Berlin. Eine Neuregelung des Arzneimittelrechts soll Demenzpatienten Hoffnung machen. Doch die Entscheidung des Bundestags ist umstritten.

Forschung an Demenzkranken wird künftig unter bestimmten Voraussetzungen erleichtert. Der Bundestag verabschiedete am Freitag eine Neuregelung des Arzneimittelrechts, die auch umstrittene Medikamententests an Demenzkranken enthält. In der namentlichen Abstimmung votierten 357 der 542 teilnehmenden Abgeordneten mit ja und 164 mit nein. 21 Abgeordnete enthielten sich.

Derartige sogenannte gruppennützige Forschungen an Demenzkranken sollen in Deutschland künftig grundsätzlich möglich sein, auch wenn nur eine Gruppe von Patienten, nicht aber der Betroffene davon einen eigenen Nutzen hat. Das war bisher in Deutschland verboten. Allerdings muss der Patient zuvor im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte und nach einer verpflichtenden ärztlichen Beratung schriftlich einwilligen.

1,5 bis 1,6 Millionen Demenzkranke in Deutschland

Über die Zulassung solcher Tests hatte der Bundestag bereits am Mittwoch ohne den sogenannten Fraktionszwang separat abgestimmt. Dabei traten erhebliche Bedenken zu Tage. In Deutschland leben 1,5 bis 1,6 Millionen Demenzkranke – Tendenz steigend. Die Erforschung der Erkrankung ist wichtig. Doch Forschung an nichteinwilligungsfähigen Menschen ist gerade in Deutschland ein sensibles Thema.

Der Verband der forschenden Arzneimittelhersteller äußerte sich sehr zurückhaltend. „Für uns ändert sich jetzt erstmal nichts. Das bleibt auch absehbar so“, hieß es bei dem Verband und: „Wir haben keine Änderungen des Arzneimittelrechts gefordert.“

EU hatte Neuregelung eingefordert

Mit dem Gesetz werden von der EU geforderte Anpassungen im Arzneimittelgesetz (AMG) vorgenommen. Nach den Worten von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) werden damit in Deutschland weit strengere Regelungen für gruppennützige klinische Prüfungen erlassen, als es die bereits erheblichen Voraussetzungen des europäischen Rechts vorgeben.

Gröhe erläuterte: „Hochwertige klinische Prüfungen sind eine Voraussetzung für einen schnellen und sicheren Zugang zu neuen Arzneimitteln.“ Daher seien auch gruppennützige klinische Prüfungen, an denen zum Beispiel ein Patient mit einer fortgeschrittenen Demenz teilnimmt, erforderlich, um etwa die Behandlung von Demenzkranken weiter zu verbessern. „Hierbei stehen der Wille und der Schutz des Einzelnen zu jedem Zeitpunkt an erster Stelle. Gleichzeitig müssen zu jedem Zeitpunkt die hohen Sicherheitsvorkehrungen eingehalten werden“, so Gröhe weiter.

Kritiker sprechen von legaler Korruption

Die Neuregelung soll es zudem ermöglichen, schärfer gegen Arzneimittelfälschungen vorzugehen. „Es wird klargestellt, dass ein begründeter Verdacht auf Arzneimittelfälschungen ein Grund für einen möglichen Arzneimittelrückruf der Bundesoberbehörden ist“, erläuterte das Gesundheitsministerium.

Deutschland gehört nach den Worten der Linken-Abgeordneten Birgit Wöllert zu den Spitzenreitern bei Klinischen Studien. Die Grünen-Abgeordnete Kordula Schulz-Asche kritisierte, dass Ärzte trotz erheblicher Kritik immer noch durch sogenannte Anwendungsbeobachtungen, bei denen Wirkungen von Arzneimitteln in der Praxis beobachtet werden, massiv Geld verdienen können. Kritiker sagen, das sei legale Korruption.

Ex-Gesundheitsministerin sieht Patienten gefährdet

Die ehemalige Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) hat die Entscheidung des Bundestages kritisiert. Sie sieht den Schutz von Demenzpatienten durch die Liberalisierung der gesetzlichen Vorschriften massiv gefährdet. Es sei eine große Problematik, dass künftig gesunde Menschen nach ärztlicher Aufklärung über eine Verfügung im Falle fortgeschrittener Demenz ihre Teilnahme an Studien auch zum Nutzen anderer erlauben können, sagte Schmidt am Freitag im WDR-Radio. (dpa/epd)