Berlin. Das Gezerre in der Flüchtlingspolitik geht weiter. Beim Spitzentreffen im Kanzleramt rangen die Parteichefs um einen gemeinsamen Kurs.

Ein Streit über ein mögliches Ende von Grenzkontrollen in Bayern hat das Spitzentreffen der drei Parteivorsitzenden der schwarz-roten Koalition überschattet. Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) und SPD-Chef Sigmar Gabriel waren am Mittwochabend in Berlin zusammengekommen, um über einen Fahrplan für mehrere strittige Sachfragen zu beraten. Ergebnisse des Treffens wurden nach Ende des Gesprächs am späten Mittwochabend nicht mitgeteilt.

Seehofer forderte erneut eine Kurskorrektur in der Flüchtlingspolitik. Er sprach mit Blick auf Äußerungen von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) zu einem möglichen Ende der Kontrollen in Bayern an der Grenze zu Österreich von „Selbstherrlichkeit“.

Seehofer erneuert Kritik an Bundesregierung

Seehofer hatte vor dem Treffen seine Kritik am Asylkurs der Bundesregierung erneuert. „Wenn wir unsere Politik nicht ändern in Berlin, dann werden wir unter 30 Prozent rutschen“, sagte der CSU-Chef der Deutschen Presse-Agentur mit Blick auf die gesamte Union.

Geradezu erbost reagierte die CSU auf die Ankündigung de Maizières, bei weiter niedrigen Flüchtlingszahlen Grenzkontrollen in absehbarer Zeit beenden zu wollen. Seehofer protestierte in der „Mittelbayerischen Zeitung“ (Online): „Wir sind als hauptbetroffenes Land nicht beteiligt und nicht informiert worden. Das ist ein selbstherrlicher Regierungsstil.“ Grenzkontrollen sind Sache des Bundes, konkret der Bundespolizei.

Stegner kritisiert CSU scharf

All das brachte der CSU scharfe Kritik von Ralf Stegner ein. „Die CSU betätigt sich als Störenfried“, sagte der SPD-Vize am Donnerstag im ARD-„Morgenmagazin“. Seehofer und die CSU blockierten wichtige Vorhaben, die man im Koalitionsvertrag vereinbart habe. Dabei gehe es um Themen wie die Erbschaftssteuer, den Kampf gegen Missbrauch von Werkverträgen und Leiharbeit sowie die Energiewende oder das Behindertenrecht.

„Die CSU betätigt sich als Störenfried“: Schleswig-Holsteins SPD-Landeschef Ralf Stegner.
„Die CSU betätigt sich als Störenfried“: Schleswig-Holsteins SPD-Landeschef Ralf Stegner. © dpa | Christian Charisius

Diese Handlungsunfähigkeit sei schlecht für das Land, erklärte Stegner. „Denn unser Land driftet momentan ja etwas auseinander. Es gibt Leute, denen es gut und besser geht. Und es gibt die anderen, die nicht wissen, wie sie ihre Miete bezahlensollen oder die Kita-Beiträge, oder die eine kleine Rente haben.“ Diese Menschen erwarteten, dass die Regierung nicht nur streitet. „An der SPD liegt das nicht, wie jeder sehen kann“, sagte der SPD-Vize.

Grüne begrüßen de Maizières Vorstoß

Die Grünen begrüßten dagegen die Ankündigung des Bundesinnenministers in Sachen Grenzkontrollen. „Man darf nicht vergessen, dass Grenzkontrollen für Reisende und Pendler, aber auch für die Wirtschaft eine große Belastung sind“, sagte Parteichef Cem Özdemir der „Passauer Neuen Presse“.

Bundesweit wurden im März nur noch etwa 20.000 neue Flüchtlinge registriert. Das geht aus dem sogenannten „EASY“-System von Bund und Ländern hervor. Im Februar waren es noch etwa 61.000, im Januar fast 92.000.

Im Kanzleramt hatten Merkel und Seehofer zunächst allein gesprochen. Hierzu verlautete am späten Abend, es sei ein vernünftiges Gespräch in guter Atmosphäre gewesen. Es werde die Chance gesehen, über Sachthemen wieder zu mehr Zusammenhalt in der Union zu finden. Später kam SPD-Chef Gabriel dazu.

Signal der Geschlossenheit?

Eigentlich wollten die drei Politiker in Ruhe den Fahrplan zur Lösung von Streitthemen zwischen Union und SPD besprechen, um ein Signal der Geschlossenheit zu senden. Dabei sollte es unter anderem um das Integrationskonzept, die Erbschaftsteuer, Leiharbeit und Werkverträge, die Lebensleistungsrente, das Behindertenrecht und die Ökostromreform gehen.

Konkrete Ergebnisse waren nicht erwartet worden. Die Dreierrunde wollte dem Vernehmen nach die Sitzung des größeren Koalitionsausschusses von Union und SPD vorbereiten, der für Mittwoch nächster Woche (13. April) angesetzt ist. (dpa)