Berlin. Die Bundeswehr lieferte Fotos – danach gab es in Syrien einen Luftschlag mit vielen Toten. Gabriel weist deutsche Verantwortung zurück.

Nach Einschätzung von Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) hat die Bundeswehr nichts mit dem Tod von Zivilisten bei einem verheerenden Luftangriff der Anti-IS-Koalition in Syrien zu tun. „Nach meinem Kenntnisstand ist der ‚Tornado‘-Einsatz nicht verantwortlich dafür, was da gemacht worden ist“, sagte Gabriel gestern in einer Bundestagsdebatte.

Bei einem Luftangriff auf eine Schule in der nordsyrischen Stadt Al-Mansura wurden nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte am 20. März 35 Zivilisten getötet. Wie Medien berichteten, hatten „Tornados“ der Bundeswehr zuvor Aufklärungsfotos des Gebäudes an die Anti-IS-Koalition weitergegeben. „Ein amerikanisches Kampfflugzeug hat die Schule bombardiert“, sagte Rami Abdul Rahman, Chef der Beobachtungsstelle, unserer Redaktion. Die Organisation sitzt in London, stützt sich aber auf Augenzeugenberichte in Syrien.

Bilder von der Bundeswehr für die Anti-IS-Koalition in Syrien und im Irak

Die Angaben wurden von amerikanischer Seite bestritten. „Wir hatten vielfältige Geheimdienstquellen, die den Verdacht erhärteten, dass der Feind die Schule benutzt hatte“, sagte der US-Kommandeur für den Anti-IS-Einsatz, Stephen Townsend. In dem Gebäude hätten sich rund 30 IS-Extremisten befunden. Die Untersuchung sei aber noch nicht abgeschlossen.

Recce-Tornado in Incirlik (Türkei).
Recce-Tornado in Incirlik (Türkei). © dpa | Falk Bärwald

Die Bundeswehr fliegt keine Angriffe gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“. Sie liefert aber für die mehr als 60 Staaten umfassende Anti-IS-Koalition in Syrien und im Irak hochauflösende Luftbilder. Nach Informationen unserer Redaktion flogen Bundeswehr-„Tornados“ vor und nach dem Luftangriff am 20. März Aufklärungsflüge über Al-Mansura. Das Verteidigungsministerium verweist allerdings darauf, dass die Bundeswehr nicht wisse, welche Bilder für Angriffe benutzt werden und welche nicht. Zum konkreten Fall wollte sich die Bundesregierung aus Gründen der Geheimhaltung nicht äußern.

Einsatzgebiet der deutschen Soldaten nur in Syrien und dem Irak

Das Verfahren läuft generell so ab: Die von den USA angeführte Allianz legt im taktischen Luftwaffenhauptquartier Al Udeir in Katar vor einem geplanten Angriff einen Zielauftrag für Aufklärungsfotos fest. Ein dort stationierter deutscher Offizier prüft, ob der Auftrag mit den Bedingungen für das deutsche Mandat übereinstimmt. Geografisch ist das Einsatzgebiet für die Bundeswehrmission auf Syrien und den Irak beschränkt. Darüber hinaus darf die Luftwaffe nur Fotos von IS-Stellungen und nicht etwa von Al-Qaida- oder kurdischen Verbänden machen.

Hat der deutsche Offizier grünes Licht für den Einsatz gegeben, starten zwei der sechs im südosttürkischen Incirlik stationierten „Tornados“ der Bundeswehr. Das sind Aufklärungsflugzeuge mit großer Reichweite, Nachtsicht und Tiefflugfähigkeit. Allerdings verfügen auch andere Mitglieder der Anti-IS-Koalition über die gleiche Sensortechnik wie die „Tornados“, zum Beispiel die Amerikaner mit ihren F16-Jets.

Bundeswehrsoldaten werten die „Tornado“-Fotos aus

Anschließend werten Bundeswehrsoldaten in Incirlik die Bilder aus und stellen sie in eine elektronische Datenbank. Auf die hat jedes Land der Anti-IS-Koalition Zugriff. „Einsätze werden wegen einer Vielzahl von Informationen beschlossen. Dazu gehören Bilder von Drohnen, Satelliten und Aufklärungsflugzeugen sowie Berichte von Personal am Boden“, sagt der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold. Es müsse nun untersucht werden, wie es „zu diesem dramatischen Fehler“ gekommen sei. Auch Linke-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht forderte eine „lückenlose Aufklärung“.