Berlin. CSU-Chef Horst Seehofer sammelt starke Kräfte, um Markus Söder als Nachfolger zu verhindern. Die Geschichte einer „Parteifreundschaft“.

Horst Seehofer schafft Fakten. Sein Strategieteam steht, auch auf sein Drängen beraten sie in der nächsten Woche in der CSU-Zentrale über die großen Linien, über Anlage und Themen der Wahlkämpfe 2017 im Bund und 2018 im Freistaat. Man kann es als Beleg für die Exit-Strategie des Parteichefs und Ministerpräsidenten betrachten: Raus will er, raus aus seinem Versprechen, mit der Politik aufzuhören. Gilt das noch?

Die Antwort klingt wie ein Radio-Eriwan-Witz: Im Prinzip hört Seehofer auf, aber nur wenn der Nachfolger nicht Markus Söder heißt. Den Finanzminister will er aussitzen. „Da es ihm sowieso alle zutrauen, wären nicht viele überrascht“, erzählt ein CSU-Bezirkschef.

„Dieses Quatschi-Quatschi ist das Problem“

Der nächste Wahlparteitag ist 2017, die Landtagswahl 2018. Seehofer hat oft genug betont, dass beide Aufgaben in eine Hand gehören, CSU-Vorsitz und Ministerpräsidentenamt. Nun erwägt er, länger Parteichef zu bleiben. Oder Ministerpräsident. Oder besser: beides.

Diese Parteifreundschaft sorgt für Gesprächsstoff. „Dieses Quatschi-Quatschi ist das Problem, das wir in der CSU haben“, sagt Seehofer. „Nach außen wirkt das wie ein Konflikt zwischen zwei Machtmenschen“, beklagt Wirtschaftsministerin Ilse Aigner, die noch ihre Rolle im Machtspiel sucht. Sie ist genervt. Und die CSU? Gegenfrage: Seehofer und Söder sitzen in einem Boot, das untergeht. Wer überlebt? Die CSU.

Sie können sich nicht ausstehen, „unüberbrückbare Aversionen“

Seehofer und Söder hätten „unüberbrückbare Aversionen“, erzählt ein CSU-Vorstandsmitglied. Ein Sachkonflikt ist es nicht. Der Finanzminister kann mit besten Daten aufwarten. Politisch versiert ist er auch, durchsetzungsfähig, erfahren, geschickt. Weshalb sich viele wundern, dass Seehofer ihm das Heimatministerium auftrug. Nun nütze der Finanzminister alle Möglichkeiten, „ganz tief in die bayrische Seele in allen Regionen emotional, aber auch finanziell einzudringen“. Die Wahrheit ist: Seehofer erachtet den Franken für charakterlich nicht geeignet, traut ihm „Schmutzeleien“ zu. Einige Indiskretionen, bis in den privaten Bereich, führt er wohl auf Söder zurück.

Wie stoppt man einen Mann mit Killerinstinkt? Erst einmal hat der Ministerpräsident Ilse Aigner aus der Bundes- in die Landespolitik gelockt. Eine Frau. Ein frisches Gesicht. Vorsitzende der CSU Oberbayern, eine Machtbasis. Der Antityp zu Söder: ausgleichend, integrativ statt polarisierend. Man kann verstehen, dass sie Seehofers Fantasie anregte. Aber in der aktuellen Umfrage des Bayrischen Rundfunks landet Söder bei 36, Aigner bei 16 Prozent, wobei sein Vorsprung bei den CSU-Anhängern sogar noch größer ist.

Die Rivalität strahlt auf den Streit mit Merkel über die Flüchtlingspolitik aus

Als sich die Fehlkalkulation abzeichnete, überredete Seehofer den Vorsitzenden der EVP-Fraktion im Straßburger Parlament, Manfred Weber, CSU-Vizechef zu werden. Seit Monaten versucht er auch, Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg zum Comeback zu überreden. Vergebens. Ein fränkischer CSU-Mann, der ihn gut kennt, sagt, die schlimmste Vorstellung für „KT“ sei, eine Figur auf Seehofers Schachbrett zu sein. Aigner, Weber, Guttenberg, jeder von ihnen ist kein Söder-Freund, jeder hat Anhänger. Es formieren sich starke Kräfte für die Operation „Söder verhindern“. Der Blick richtet sich auf Innenminister Joachim Herrmann, allseits geschätzt, mit 59 Jahren der geborene Übergangskandidat, zwischen Seehofer (66) und Söder (49). Aber Herrmann sei keiner, „der den Löwen im Sprung abschießt“, erzählt ein Vorstandsmitglied. Keiner, der mit Söder fertig werden würde, soll das heißen. Das ist ein Punkt. „Einen Söder hat man an der Gurgel.“

Es klingt wie ein archaisch anmutender Kampf, alles andere als der „geordnete Übergang“, den Seehofer sich stets erhofft hatte. Es wurmt ihn, dass Söder vom Start des Kandidatenrennens die Favoritenrolle an sich riss, wie Michael Schumacher in seiner Formel-Eins-Zeit: Pole-Position und Sieg. Söder ist der einzige Minister aus dem Kabinett, der sich zu allen Themen äußert, weit über sein Geschäftsfeld hinaus, meist nach, gern vor dem CSU-Chef, in der Flüchtlingspolitik eine Spur schärfer. Als sich im Sommer 2015 der Streit mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) anbahnte, führte man in Berlin die Zuspitzung auf den Machtkampf zurück. Gewiss lehnt Seehofer die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin aus Überzeugung ab. Und doch war er schon zum Selbstschutz gut beraten, Kontra zu geben, andernfalls wäre Söder zur Stelle.

Söder tritt wie ein Kronprinz auf, gern zum bayrischen Defiliermarsch

Seehofer hat ihn einige Mal in den Senkel gestellt und damit: in den Mittelpunkt. Momentan schweigt er – keine Sonderbehandlung. Meist gehen sie professionell miteinander um, sportlich, dem Naturell nach frotzelnd. Ein Parteifreund erzählt, wie für Söder bei einer Veranstaltung der bayerische Defiliermarsch gespielt wurde. Der stehe eigentlich dem Ministerpräsidenten zu, ließ sich der Gast vernehmen, aber er, Söder, käme damit emotional zurecht.

Er ist kein Mann, der Nerven zeigt, weil Seehofer in sonderbarer Stimmung ist. Söder kennt seine Trümpfe: Viele Landtagsabgeordnete haben nur eine Chance auf eine Wiederwahl, wenn die CSU richtig abräumt. 48, 49 Prozent trauen sie Söder eher als Aigner zu. Davon unabhängig hat Söder vielen in der Fraktion einen Staatssekretärs- oder Ministerposten in Aussicht gestellt. Neulich auf einer Vorstandssitzung erklärte der Ministerpräsident, er lasse vom Innenminister prüfen, ob die bayerische Verfassung geändert werden müsse, um das Kabinett zu vergrößern. Es war ein Satz für Genießer, für jeden, der weiß, wie vielen Leuten Söder schon einen Posten versprochen hat.