Bremen . Bremer SPD steht nach Wahl-Debakel vor Problem: Mit wem soll sie regieren? Und wer beerbt den Bürgermeister Böhrnsen?

Nur einen Tag nach der schweren Wahlschlappe der rot-grünen Koalition in Bremen hat Bürgermeister Jens Böhrnsen die persönliche Reißleine gezogen. Der 65-Jährige, der seit knapp zehn Jahren im kleinsten Bundesland regiert, steht für den neuen Senat nicht mehr zur Verfügung. Zu schwer wiegt die Last des Absturzes seiner Partei, die mit 32,9 Prozent das schlechteste Wahlergebnis in Bremen überhaupt einfuhr.

Vielleicht fühlt Böhrnsen sich von seinem Landesvorsitzenden Dieter Reinken im Stich gelassen, der am Vormittag den Fortbestand des seit acht Jahren regierenden Bündnisses mit den Grünen infrage gestellt hatte – obwohl es der amtlichen Hochrechnung zufolge für eine Mehrheit im Parlament reicht. Böhrnsen hatte im Wahlkampf keinen Zweifel daran gelassen, dass er mit der grünen Finanzsenatorin Karoline Linnert an seiner Seite, nicht aber mit der CDU-Spitzenkandidatin Elisabeth Motschmann weiterregieren wollte. Reinken dagegen rückt eine große Koalition mit der CDU in den Bereich des Möglichen.

Auch von der Spitze der Grünen kamen am Montag keine klaren Signale, die Böhrnsen hätten ermutigen können. Landeschef Ralph Saxe nannte ein drittes rot-grünes Bündnis an der Weser keine Selbstverständlichkeit. Ein „Weiter so“ dürfe es nicht geben.

Für Böhrnsen zählt der menschliche Faktor in der Politik viel. Er sagte einmal, dass Koalitionen selten an inhaltlichen Problemen, sondern meist an einem Mangel an persönlichen Gemeinsamkeiten scheitern. Linnert und Böhrnsen waren das Rückgrat der rot-grünen Koalition in Bremen. In wichtigen politischen Fragen hatte es mehrfach Streit in der Koalition gegeben, der nicht immer nur intern ausgetragen wurde. Beide hielten in solchen Situationen den Laden zusammen.

Nun steht die Bremer SPD unabhängig von Koalitionsfragen ziemlich unverhofft vor einem großen Problem. Wer kann Jens Böhrnsen ersetzen? Einen Kronprinzen gibt es nicht. Dem Fraktionschef Björn Tschöpe trauen das Amt nur wenige zu. Ein möglicher Kandidat wäre der Bundestagsabgeordnete Carsten Sieling. Auch Martin Günthner könnte nun Böhrnsen folgen. Der 39 Jahre alte Wirtschafts- und Justizsenator ist im Bremer Senat eine feste Größe. Günthner wurde 1999 Bürgerschaftsabgeordneter und 2010 Senator. Er ist Vorsitzender der Bremerhavener SPD. Die Parteiführung hatte sich darauf verlassen, mindestens noch zwei Jahre Zeit zu haben, einen Nachfolger in Stellung zu bringen.

Vorgänger Henning Scherf hatte dem damaligen Fraktionsvorsitzenden Böhrnsen 2005 zur Halbzeit der Wahlperiode den Weg an die Spitze des Senats frei gemacht. Böhrnsen führte die damalige große Koalition zu Ende und wechselte 2007 dann zu Rot-Grün.

Egal in welcher Konstellation die SPD im kleinsten Bundesland künftig regiert, die Probleme sind riesengroß. Mehr als 20 Milliarden Euro Schulden lasten schwer. Um das Ziel der Schuldenbremse zu erreichen, sind weitere tiefe Einschnitte in den ohnehin engen Haushalt nötig. Dabei wäre Geld dringend nötig für Investitionen und im Kampf gegen die soziale Spaltung. Nirgendwo leben mehr Kinder in Armut als im kleinen Zwei-Städte-Land. Bei der Arbeitslosigkeit steht Bremen ganz hinten, und beim Wachstum wird Bremen von fast allen anderen abgehängt.

Der frühere SPD-Landesvorsitzende Andreas Bovenschulte sagte, er bedaure Böhrnsens Schritt sehr, könne ihn aber verstehen. „Jens Böhrnsen ist ein ganz hervorragender Bürgermeister, der viel erreicht hat.“ Das gelte besonders auch für die Zusammenarbeit mit den Umlandgemeinden. Bovenschulte ist Vorsitzender des Kommunalverbundes Niedersachsen-Bremen. Der Bremer CDU-Chef Jörg Kastendiek hat den Amtsverzicht Böhrnsen als logische Konsequenz bezeichnet. „Seiner Entscheidung gebührt Respekt“, sagte Kastendiek. Seine Partei machte nach dem Rücktritt des Bürgermeisters noch einmal ein Angebot für eine Große Koalition. „Unser Angebot steht, das stand am Anfang des Wahlkampfs, das steht heute. Und nun warten wir mal ab, was passiert“, sagte CDU-Spitzenkandidatin Elisabeth Motschmann.

Während die SPD mit den Konsequenzen aus der Niederlage kämpft, feiern die Liberalen ihren Erfolg. Schon vor Sonntag war FDP-Spitzenkandidatin Lencke Steiner weit über Bremen hinaus bekannt. Die 29-Jährige weiß, was die Medien wollen. In der TV-Show „Die Höhle des Löwen“ auf Vox inszenierte sie sich als knallharte Unternehmerin. Für ein Foto-Shooting der „Gala“ posierte sie als sexy Action-Frau – in Anlehnung an die Hollywood-Heldinnen „Drei Engel für Charlie“.

Schon in Hamburg war die FDP mit Frontfrau Katja Suding überraschend erfolgreich. Nächste Gelegenheit haben die Liberalen erst 2016: bei Wahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt.