Paris. Für weitere sechs Monate gilt in Frankreich der Ausnahmezustand. Die terroristische Bedrohung heizt das politische Klima zusehends auf.

Schwerbewaffnete Ordnungshüter und Soldaten, die landesweit die Stadtzentren, Touristenattraktionen, Bahnhöfe, Flughäfen, Schulen und öffentliche Einrichtungen bewachen, werden auch weiterhin das Straßenbild in Frankreich prägen. Mit großer und parteiübergreifender Mehrheit hat die Nationalversammlung in der Nacht auf Mittwoch einer weiteren Verlängerung des Ausnahmezustands zugestimmt.

Fünf Tage nach dem Anschlag von Nizza stimmten die Abgeordneten dafür, den Ausnahmezustand gleich für ein halbes Jahr zu verlängern. Ursprünglich waren nur drei Monate vorgesehen gewesen, doch die sozialistische Regierung beugte sich am Ende einer siebenstündigen Debatte der konservativen Opposition, die das gesamte zweite Halbjahr 2016 „unter maximalen Schutz“ gestellt sehen will. Dass auch der konservativ beherrschte Senat diese Pläne am Mittwochabend absegnet, gilt daher als gewiss.

Premier: „Es wird weitere Anschläge geben“

Der Ausnahmezustand war nach den Pariser Anschlägen im vergangenen November, bei denen 130 Menschen starben, verhängt und bereits dreimal verlängert worden. Er räumt den Behörden außerordentliche Befugnisse ein, die von Versammlungsverboten, Ausgangssperren und Wohnungsdurchsuchungen ohne richterlichen Beschluss bis zum Hausarrest für Personen reichen, die als eine potenzielle Gefahr für die Sicherheit und die öffentliche Ordnung angesehen werden.

Premierminister Manuel Valls hatte die Abgeordneten vor der Abstimmung auf die Wahrscheinlichkeit weiterer Attentate hingewiesen: „Es ist hart, dies zu sagen, aber es wird weitere Anschläge geben und es werden weitere unschuldige Menschen getötet werden“, erklärte er und fügte hinzu: „Wir müssen uns wappnen und wir müssen lernen, mit dieser Bedrohung zu leben.“

Opposition: Regierung nicht entschlossen genug

Allerdings kann das beinahe geschlossene Votum der Abgeordneten nicht darüber hinwegtäuschen, wie angespannt das politische Klima seit dem Blutbad in Nizza ist. Vor allem die konservative Republikaner-Partei von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy wirft der Regierung Laxismus im Umgang mit der Terrorgefahr vor. So hatte Sarkozy gefordert, Menschen bereits beim Verdacht auf Radikalisierung unter behördliche Aufsicht zu stellen oder zu internieren. Einen Vorschlag, den der sozialistische Minister Jean-Marie Le Guen entscheiden zurückwies: „In einem Rechtsstaat können Menschen nicht einfach auf der Grundlage eines reinen Verdachts weggesperrt werden.“

Die Welt trauert um die Opfer von Nizza

Am Tag nach dem verheerenden Anschlag auf die Feier des französischen Nationalfeiertags in Nizza zeigten Menschen in der ganzen Welt ihre Solidarität mit den Opfern. Dieses Mädchen etwa hielt ein Schild mit der Aufschrift „Frieden für Nizza“. Mit einer großen Schülergruppe trauerte sie am Freitagmorgen im indischen Ahmedabad.
Am Tag nach dem verheerenden Anschlag auf die Feier des französischen Nationalfeiertags in Nizza zeigten Menschen in der ganzen Welt ihre Solidarität mit den Opfern. Dieses Mädchen etwa hielt ein Schild mit der Aufschrift „Frieden für Nizza“. Mit einer großen Schülergruppe trauerte sie am Freitagmorgen im indischen Ahmedabad. © REUTERS | AMIT DAVE
Rumäniens Staatspräsident Klaus Iohannis (rechts) trug sich vor der französischen Botschaft in Bukarest in ein Kondolenzbuch ein.
Rumäniens Staatspräsident Klaus Iohannis (rechts) trug sich vor der französischen Botschaft in Bukarest in ein Kondolenzbuch ein. © dpa | Bogdan Cristel
Währenddessen herrschte in Nizza immer noch Fassungslosigkeit. Diese Frau konnte in der Nähe des Anschlagsorts die Tränen nicht zurückhalten.
Währenddessen herrschte in Nizza immer noch Fassungslosigkeit. Diese Frau konnte in der Nähe des Anschlagsorts die Tränen nicht zurückhalten. © REUTERS | PASCAL ROSSIGNOL
Überall in Nizza legten Menschen Blumen und Botschaften nieder. Auf einem Zettel am Hals dieses Kuscheltieres war zu lesen: „Unsere Gedanken sind bei den Opfern.“
Überall in Nizza legten Menschen Blumen und Botschaften nieder. Auf einem Zettel am Hals dieses Kuscheltieres war zu lesen: „Unsere Gedanken sind bei den Opfern.“ © REUTERS | PASCAL ROSSIGNOL
Spaniens König Felipe und Königin Letizia besuchten die französische Botschaft in Madrid und drückten dort ihre Trauer aus.
Spaniens König Felipe und Königin Letizia besuchten die französische Botschaft in Madrid und drückten dort ihre Trauer aus. © REUTERS | POOL
„Vive la France“ – Es lebe Frankreich. Auch in Rom zeigten Menschen überall in der Stadt ihre Solidarität mit Botschaften und Blumen.
„Vive la France“ – Es lebe Frankreich. Auch in Rom zeigten Menschen überall in der Stadt ihre Solidarität mit Botschaften und Blumen. © REUTERS | MAX ROSSI
In Mexiko City wurde in der auf das Attentat folgenden Nacht unter anderem das Friedensengel-Monument in den Nationalfarben Frankreichs angestrahlt.
In Mexiko City wurde in der auf das Attentat folgenden Nacht unter anderem das Friedensengel-Monument in den Nationalfarben Frankreichs angestrahlt. © REUTERS | HENRY ROMERO
Beim 22. Przystanek Woodstock Festival im polnischen Kostrzyn kamen die Menschen vor der Bühne zusammen und hielten Papierblätter in die Höhe, die zusammen die französischen Flagge ergaben.
Beim 22. Przystanek Woodstock Festival im polnischen Kostrzyn kamen die Menschen vor der Bühne zusammen und hielten Papierblätter in die Höhe, die zusammen die französischen Flagge ergaben. © dpa | Lech Muszynski
Der Staatspräsident der Ukraine, Petro Poroschenko, legte Blumen vor der französischen Botschaft in Kiew nieder.
Der Staatspräsident der Ukraine, Petro Poroschenko, legte Blumen vor der französischen Botschaft in Kiew nieder. © REUTERS | GLEB GARANICH
„Je suis Nice“ – Ich bin Nizza. Diesen an den Trauerspruch der Anschläge von Paris angelehnten Satz ließen die Verantwortlichen am Gebäude des EU-Parlaments in Brüssel erscheinen.
„Je suis Nice“ – Ich bin Nizza. Diesen an den Trauerspruch der Anschläge von Paris angelehnten Satz ließen die Verantwortlichen am Gebäude des EU-Parlaments in Brüssel erscheinen. © REUTERS | FRANCOIS LENOIR
In Nizza fanden sich am frühen Nachmittag Hunderte Menschen nahe des Anschlagsorts an der Promenade des Anglais ein, um gemeinsam zu trauern.
In Nizza fanden sich am frühen Nachmittag Hunderte Menschen nahe des Anschlagsorts an der Promenade des Anglais ein, um gemeinsam zu trauern. © REUTERS | PASCAL ROSSIGNOL
Laura Boldini, die Chefin des italienischen Abgeordnetenhauses, nahm die französische Botschafterin in Rom, Catherine Colonna, in den Arm.
Laura Boldini, die Chefin des italienischen Abgeordnetenhauses, nahm die französische Botschafterin in Rom, Catherine Colonna, in den Arm. © REUTERS | MAX ROSSI
Auch in Polen wurde vor der französischen Botschaft in der Landeshauptstadt kondoliert: Der polnische Verteidigungsminister Antoni Macierewicz legte Blumen vor dem Botschaftsgebäude in Warschau nieder.
Auch in Polen wurde vor der französischen Botschaft in der Landeshauptstadt kondoliert: Der polnische Verteidigungsminister Antoni Macierewicz legte Blumen vor dem Botschaftsgebäude in Warschau nieder. © dpa | Tomasz Gzell
Vor der französischen Botschaft in Wien drückten die Menschen mit Blumen ihre Solidarität aus.
Vor der französischen Botschaft in Wien drückten die Menschen mit Blumen ihre Solidarität aus. © REUTERS | HEINZ-PETER BADER
Russlands Präsident Wladimir Putin wandte sich in einer Ansprache an den französischen Präsidenten Francois Hollande: „Russland weiß, was Terror ist und welche Gefahr er für uns alle darstellt. Unser Volk ist mit ähnlichen Tragödien nicht nur einmal konfrontiert gewesen. Wir können den Terrorismus nur mit vereinten Kräften besiegen.“
Russlands Präsident Wladimir Putin wandte sich in einer Ansprache an den französischen Präsidenten Francois Hollande: „Russland weiß, was Terror ist und welche Gefahr er für uns alle darstellt. Unser Volk ist mit ähnlichen Tragödien nicht nur einmal konfrontiert gewesen. Wir können den Terrorismus nur mit vereinten Kräften besiegen.“ © dpa | Alexey Nikolsky / Sputnik / Krem
In Bangkok wurde der Opfer mit Kerzen und Stille gedacht.
In Bangkok wurde der Opfer mit Kerzen und Stille gedacht. © Getty Images | Dario Pignatelli
Mitten in Sydney fanden sich Trauernde ein und entzündeten Dutzende Kerzen.
Mitten in Sydney fanden sich Trauernde ein und entzündeten Dutzende Kerzen. © REUTERS | DAVID GRAY
Auch zwei Tage nach dem Anschlag kamen Menschen an der Unglücksstelle zusammen, ...
Auch zwei Tage nach dem Anschlag kamen Menschen an der Unglücksstelle zusammen, ... © Getty Images | Carl Court
... um zu trauern ...
... um zu trauern ... © Getty Images | Carl Court
und Blumen niederzulegen.
und Blumen niederzulegen. © Getty Images | Carl Court
Der Strand und die Promenade waren einen Tag nach dem Anschlag noch menschenleer. Nur vereinzelt saßen Menschen fassungslos und trauernd am Meer.
Der Strand und die Promenade waren einen Tag nach dem Anschlag noch menschenleer. Nur vereinzelt saßen Menschen fassungslos und trauernd am Meer. © Getty Images | David Ramos
Die französischen Flaggen hingen an der Promenade in Nizza auf Halbmast.
Die französischen Flaggen hingen an der Promenade in Nizza auf Halbmast. © Getty Images | David Ramos
Auch bei der Tour de France zeigten sich Rad-Fans solidarisch mit den Opfern von Nizza.
Auch bei der Tour de France zeigten sich Rad-Fans solidarisch mit den Opfern von Nizza. © dpa | Kim Ludbrook
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Aber der Vorwurf, dass die Sicherheitsmaßnahmen am Abend des Nationalfeiertags auf der Uferpromenade von Nizza völlig unzureichend waren, ist keineswegs aus der Welt. Da mag die Staatsführung noch so oft darauf hinweisen, dass angesichts der Bedrohungslage ein „null Risiko“ schlicht nicht garantiert werden könne. Nach dem dritten verheerenden Anschlag innerhalb von 18 Monaten macht sich der Eindruck breit, dass Präsident und Regierung dem islamistischen Terror hilflos gegenüberstehen. Oder ihm nicht entschlossen genug entgegentritt. Gleich mehrere Angehörige der 84 Todesopfer in Nizza haben angekündigt, den Staat verklagen zu wollen.

Terrorgefahr zermürbt die Franzosen

Dass Einheit und Einigkeit bröckeln, mit der die Franzosen dem Terror bislang trotzten, zeigten nicht nur die Pfiffe und Beschimpfungen, die Regierungschef Valls am Montag in Nizza bei der Trauerzeremonie für die Opfer empfingen. Für den Zank in der Politikerklasse, die sich noch im November im Schulterschluss übte, mögen die im Mai 2017 anstehenden Präsidentschaftswahlen verantwortlich sein. Doch für die Wut und die Ratlosigkeit in der Bevölkerung gibt es nach acht Monaten Ausnahmezustand andere Gründe: Erschöpfung, Desillusion und die Angst vor dem nächsten Attentat. Die Verlängerung des Ausnahmezustands wird daran wenig ändern können.