Brüssel. Anthony Gardner ist noch eine Woche lang US-Botschafter in Brüssel. Über Donald Trump äußerte er sich nun überraschend undiplomatisch.

Der scheidende US-Botschafter bei der EU beschwört die künftige US-Regierung, keine weiteren Keile zwischen die Mitgliedsstaaten der Union zu treiben. Die USA täten gut daran, den geplanten EU-Austritt Großbritanniens nicht zu befeuern, sagte Anthony L. Gardner am Freitag in Brüssel im Gespräch mit Journalisten.

„Zu denken, dass wir unseren eigenen Interessen dienen würden, wenn wir den Zerfall Europas unterstützen, wäre reiner Aberwitz, ein Wahnsinn“, sagte Gardner. Ein geeintes Europa sei für die amerikanische Wirtschaft ein weitaus attraktiverer Handelspartner.

Welches Land geht als nächstes?

Der künftige US-Präsident Donald Trump pflegt gute Beziehungen zum britischen Brexit-Wortführer Nigel Farage und zeigt Sympathien für den russischen Präsidenten Wladimir Putin. In Brüssel herrscht die Sorge, dass das transatlantische Verhältnis unter Trump abkühlen könnte. Nach Gardners Informationen rechne der Kreis um Donald Trump damit, dass nach Großbritannien noch weitere Länder die EU verlassen wollten.

Demnach hätten Vertraute Trumps telefonisch Kontakt mit EU-Institutionen aufgenommen. Dabei hätten sie vor allem eine Frage gestellt: Welches Land geht als nächstes? „Die Wahrnehmung ist, dass 2017 das Jahr ist, in dem die EU zerfallen wird“, sagte der Diplomat. Das aber sei eine „Karikatur“ der tatsächlichen Verhältnisse: „Die EU ist nicht dabei, zu zerfallen“, so Gardner. Er erhofft sich insbesondere von Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass sie diesem Eindruck entgegentritt.

Trump sollte die EU nicht unterschätzen

Der Brexit-Vorkämpfer und Ex-Chef der nationalistischen britischen Ukip-Partei Nigel Farage. Donald Trump hätte ihn gerne als britischen Botschafter in den USA gesehen.
Der Brexit-Vorkämpfer und Ex-Chef der nationalistischen britischen Ukip-Partei Nigel Farage. Donald Trump hätte ihn gerne als britischen Botschafter in den USA gesehen. © imago/UPI Photo | imago stock&people

Gardner äußerte die Vermutung, dass Brexit-Befürworter Nigel Farage bei seinen Gesprächen in den USA den Eindruck einer zerfallenden EU vermittelt habe. Der langjährige Chef der EU-feindlichen britischen Ukip-Partei hatte Trump bereits in dessen Wahlkampf unterstützt und besuchte ihn nach dessen Wahlsieg in New York. Trump wiederum hatte das Votum der Briten für einen Austritt aus der EU begrüßt, während Obama für einen Verbleib des Königreichs in der Union geworben hatte.

Der Diplomat bezeichnete es als Fehler, wenn die neue US-Regierung die EU als nicht funktionsfähig betrachten und sich in Europa nur auf große Staaten wie Deutschland und Großbritannien konzentrieren würde. Zudem warnte er vor einem „harten Brexit“, also einem Austritt der Briten ohne Zugang zum EU-Binnenmarkt. Dies wäre sehr schlecht für US-Firmen, sagte Gardner, der früher als Finanzinvestor gearbeitet hat.

Gardner spricht beim Regierungswechsel von „Fallbeil-Ausstieg“

Gardner muss seinen Posten in einer Woche räumen. Trump hat den Austausch von US-Beamten angekündigt, die von Obama ins Amt gehoben wurden. Gardner verurteilte das Vorgehen als beispiellosen „Fallbeil-Ausstieg“, der das Leben vieler Mitarbeiter der Regierung durcheinanderbringe. (dpa/rtr)