Ärztestreiks und Praxisschließungen konnten nicht abgewendet werden. Ein Schlichtungstermin in der kommenden Woche gilt als letzte Chance.

Berlin. Der seit Wochen anhaltende Honorar-Streit zwischen Ärzten und Krankenkassen steuert immer deutlicher auf eine Eskalation zu. Eine Verhandlungsrunde am Donnerstag in Berlin blieb nach Angaben beider Seiten ohne Einigung. Eine letzte Chance, um Streiks und Praxisschließungen abzuwenden, besteht nun bei einem für Dienstag angesetzten Schlichtungstermin. Dazu trifft sich der sogenannte Erweiterte Bewertungsausschuss, dem auch mehrere Unparteiische angehören. Sollte dort kein für die Ärzte akzeptables Ergebnis zustande kommen, sollen die Protestaktionen kommende Woche starten. Patienten müssen sich dann auf lange Wartezeiten einstellen. Die Vorbereitungen dafür laufen Ärzteverbänden zufolge bereits auf Hochtouren.

Eine Sprecherin des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zeigte sich trotz der Vertagung überzeugt, dass am Dienstag „eine gute und faire Lösung“ für die rund 150.000 niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten möglich sei. Ein Sprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) sagte, alle Positionen lägen weiter auf dem Tisch.

Das bisherige Schlichtungsergebnis von Ende August sieht für die Ärzte ein Plus von 270 Millionen Euro im kommenden Jahr vor. Die Mediziner hatten ursprünglich 3,5 Milliarden Euro gefordert. Ein Kompromissangebot der Kassen mit einem Zuwachs um rund eine Milliarde Euro lehnt die KBV als Mogelpackung ab.

+++ Große Mehrheit niedergelassener Ärzte stimmt für Streik +++

Die Krankenkassen weigern sich, über den sogenannten Orientierungswert erneut zu verhandeln, der die entscheidende Größe zur Bestimmung des Preises einer Leistung ist. Dieser muss nach Ansicht der Kassenärzte so angehoben werden, dass am Ende eine Honorarsteigerung um 1,8 Prozent statt der bislang zugestandenen 0,9 Prozent herauskommt. Dies entspricht einem Plus um 540 Millionen Euro. Zudem wollen sie durchsetzen, dass Psychotherapeuten wegen der rapiden Zunahme psychischer Erkrankungen aus einem extra Topf bezahlt werden und so 200 Millionen Euro mehr erhalten.

Weitere Zuwächse wollen die Ärzte über andere Stellschrauben durchsetzen, über die ebenfalls verhandelt werden muss. Hierzu gehört die Menge an Leistungen, die im kommenden Jahr von den Kassen bezahlt wird. Auch dies wirkt sich auf die Vergütung aus, da ab einer bestimmten Menge von Behandlungen die Mediziner nur noch anteilig bezahlt werden. Auch muss eine Summe für sogenannte besonders förderungswürdige Leistungen festgesetzt werden – etwa Zuschläge für Ärzte in unterversorgten Regionen. Diese beiden Bereiche machen den Großteil des Kassenangebots aus. Die Ärzte argumentieren jedoch, dass ihnen wegen mehr Erkrankungen in der alternden Gesellschaft hier per Gesetz ohnehin Zuwächse zustünden.

In einer Urabstimmung hatte sich vor einigen Wochen eine Mehrheit der befragten Ärzte für Praxisschließungen und Protestmaßnahmen ausgesprochen. Wegen der neuen Verhandlungen war der Beginn der Aktionen jedoch vertagt worden.

Das Klima zwischen der KBV und dem GKV-Spitzenverband hatte sich erheblich verschlechtert. Die Mediziner werfen den Kassen vor, mit Auftragsstudien bewusst Stimmung gegen sie gemacht zu haben. Zuletzt drohte die KBV gar damit, die flächendeckende Versorgung aller gesetzlich Versicherten nicht mehr zu gewährleisten.