Nach dem Comey-Erdbeben – Trump auf wackeligem Grund
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Von Dirk Hautkapp
Washington. Nach dem Rauswurf des FBI-Chefs bleiben viele Fragen offen. Immer mehr in den Fokus rückt außerdem der stellvertretende Justizminister.
Wenn es Donald Trump beim Hau-Ruck Rauswurf von FBI-Chef James Comey („er hat einfach keinen guten Job gemacht“) um die Eindämmung der Russland-Affäre gegangen sein sollte, dann hat Amerikas Präsident das genaue Gegenteil bewirkt. Die demokratische Opposition im Kongress, weite Teile der Medien, Beschäftigte der Bundespolizei und vereinzelte Republikaner sehen nun noch mehr Grund, mutmaßlich illegale Kontakte zwischen Trumps Wahlkampfteam und dem Kreml während der Wahl 2016 zu Lasten Hillary Clintons rückhaltlos aufzuklären.
Ein Grund: Die völlig widersprüchliche Kommunikation des Weißen Haus, was die angeblichen Gründe für Comeys Entlassung anbelangt. Der vorübergehend abgetauchte Regierungssprecher Sean Spicer hatte zunächst erklärt, Comeys Abgang gehe auf eine Entscheidung von Justizminister Sessions und dessen Vize Rod Rosenstein zurück. Eine Version, die sich auch Vizepräsident Mike Pence vehement zu eigen machte.
Comeys „Rückhalt in den Führungsebenen ist überwältigend“
Später sagte Vize-Sprecherin Sarah Huckabee Sanders, Trump persönlich habe die Trennung angeordnet. Weil Comey bei der Handhabung der E-Mail-Affäre von Hillary Clinton „Abscheulichkeiten“ begangen habe. Am Donnerstagabend dann machte Trump das Kommunikationschaos perfekt. Dem Sender NBC sagte er, Comey wäre von ihm ungeachtet der Empfehlungen des Justizministeriums sowieso gefeuert worden, weil er ein „Wichtigtuer“ sei, der die Behörde in Misskredit gebracht habe.
Innerhalb des FBI, ein gigantischer Fahnungs-Apparat von über 36.500 Experten in 56 nationalen Büros, die als führende kriminalistische Institutionen gelten, kommt das nicht gut an. „Sein Rückhalt in den Führungsebenen ist überwältigend“, konterte Thomas O’Connor, Präsident einer FBI-Standesvertretung mit 13.000 Mitgliedern, Aussagen aus dem Trump-Lager, wonach Comey bei seinen eigenen Leuten das Vertrauen verloren habe. Auch der kommissarische FBI-Chef Andrew McCabe wandte sich gegen das Weiße Haus. Comey habe nach wie vor „große Unterstützung“ in der Behörde, sagte die bisherige Nr. 2 in einer Senatsanhörung.
Ehemalige FBI-Agenten meldeten sich zudem mit Solidarnoten für Comey zu Wort. Sie rechnen mit Durchstechereien von Details aus der Causa Russland an US-Zeitungen, die für Trump äußerst unangenehm sein könnten. Der Rechtsaußen-Blogger Matt Drudge bestätigt die Gefahr. Er rät dem Präsidenten zu einer größeren „Reinigungsaktion“ beim Personal. „Kleine Enthüllungen bringen das Schiff zum Sinken.“ Gemeint ist Trumps Regierungsschiff.
Dass Schlüssel-Republikaner wie Mitch McConnell und Paul Ryan die Forderung nach einem überparteilichen Sonder-Ermittler blockieren, finden Kollegen anrüchig. Der republikanische Senator und notorische Trump-Kritiker John McCain prophezeit, dass noch weitere Leute über die Russland-Affäre stolpern werden. Ob damit auch Trump selber gemeint war, ließ der Vietnam-Veteran offen.
Geheimdienstausschuss will Comey selbst hören
In der Tat droht dem Präsidenten im verwinkelten Politik-Getriebe Washingtons Ungemach. Der Geheimdienstausschuss im Senat will (übrigens mit republikanischer Unterstützung) schon in wenigen Tagen hinter verschlossenen Türen von James Comey selbst hören, „wie was und warum wirklich gelaufen ist“. Der 56-Jährige legte sich in einem Abschiedsbrief an seine ehemaligen FBI-Untergebenen Zurückhaltung auf: „Ich werde keine Zeit mit der Entscheidung (Trumps) oder der Art und Weise, wie sie übermittelt wurde, verbringen. Ich hoffe, Ihr werdet das auch nicht tun.“
Bei seiner Anhörung werden zwei Details mit Sprengkraft zur Sprache kommen: Hat Comey (wie Trump behauptet) dem Präsidenten wirklich mehrfach persönlich versichert, dass der Commander-in-Chief bei den Russland Ermittlungen außen vor ist? FBI-Insider bezweifeln das. Zweitens: Hat Comey das Justizministerium jüngst um mehr Geld und Personal gebeten, um die Russland-Untersuchung zu beschleunigen – und ist das Ansinnen abgelehnt worden? FBI-Insider sähen darin den Beweis dafür, dass Trump und sein ihm treu ergebener Minister Jeff Sessions den Deckel auf den Topf schieben wollen.
Lage um Michael Flynn spitzt sich zu
Parallel dazu spitzt sich die Lage um den tief im Russland-Sumpf steckenden ehemaligen Nationalen Sicherheitsberater Michael Flynn zu. Der von Trump ebenfalls gefeuerte Ex-General, der enge Kontakte ins Putin-Lager unterhielt, hat eine strafbewehrte Zwangsvorladung erhalten. Er muss im Geheimdienstausschuss alle Kontakte, Telefonate und E-Mails offenlegen, die ihn mit Russlands US-Botschafter Sergej Kisljak in Verbindung bringen. Flynn wollte bisher nur aussagen, wenn ihm strafrechtliche Immunität zugesichert wird.
Unterdessen gibt das Weiße Haus bei der Darstellung des Comey-Rauswurfs nach Ansicht von Medien und Wissenschaft weiter ein „Bild des Jammers“ ab. Regierungssprecher Sean Spicer ist abgetaucht. Seine Erklärung, dass Comeys Ende auf eine Entscheidung von Justizminister Sessions zurückgehe, musste seine Vertreterin Sarah Huckabee Sanders zurückholen. Trump persönlich habe die Trennung angeordnet, weil Comey bei der Handhabung der E-Mail-Affäre von Hillary Clinton (vor zehn Monaten!) „Abscheulichkeiten“ begangen habe. Was damit genau gemeint war, sagte sie nicht. Trump war Hauptnutznießer von Comeys Ermittlungen. Clinton verlor die Wahl.
Nachfolgersuche läuft auf Hochtouren
„Eine Kommunikationsstrategie, die bei einer so wichtigen Personalie wie dem FBI-Chef Vertrauen in die Urteils- und Handlungsfähigkeit der Regierung weckt, gibt es nicht“, sagte ein Politikwissenschaftler der Georgetown Universität. Nach Recherchen der „Washington Post“ soll Vize-Justizminister Rod Rosenstein sogar mit Rücktritt gedroht haben. Das Weiße Haus wollte den erst vor zwei Wochen ins Amt gekommenen Polit-Routinier offenbar als treibende Kraft hinter dem Abgang von Comey inszenieren.
Nicht mehr nutzen
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Für dessen noch nicht bestimmten Nachfolger, die Suche läuft auf Hochtouren, sind das widrige Vorzeichen. Kongresskreise erwarten, dass Trump an der Spitze des FBI einen Mann installieren wird, „der nicht wie Comey Abstand und Unabhängigkeit hält, sondern ausführt was Trump will – nämlich zuerst die Akte Russland endgültig zu schließen“. Ob damit das Vertrauen in den Präsidenten wächst? Forscher der Quinnipiac University haben gerade 1100 Amerikaner gefragt, was ihnen zu Donald Trump als erstes einfällt. Spitzenreiter bei den Antworten: „Idiot“. Platz 2: „inkompetent“. Platz 3: „Lügner“.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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