Washington. Donald Trump soll vor Moskau mit Terror-Informationen geprahlt haben, die geheim waren. Wird der US-Präsident zum Sicherheitsrisiko?

Wenn Bob Corker die Nerven verliert, muss es schlimm stehen um den Mann im Weißen Haus. Der republikanische Senator reagiert auf präsidiale Patzer meist mit Duldsamkeit. Nach der jüngsten Episode von Donald Trump – das Ausplaudern streng geheimer Details über das Terror-Netzwerk Islamischer Staat gegenüber zwei russischen Top-Diplomaten – ist dem weißhaarigen Konservativen aus Tennessee der Geduldsfaden gerissen.

Von einer „Abwärtsspirale“, in der sich die Regierung befinde, spricht er vergrätzt. Und von einem „erschreckenden Mangel an Disziplin“ in der Herzkammer der amerikanischen Demokratie.

Trump sieht sich im Recht

Dass Trump Wladimir Putins Außenminister Sergej Lawrow und US-Botschafter Sergej Kisljak gesteckt hat, was ein mit den USA freundschaftlich verbundener Geheimdienst im Nahen Osten – laut „New York Times“ stammen die Informationen von den Israelis – über die sinistren Pläne des Terror-Kalifats herausgefunden hat, hat unmittelbar vor Trumps erster Auslandreise in Sicherheitskreisen weltweit Besorgnis, Entsetzen und Fragezeichen ausgelöst.

Nur nicht bei Trump selber.

Der Polit-Neuling fühlt sich – wie immer – im Recht und räumte aam Dienstag ohne Zerknirschtsein im Kern ein, was die Geheimdienste zur Weißglut bringt. Als Präsident habe er „absolut das Recht“, Informationen über Terrorismus und Flugsicherheit mit Russland zu teilen. Aus „humanitären Gründen“.

Visite im Oval Office

„Und weil ich will, dass Russland seinen Kampf gegen IS und Terrorismus stark intensiviert“, schrieb er seinen rund 30 Millionen Twitter-Anhängern. Sein Gespür für die Grenzüberschreitung, denn die brisante Info-Ware war mit einem Embargo belegt: gleich Null. Dagegen fragen sich Einsatzstäbe im Ausland: Warum kann der nominell mächtigste Mann der Welt nicht dichthalten, wenn es um Leben und Tod geht?

Was geschah, rekonstruierten die „Washington Post“ und später andere Top-Medien bis hin zur Nachrichten-Agentur Reuters aus anonym gehaltenen Quellen im Umfeld Trumps zunächst so:

Bei der seltsamen Visite der beiden Russen im Oval Office am 10. Mai (kein ein einziger US-Fotograf war zugelassen, ein Hof-Lichtbildner Putins sorgte für Schnappschüsse, die lachende Gesichter zeigten…) soll Trump in kindlichem Angeber-Ton geprahlt haben: „Ich bekomme großartige Geheimdienstberichte.

Ich habe Leute, die mich jeden Tag über großartige Geheiminformationen unterrichten.“ Danach, so bezeugen die Mithörer, erzählte Trump detailliert von IS-Anschlagsplänen auf Passagier-Flugzeuge mittels Computer-Laptops, die raffiniert mit Sprengstoff präpariert werden.

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Informationen, die nur Handvoll Leute kannten

Ein Kenntnisstand, der bislang als so geheim galt, dass er in der US-Regierung mit einem Code-Wort versehen und in einem besonders gesichert Raum verwahrt wurde – höchste Vertraulichkeit. Nur eine Handvoll Leute im Weißen Haus wusste davon. Der aus Schutzgründen nicht benannte Lieferant aus dem arabischen Raum (spekuliert wird über Jordanien und Israel) hatte sich ausdrücklich ausbedungen, dass die Info aus dem Innersten des IS in Washington als Verschlusssache behandelt wird. Weitergabe verboten.

Trump aber wollte teilen – und herrschen. Um „sich Putin anzudienen“ und „um zu demonstrieren, wie toll er selber ist“, gab der Präsident das Herrschaftswissen ungefiltert weiter, analysieren US-Kommentatoren. „Er hat den Russen mehr gegeben, als wir unseren engsten Verbündeten erzählen würden“, entrüstete sich ein Geheimdienstler gegenüber der „Washington Post“.

Sicherheitsberater verteidigt Trump

Weil Trump auch noch die Stadt im IS-Territorium beim Namen nannte, in der die befreundeten Schlapphüte von den geplanten Schandtaten im Luftraum Wind bekamen, rechnen Insider mit dem Schlimmsten. „Agenten können auffliegen und exekutiert werden. Die Geheimdienst-Operation gegen das Terror-Kalifat ist gefährdet.“ Und: „Die Russen, die in Syrien und im Kampf gegen den IS nicht auf unserer Seite sind, wissen nun, was wir wissen. Und vom wem.“

Stimmt alles nicht, erklärte das Weiße Haus in einer ersten Reaktion und schickte ein hochkarärtiges Verteidigungsbündnis an die öffentliche Front. General Herbert Raymond McMaster, frisch auf dem heißen Stuhl des Nationalen Sicherheitsberaters, sowie Außenminister Rex Tillerson verbürgten sich in lauwarm klingenden Stellungnahmen dafür, dass der Präsident die Enthüllung nicht begangen habe.

Weder seien Geheimdienstquellen noch deren Methoden zu Sprache gekommen, sagte McMaster, und auch keine Militäroperationen, von denen die Öffentlichkeit nicht bereits gewusst hätte. Seine Stellvertreterin Dina Powell bekräftigte diesen Tenor.

Dass alle Top-Vertreter Sachverhalte dementierten, die in der Berichterstattung der Medien gar nicht erwähnt worden waren, nährte in den Abendsendungen des US-Fernsehens den gegenteiligen Eindruck.

Russen sprechen von „Fake News“

Der bekannte jüdische Promi-Anwalt Alan Dershowitz sagte: „Das sind die schwerwiegendsten Vorwürfe, die jemals gegen einen amtierenden Präsidenten vorgetragen wurden.“ Schwerer als Watergate? Dershowitz nickte.

Zumal Trumps Büchsenspanner unmittelbar nach der Russen-Visite, die sich einen Tag nach dem immer noch ominösen Rauswurf von FBI-Chef James Comey zutrug, über die eigenen Geheimdienste CIA und NSA unverzüglich Schadensbegrenzung einleiteten, um den betroffenen alliierten Geheimdienst zu besänftigen. „Wenn alles so unverfänglich war, wie jetzt getan wird“, fragte ein Nutzer des Internetportale Buzzfeed, „warum dann die Aufräumarbeiten?“

US-Präsident Donald Trump (l) und Russlands Außenminister Sergej Lawrow.
US-Präsident Donald Trump (l) und Russlands Außenminister Sergej Lawrow. © dpa | Uncredited

Folgt man Trump, was das gar nicht nötig - war doch alles korrekt. Amerikanisch-russische Terrorprävention. Normales Geschäft sozusagen. Auch die Russen winkten wie bestellt ab. „Fake News“, diktierte Putin-Sprecher Peskow seinen Abnehmern in den Block. Und McMaster, der für seinen brillanten Kopf geschätzte Militärstratege, blieb auch am Dienstag dabei: Trumps Informationsweitergabe an die Russen sei „hochgradig sachgerecht“ gewesen, habe keine Quellen verbrannt und niemanden geschädigt. Detailfragen wich der sympathische Glatzkopf bei einer kurzen Presse-Begegnung aus.

Auch Republikaner verlangen lückenlose Aufklärung

Mehrere Kongressabgeordnete und Senatoren von Demokraten und Republikanern sprechen hingegen von einer „sehr ernsten Situation“, die „Zweifel an Amerikas Verlässlichkeit“ in der Welt auslöst und die nationale Sicherheit der USA gefährden könne. „Wenn befreundete Geheimdienste fürchten müssen, derart bloßgestellt zu werden“, sagte der demokratische Senator Ron Wyden, „werden sie uns einfach nichts mehr sagen.“

Bis hin zu Paul Ryan, Republikaner und Nr. 3 im Staatsgefüge, verlangen viele Parlamentarier lückenlose Aufklärung – und zwar von Trump persönlich. Notfalls müssten, falls vorhanden, Mitschnitte der Gespräche mit den Russen im Oval Office offengelegt werden, heißt es.

Für Trump kommt das neue Drama zur Unzeit. Der Präsident geht Ende der Woche auf seine erste große Auslandsreise, die ihn nach Saudi-Arabien, Israel, Brüssel, Sizilien und in den Vatikan nach Rom führen wird.

Durch Trumps Indiskretion ist das noch unter dem Radar schwebende Thema „Laptop-Verbot auf Interkontinental-Flügen in die USA“ plötzlich wieder prominent geworden. Aus Furcht, dass Laptops oder Tablets zu Bomben umfunktioniert werden könnten, hatten die USA und Großbritannien bereits Ende März angekündigt, dass sie diese Geräte auf Flügen aus acht muslimisch dominierten Ländern in der Kabine untersagen. Betroffen sind unter anderem beliebte Drehkreuze wie Istanbul oder Abu Dhabi.

Vor wenigen Tagen diskutierte das Heimatzschutzministerium mit dem zuständigen Senatsausschuss eine Ausweitung des Verbots auf europäische Flughäfen. Eine endgültige Entscheidung ist noch nicht öffentlich gefallen, kommt aber wahrscheinlich in den nächsten Wochen, sagen Sicherheits-Experten in Washington.

Potenziell betroffenen Fluggesellschaften fürchten logistische Probleme, Kundenärger und Verspätungen. Hauptgrund: Wie verfährt man mit Passagieren, deren tragbare Computer erst bei der Sicherheitskontrolle entdeckt werden, wenn das Hauptgepäck schon eingecheckt ist?