Berlin. Die Ablehnung des strengeren Umgangs mit Asylbewerbern aus Nordafrika könnte fatale Folgen haben. Sie sendet ein falsches Zeichen.

Die Grünen sind im Bundesrat vorgeführt worden. Dort wurde über einen strengeren Umgang mit Asylbewerbern aus Algerien, Tunesien, Marokko abgestimmt, wohlahnend, dass die Partei verhindern würde, die drei nordafrikanischen Staaten zu „sicheren Herkunftsländern“ zu erklären. Der Zweck der Übung war es, Ross und Reiter zu nennen: einen Schuldigen zu präsentieren. Das hat das CSU-geführte Bayern geschafft, ein Wahlkampf-Manöver.

Nun haben die Grünen in der Regel fünf bis zehn Prozent der Wähler im Visier. Gut möglich, dass ihre Klientel mit dem Missbrauch des Asylrechts durch Armutsflüchtlinge leben kann, es quasi als legitime Variante zur Bewältigung des Nord-Süd-Konflikts betrachten. Für die Mehrheit der Bevölkerung wäre so eine Sichtweise verstörend, zumal im Nachklang der Flüchtlingskrise.

Nur Baden-Württemberg scherte aus

Es war eine große Bereitschaft dazu da, Menschen aufzunehmen, die wie in Syrien vor Krieg flüchten. Gerade um die Zustimmung der Bevölkerung zu erhalten, wäre es wichtig gewesen, auf der anderen Seite nichts unversucht zu lassen, um reine Armutsmigration zu begrenzen. Bei den drei genannten Staaten ist das offensichtlich die Hauptmotivation der Asylanträge. Die Ablehnungsquote liegt bei weit über 95 Prozent. Die Anträge sind im Regelfall unbegründet; der Plan war deshalb, die Verfahren zu beschleunigen. Wobei dem einzelnen Antragsteller die Chance bleibt, nachzuweisen, dass in seinem Fall doch politische Verfolgung vorliegt.

De Maiziere - Flüchtlingszahlen in 2016 deutlich gesunken

weitere Videos

    Um die Sorgen der Grünen zu zerstreuten, bot man ihnen an, bestimmte Gruppen von der Verschärfung auszunehmen; Menschen, von denen man weiß, dass sie in Nordafrika Opfer von staatlicher Willkür sind, etwa Homosexuelle. Auch über diese Brücke wollten die Grünen nicht gehen. Baden-Württemberg scherte immerhin aus. Dort stellen die Grünen sogar den Ministerpräsidenten und tragen somit eine Gesamtverantwortung. Als einziges grün regiertes Land stimmten sie für eine Verschärfung. Das Sein bestimmt das Bewusstsein.

    In der Regel keine politische Verfolgung

    Der Begriff ist sicher diskussionswürdig. Marokko, Algerien und Tunesien sind vielleicht nicht sicher. Aber dort findet im Regelfall keine politische Verfolgung statt. Darum geht es. Die Initiative, die Verfahren zu beschleunigen, ist richtig. Parallel dazu setzt sich die Bundesregierung dafür ein, abgelehnte Asylbewerber konsequenter in die Maghreb-Region abzuschieben. Das Gesamtkonzept ist schlüssig.

    Mehr noch: Die Erfahrung mit den Balkan-Staaten hat gezeigt, dass mit der Einstufung als sichere Herkunftsstaaten die Zahl der Zuwanderer aus der Region zurückgeht. Betrachten wir es aus der Sicht der Betroffenen: Die Menschen verhalten sich konsequent, sparen sich Ausgaben für die Schleuser, wenn die Bleibeperspektive gering und eine Abschiebung zu befürchten ist.

    Nordafrikaner könnten sich nun bestärkt fühlen

    Auch den deutschen Botschaften in Nordafrika erleichtert es die Kommunikation, wenn sie darauf verweisen könnten, dass unbegründete Anträge abgelehnt werden. Ob die Verfahren tatsächlich beschleunigt werden, ist fast irrelevant bzw. politisches Placebo. Aus der Medizin kennen wir den Placebo-Effekt: Er wirkt. Umgekehrt könnte die Ablehnung im Bundesrat fatale Folgen haben. Sie kann in Nordafrika viele darin bestärken, nun erst recht ihr Glück in Deutschland zu suchen.

    Mehrheitlich koalieren die Grünen in den Ländern mit der SPD. Die Frage ist, ob die SPD alles getan hat, um den Partner umzustimmen oder ob sie bloß ihre Hände in Unschuld wäscht. Seit fast einem Jahr hing die Initiative im Bundesrat ohne Fortschritte fest. Die Unfähigkeit zum Kompromiss fällt auf alle zurück. Der Hauptvorwurf aber betrifft die Grünen: Sie sind mit Blindheit geschlagen. Realitätsblindheit.