Berlin. Die Einstufung der Maghreb-Staaten zu Ländern, in denen nicht politisch verfolgt wird, ist gescheitert. Die CSU beschuldigt die Grünen.

Die Maghreb-Staaten Tunesien, Marokko und Algerien werden in Deutschland weiter als nicht sicher eingestuft. Der Bundesrat sprach sich am Freitag gegen den Gesetzentwurf der Bundesregierung aus. Was bedeutet die Entscheidung?

Was sind sichere Herkunftsländer?

Bei sicheren Herkunftsländern gehen die Behörden von der Vermutung aus, dass normalerweise keine Verfolgungsgefahr besteht. Alle EU-Staaten, Albanien, Bosnien und Herzegowina, Ghana, Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Senegal und Serbien werden so eingestuft. Asylbewerber aus diesen Ländern kommen in speziellen Zentren wie im bayerischen Manching unter. Dort werden Anträge beschleunigt erledigt. In Manching dauert ein Verfahren durchschnittlich nur sechs Wochen. Ist ein Antrag dann in letzter Instanz abgelehnt, wird der Bewerber sofort ins Heimatland zurückgeschickt.

Wie wichtig ist diese Einstufung?

Nach Deutschland kamen laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im vergangenen Jahr 8000 Migranten aus den drei nordafrikanischen Ländern, 2015 waren es noch rund 26.000. Schon jetzt werden die meisten Menschen aus diesen Staaten nicht anerkannt, bei Marokkanern etwa lag die Quote 2016 nur bei 3,8 Prozent. Schwieriger allerdings steht es um Abschiebungen in diese Länder, was auch daran liegt, dass sich die Heimatregierungen oft wenig kooperativ verhalten und keine Ersatzdokumente ausstellen.

Der Bundesrat stimmte gegen die Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer.
Der Bundesrat stimmte gegen die Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer. © dpa | Michael Kappeler

Beispiel Marokko: Laut aktueller Daten des Bundesinnenministeriums, die dieser Redaktion vorliegen, befanden sich zum Stichtag 31. Januar 75.976 Marokkaner in Deutschland, von denen 3942 ausreisepflichtig waren und 1395 auch keine Duldung besaßen. Diese Menschen könnten sofort abgeschoben werden. Allerdings wurde im Januar nur bei 43 Marokkanern von dem Recht auch Gebrauch gemacht. Ein Grund: Die marokkanische Regierung macht bei Massenabschiebungen nicht mit. Abgelehnte Asylbewerber müssen mit einer Linienmaschine kommen, maximal fünf pro Flug dürfen es sein.

Was will die Bundesregierung?

Die Regierung argumentiert, mit einer sicheren Einstufung könnten Asylanträge als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden. Auch habe die Einstufung – so die Erfahrung mit den Balkanstaaten – abschreckende Wirkung. Bewerber aus sicheren Herkunftsstaaten dürfen in Deutschland weder arbeiten noch sich frei bewegen und müssen damit rechnen, nicht wieder einreisen zu dürfen. Die Regierung kann leichter Wiedereinreisesperren verhängen. Das schreckt viele mögliche Asylbewerber ab.

Die Abstimmung im Bundesrat war wegen der fehlenden Mehrheit in den vergangenen Monaten mehrfach kurzfristig von der Tagesordnung genommen worden. Dieses Mal drängte Bayern aber auf einen Showdown. Hintergrund ist das Ansinnen vor allem der CSU, im aufziehenden Wahlkampf die Standpunkte in der Flüchtlingsfrage klar aufzuzeigen. Tenor: Die Grünen sind schuld daran, wenn die Zahlen der Flüchtlinge im Land nicht sinken. Offiziell begründete der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) den Gesetzentwurf in der Länderkammer mit den Ereignissen in der Kölner Silvesternacht. Die Täter seien hauptsächlich junge Männer aus Nordafrika gewesen, so der CSU-Politiker.

Was sind die Gegenargumente?

Bis auf Baden-Württemberg stimmten die Landesregierungen mit grüner und auch Linken-Beteiligung gegen den Entwurf der schwarz-roten Bundesregierung. Im Bundestag stellen die Grünen zwar die kleinste Fraktion, im Bundesrat sind sie aber in elf von 16 Landesregierungen vertreten.

Kabinett bringt schärfere Abschiebe-Regeln auf den Weg

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    Der thüringische Justizminister Dieter Lauinger begründete die Ablehnung seiner Partei mit Bedenken von Menschenrechtsorganisationen etwa zur rechtlichen Situation von Homosexuellen. Die Bundesregierung wollte mit einer Protokollnotiz den Bedenken entgegenkommen und klarstellen, dass verfolgte Gruppen grundsätzlich nach bisheriger Gesetzeslage behandelt werden.

    Wie sind die Reaktionen?

    Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sprach von „einem schlechten Tag für die Bemühungen, illegale Migration zu stoppen. Dafür tragen die Grünen, insbesondere die Grünen im Bund die Verantwortung“. Es sei kontraproduktiv, ein Signal des Zauderns statt der Entschlossenheit zu senden. Eine Einstufung als „sicher“ würde den Menschen klarmachen, dass der Weg über das Asyl nach Deutschland der falsche Weg ist. CDU-Generalsekretär Peter Tauber sagte dieser Redaktion: „SPD, Grüne und Linke stellen damit parteitaktische Überlegungen über die Interessen unseres Landes an.“ Der Kanzlerkandidat der SPD, Martin Schulz, ducke sich weg, kritisierte Tauber.

    Wie geht es weiter?

    Bundesregierung oder Bundestag können nun noch den Vermittlungsausschuss anrufen. Die Schlüsselrolle hat die SPD inne. Mit ihren Stimmen wurde das Gesetz im Mai 2016 vom Bundestag verabschiedet. Insgesamt 22 SPD-Abgeordnete stimmten damals mit Nein. Die Frage ist, ob die SPD nach den Landtagswahlen noch auf die Grünen einwirkt, ihre Position zu ändern.