Er ist ein Mann des Westens, der aber auch mit Moskau im Gespräch bleiben will. Der Unternehmer Poroschenko gewinnt laut Prognosen die Präsidentenwahl in der Ukraine. Der Milliardär steht vor gewaltigen Aufgaben.

Kiew/Donezk. Bei der vorgezogenen Präsidentenwahl in der Ukraine hat der prowestliche Unternehmer Pjotr Poroschenko nach ersten Prognosen gewonnen. Der frühere Wirtschafts- und Außenminister lag in Wählerbefragungen bei über 55 Prozent der Stimmen. In Kiew und vielen westlichen Gebieten der früheren Sowjetrepublik hatten sich am Sonntag lange Schlangen in den Wahllokalen gebildet.

Die Präsidentenwahl wurde von Gefechten mit prorussischen Separatisten im Osten des Landes überschattet. Neben mehreren Soldaten kam dabei auch ein italienischer Fotograf ums Leben. Unter dem Schutz bewaffneter Polizisten gaben Millionen Ukrainer mitten in der schwersten Krise des Landes ihre Stimme ab. In den von Aufständischen kontrollierten Regionen im Osten öffnete nur ein Teil der Wahllokale. Örtliche Medien berichteten von vereinzelten Übergriffen moskautreuer Kräfte auf Wahlstellen. Viele Einwohner der Gebiete Donezk und Lugansk trauten sich nicht zur Wahl oder fanden keine Möglichkeit zur Stimmabgabe vor.

Poroschenko kündigte an, für Stabilität zu sorgen. „Die Bewaffneten müssen von den Straßen der Städte und Dörfer verschwinden“, sagte der Oligarch und Süßwaren-Produzent in Kiew. Poroschenko tritt trotz aller Ressentiments für einen Dialog mit dem großen Nachbarn Russland ein. Allerdings hat er immer wieder deutlich gemacht, dass der Staat gegenüber den bewaffneten, prorussischen Separatisten keine Schwäche zeigen dürfe.

In den Umfragen lag die Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko mit deutlichem Abstand auf Platz zwei. Die Ukraine ist seit der Amtsenthebung und Flucht von Präsident Viktor Janukowitsch ins russische Exil Mitte Februar ohne gewählten Staatschef. Die Regierung in Kiew, die EU und die USA hoffen, dass die Abstimmung die Lage in der Ukraine stabilisiert. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte am Sonnabend im Gespräch mit Vertretern internationaler Medien bekräftigt, Moskau werde das Votum respektieren, sprach aber nicht ausdrücklich von einer „Anerkennung“.

Die Regierung in Kiew hatte die Rekordzahl von etwa 3000 internationalen Wahlbeobachtern aus rund 20 Ländern eingeladen. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) kündigte an, mit etwa 1000 Experten im Einsatz sein, darunter nach Angaben von Außenminister Frank-Walter Steinmeier rund 100 Deutsche.

Insgesamt waren etwa 35 Millionen Menschen wahlberechtigt. Mit eingerechnet sind auch die Einwohner der Schwarzmeerhalbinsel Krim, die Russland gegen internationalen Protest annektiert hatte. In den von Separatisten teilweise kontrollierten östlichen Gebieten leben etwa 6,5 Millionen Menschen Bei der Wahl in der zweitgrößten Stadt Charkow im Nordosten gab es im Tagesverlauf keine Zwischenfälle. Dagegen öffnete in den Gebieten Donezk und Lugansk nur ein geringer Teil der Wahllokale. Die Gebietshauptstadt Lugansk ist vollständig unter Kontrolle prorussischer Separatisten. In zwei Städten wurden zudem die Bürgermeisterwahlen abgesagt.

In der Region halten moskautreue Kräfte zahlreiche Verwaltungsgebäude besetzt. Die Separatisten haben sich nach umstrittenen Referenden von Kiew losgesagt. Es kommt immer wieder zu Gefechten mit Regierungstruppen. Dabei wurden nach Angaben aus Kiew in der Nacht zum Sonntag zwei ukrainische Soldaten getötet. Nahe der Separatisten-Hochburg Slawjansk gerieten ausländische Reporter unter Beschuss. Dabei wurden ein italienischer Fotograf und ein ukrainischer Übersetzer getötet. Auch im Gebiet Lugansk wurde am Sonntag ein Mensch bei einer Schießerei getötet. In Kiew waren die Einwohner zugleich zur Wahl eines neuen Bürgermeisters aufgerufen. In letzten Umfragen lag Ex-Boxweltmeister Vitali Klitschko deutlich in Führung. Er hatte 2006 und 2008 bei der Abstimmung jeweils verloren.