Der Grünen-Spitzenkandidat im Abendblatt-Interview: Jeder Durchschnittshaushalt soll von den Grünen-Plänen profitieren. In der Pädophilie-Debatte attackiert Trittin die Union und Fraktionschef Kauder.

Hamburg. Schon vor seiner Wahlkampfrede in Hamburg hat Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin im Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt für den Fall einer Regierungsübernahme von Rot-Grün nach der Bundestagswahl am Sonntag versprochen, dass die Strompreise sinken werden. Trittin sagte: „Wir wollen das Erneuerbare-Energien-Gesetz so gestalten, dass am Jahresende jeder Durchschnittshaushalt 50 Euro mehr in der Tasche hat. Frau Merkel hat jetzt ein 100-Tage-Programm für die Zeit nach der Wahl vorgelegt. Die Reform der EEG-Umlage, die sie androht, meint nichts weniger als den Abbruch der Energiewende.“

Am Abend sprach der Grünen-Spitzenkandidat zum Wahlkampfhöhepunkt im Landhaus Walter im Stadtpark. Fast zeitgleich war Peer Steinbrück auf dem Domplatz am Speersort bei seinem bekannten „Klartext-Open-Air“. Bundeskanzlerin Angela Merkel war am Abend ebenfalls in Hamburg. Die CDU-Chefin trat in der Fischauktionhalle auf.

Die Wahlchancen für die Grünen, die in den Umfragen zuletzt eine Achterbahnfahrt mitmachten, bezeichnet der Spitzenmann trotz des Erdrutschsieges der CSU in Bayern als gut: „Ich glaube, dass bei der großen Zahl von Unentschlossenen der rot-grüne Sieg möglich ist.“ Er werde „bis zum 22. September um 18 Uhr“ für eine rot-grüne Mehrheit kämpfen.

Die Grünen denken nach Trittins Worten nicht über eine rot-rot-grüne Koalition nach, die rechnerisch möglich sein könnte, wenn Schwarz-Gelb keine Mehrheit holt und die SPD eine Große Koalition ausschließen sollte. „Unsere Wähler sollten sich auf das geheuchelte Koalitionsgerede der Linkspartei nicht einlassen“, so Trittin. Mit den Linken sei keine Koalition zu machen, weil sie sich als nicht regierungsfähig erwiesen hätten. Das kategorische Nein der Linken zur Griechenland-Rettung und zu der Unterstützung von Uno-Einsätzen sei inakzeptabel.

Wie viele Experten prophezeit Trittin, dass es direkt nach der Bundestagswahl ein neues Rettungspaket für Griechenland geben werde – entgegen den Beschwichtigungen der Bundeskanzlerin. Trittin sagte: „Wir werden nach der Bundestagswahl erleben, dass erneut Geld in die Hand genommen wird, um Griechenland zu retten. Das wird vielleicht aus anderen Töpfen genommen. Aber klar ist, dass Deutschland davon immer ein Fünftel bezahlen wird.“

In der Pädophilie-Debatte ermuntert Trittin seine Partei und mögliche Opfer zur weiteren Aufklärung: „Sollte es Missbrauchsopfer im Grünen-Kontext gegeben haben, sollten die sich bei Franz Walter melden. Bisher wissen wir noch wenig. Wir werden jede Unterstützung leisten, die wir können.“ Trittin beklagte aber auch die Propaganda der Union im Wahlkampf gegen die Grünen. „Wir haben 14 Jahre im Bundestag darum gekämpft, dass Vergewaltigung in der Ehe bestraft werden kann. Diejenigen, die da jetzt auf dem hohen Ross sitzen, haben noch im Jahr 1997 dagegen gestimmt, so etwa Volker Kauder oder Gerda Hasselfeldt. Wir wollen da nichts aufrechnen, aber das zeigt, dass solche Themen im Wahlkampf nicht weiterführen.“