Berlin. Stimmverluste der SPD befeuern Rufe nach Abgrenzung von der Union. Für die Koalition ist es ein schlechter Zeitpunkt für Konflikte.

Vor einer Woche hat die SPD-Führung entschieden, in der BND-Affäre einen härteren Kurs gegen Union und Kanzleramt zu fahren. Gestern sprach SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi mit Blick auf die Partnerparteien erstmals von „Lügen“. Sie unterstützt zwei Untersuchungsausschüsse, die mögliche Verfehlungen des Koalitionspartners untersuchen sollen. Und seit Sonntagabend ist mit dem Ergebnis der Bremen-Wahl nach Ansicht von Unions-Politikern klar, dass sich das Klima in der Großen Koalition nicht verbessern wird. Denn das schlechte Ergebnis in der Hansestadt heizt die parteiinterne Debatte über den Kurs der SPD an.

Wer dachte, mit der letzten Landtagswahl 2015 seien die Nickeligkeiten in der Großen Koalition einstweilen beendet, wurde schon in der ARD-Elefantenrunde der Generalsekretäre am Sonntagabend eines Besseren belehrt. Fahimi machte die Union wegen der Debatten um den BND und das Sturmgewehr G36 mitverantwortlich für die niedrige Wahlbeteiligung in Bremen. SPD-Parteivize Ralf Stegner forderte am Montag im Deutschlandfunk eine klare Abgrenzung von der Union.

Im Juni stehen wichtige Entscheidungen an, da stört ein interner Streit nur

Für die Koalition ist es ein denkbar schlechter Zeitpunkt für Konflikte. Denn im Juni stehen CDU, CSU und SPD vor den wohl weitreichendsten Entscheidungen der Legislaturperiode – auch CDU-Chefin und Kanzlerin Angela Merkel verwies am Montag auf eine pralle Aufgabenliste. Es bleibe keine Zeit für Streit, am 18. Juni brauche man ein Gesamtkonzept zur Flüchtlingsfrage. Dazu entscheidet sich im Juni, ob es gelingt, die Bund-Länder-Finanzbeziehungen neu zu ordnen.

Das ist für Merkel und SPD-Chef Sigmar Gabriel eine Herausforderung. Beide müssen einen Kompromiss auch mit den Ministerpräsidenten ihrer eigenen Parteien finden. Dazu kommt das schwierige Thema Energiewende. Auch hier vermischen sich Länder- und Bundesinteressen zu einer schwierigen Gemengelage. Quer über die Parteigrenzen hinweg streiten Wind-, Kohle- und Solarländer. In der Union wird als wichtiger Grund für die angriffslustige Haltung Gabriels gesehen, dass er in der Defensive ist. Mit seinen Plänen für eine stärkere Belastung alter Kohlekraftwerke stieß er auf Widerstand von Industrie, Gewerkschaften und im SPD-regierten Nordrhein-Westfalen.

Auch das Klima zwischen Merkelund Gabriel ist belastet

So sehr sich Merkel und Gabriel gegenseitig schätzen: Verschnupft ist man auch auf oberster Ebene. In der SPD wirft man der Kanzlerin vor, sie mache einen schlanken Fuß, immer wenn es Schwierigkeiten gibt. Aus Unionssicht hat Gabriel bereits zum dritten Mal die Vertraulichkeit gebrochen, als er öffentlich darauf verwies, dass ihm Merkel in der BND-Affäre zweimal versichert habe, es gebe keine Wirtschaftsspionage. Weil Merkel derzeit aber keinen Streit gebrauchen kann, spielte sie am Montag Konflikte herunter. Die Bremen-Wahl werde keine Auswirkungen auf die Regierungsarbeit haben, sagte sie. Ihr Umfeld aber ließ durchschimmern, die Kanzlerin sei „not amused“ über Gabriel.