
John McCain, Republikaner, selbst einmal im Rennen um die Präsidentschaft gewesen, fühlt sich wie in einer Endlosschleife. „Wir haben diesen Film schon einmal gesehen“, sagt der Senator aus Arizona, „ich denke, es hat bald die Dimension von Watergate.“ Das Debakel der 70er-Jahre kostete dem damaligen Präsidenten Richard Nixon das Amt.
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Eine Mitschrift des Gespräches, so wie es Außenminister Lawrow und US-Botschafter Kisljak in Erinnerung haben, könne bereitgestellt werden, erklärte Putin. Um zu beweisen, dass Trump keine Staatsgeheimnisse ausposaunt habe. Auf US-Seite wurde das Angebot vom ehemaligen Klassenfeind zunächst ignoriert. Die Sorgen dort sind andere.
Beim Buchmacher Betfair wird die Chance eines frühzeitigen Abgangs Trumps bereits mit 55 Prozent bewertet. Der Dollarkurs ist durch die Wucht der negativen Trump-Schlagzeilen so unter Druck geraten, dass der Euro plötzlich so hoch steht wie seit sechs Monaten nicht mehr. Aus dem Weißen Haus wird Endzeitstimmung mit „Intrigen“, „Schreiereien“ und „Resignation“ gemeldet.
Neue Enthüllung im Fall James Comey
Und unmittelbar vor Trumps erster großer Auslandsreise ab Freitag wächst in Regierungszirkeln die Angst vor einem Mega-Eklat, ausgelöst durch die unberechenbare Unbeherrschtheit des Chefs. „Die Nerven hier liegen überall blank“, ließ sich ein Offizieller im Weißen Haus zitieren. Die Republikaner fürchten, vom Sog der Pleiten mitgerissen zu werden.
Den vorläufig letzten Anstoß, die von Pannen geprägte Startphase Trumps nicht weiter als Anfängerfehler zu tolerieren, gab die neue Wendung im Fall FBI/Comey. Trump soll den Ex-Chef der Bundespolizei am 27. Januar aufgefordert haben, die Ermittlungen gegen den früheren Nationalen Sicherheitsberater Michael Flynn in der Russland-Affäre zu beerdigen. „Ich hoffe, Sie können das auf sich beruhen lassen“, zitierte Comey den Präsidenten in einer Aktennotiz, aus der mehrere US-Medien zitieren.
Erster Mosaikstein für Amtsenthebungsverfahren
Für Senator Angus King aus Maine – vorausgesetzt, die Sache bewahrheitet sich – erfüllt dies „annähernd die gesetzliche Definition von Behinderung der Justiz“. Mit Justin Amash schloss sich der erste Republikaner der Meinung an. Potenziell der erste Mosaikstein, um ein Amtsenthebungsverfahren einzuleiten.
Das Weiße Haus schoss sofort zurück. Comeys Erinnerung sei „keine wahrheitsgetreue oder akkurate Darstellung der Konversation“ zwischen Präsident und FBI-Chef. Trump habe „größten Respekt für die Strafverfolgungsbehörden“ und würde nie Einfluss auf Ermittlungen nehmen.
Solidarität der Republikaner für Trump bröckelt
Tatsache ist: Sowohl in eigener Sache (Trump-Universität, Betrugsvorwürfe) als auch beim gescheiterten Reise-Bann für Besucher aus einigen muslimischen Ländern setzte Trump öffentlich Richter unter Druck und warf ihnen politische Schlagseite vor.
Die Republikaner ertrugen diese gegen die Gewaltenteilung gerichteten Ausraster bisher mit der Faust in der Tasche. Seit dem von Trump angeordneten Rauswurf von Comey, der gegen Trump und dessen Team wegen des Verdachts illegaler Kumpanei mit Russland während der Wahl 2016 ermittelte, bröckelt es aber an der Solidaritätsfront.
Sachpolitik ist beim Dauer-Spektakel kaum noch möglich
Senats-Mehrheitsführer Mitch McConnell wünscht sich endlich „weniger Drama“ aus dem Weißen Haus. Seine Kollegin Susan Collins bettelt geradezu: „Können wir bitte mal einen krisenfreien Tag haben?“
Die Top-Konservativen fürchten, dass Trumps Dauer-Spektakel eine Sachpolitik (Gesundheitsreform, Steuersenkung) derart verunmöglicht, dass bei den Zwischenwahlen 2018 den Republikanern die Mehrheit im Kongress abhanden kommt.
Jason Chaffetz, republikanischer Chef des Ethik-Ausschusses im Repräsentantenhaus, will darum endlich Tacheles reden können. Er verlangt binnen einer Woche sämtliche „Protokolle, Notizen und Bänder“ zu sehen, die von Kontakten zwischen Trump und Comey existieren – notfalls mit juristischer Erzwingung. Der Geheimdienstausschuss des Senats bläst ins gleiche Horn. Comey soll dort persönlich aussagen.
Chaffetz schwant, dass „da noch mehr kommen könnte“, wie ein Kongress-Mitarbeiter sagt. Zum Beispiel? „Indizien dafür, dass Trump seine wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu Russland tatsächlich verschleiert hat.“
Impeachment-Verfahren kann auch erfolglos bleiben
Noch hat sich kein Top-Republikaner aus der Deckung gewagt und den Daumen über Trump gesenkt. „Entschieden zu früh“, heißt es in Parteikreisen, wo auf die Prozedur verwiesen wird.
Um ein Impeachment-Verfahren auf den Weg zu bringen, dass – siehe Bill Clinton – über zwei Jahre dauern und trotzdem erfolglos bleiben kann, muss zunächst das Repräsentantenhaus zustimmen. Zwei Dutzend Republikaner müssten dann mit den Demokraten zusammen Trump stürzen wollen. Wahrscheinlichkeit heute: gen Null. Die „Entfernung aus dem Amt“ würde dann nach monatelangem Gerangel in diversen Ausschüssen eine Zweidrittelmehrheit im Senat erfordern. Perspektive heute: aussichtslos.
James Comey könnte Donald Trump ans Messer liefern
All das, darauf weisen US-Kommentatoren hin, könne sich schnell ändern. Wenn James Comey demnächst im Kongress aussagt und Trump ans Messer liefert, könnten es die Republikaner mit der Angst bekommen und ihren in der Bevölkerung herzlich unbeliebten Präsidenten fallen lassen.
Donald Trump – sein Leben in Bildern
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Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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