Bei Abstimmung von Medizinern votiert Mehrheit für Protestaktionen. Patienten müssen wegen des Konflikts mit Wartezeiten rechnen.

Hamburg. Im erbitterten Honorarstreit mit den Krankenkassen machen die deutschen Ärzte jetzt Ernst. In der kommenden Woche sollen im ganzen Land, auch in Hamburg, Praxen geschlossen und kaum Termine vergeben werden. Dafür haben 75 Prozent der Praxisärzte in einer Umfrage von 30 Berufsverbänden gestimmt.

Gut 50 000 Ärzte, also ein Drittel aller niedergelassenen Mediziner, hatten sich an der Abstimmung beteiligt. "Das ist bislang einmalig. An der enormen Beteiligung in so kurzer Zeit zeigt sich das hohe Protestpotenzial der Ärzteschaft", sagte der Sprecher der Allianz Deutscher Ärzteverbände, der Hamburger HNO-Arzt Dr. Dirk Heinrich. Niemand werde zu einem Streik oder zur Praxisschließung gezwungen, sagte Heinrich. Er gehe allerdings von einer massiven Teilnahme aus. Von den Aktionen seien gesetzlich und privat Versicherte gleichermaßen betroffen. Notdienste werden allerdings von den Protestaktionen ausgespart.

Die Ärzte hatten für 2013 eine Anhebung der Honorare um elf Prozent gefordert - insgesamt 3,5 Milliarden Euro mehr. Beschlossen wurde aber nur eine Anhebung um 270 Millionen Euro, rund 0,9 Prozent mehr. Pro Arzt wären dies 1800 Euro im Jahr. Die Kassen setzen jetzt auf weitere Verhandlungen am Sonnabend. "Wir haben kein Verständnis für die angekündigten Praxisschließungen, denn mit einem durchschnittlichen Bruttoeinkommen nach Abzug der Praxiskosten von über 160 000 Euro gehören Ärzte nach wie vor zu den wirklich gut Verdienenden", sagte der Sprecher des GKV-Spitzenverbandes, Florian Lanz. "Die internen Verteilungsprobleme zwischen den Arztgruppen löst man wohl nicht dadurch, dass Patienten vor verschlossenen Türen stehen gelassen werden."

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In Hamburg werden ebenfalls gekürzte Praxisöffnungszeiten erwartet. Der Winterhuder Orthopäde Dr. Volker Carrero, 44, sagte dem Abendblatt: "In Hamburg sind für die Orthopäden die Honorare sogar gesunken. Da sind 0,9 Prozent Honoraranstieg, die jetzt versprochen wurden, viel zu wenig." Pro Fall seien vor drei Jahren im Quartal 42 Euro bezahlt worden, jetzt seien es nur noch 25 Euro. "Da ist keine vernünftige Versorgung mehr machbar", so Carrero. In seine Praxis kämen zum Beispiel Patienten mit chronischen Rückenschmerzen, die deutlich mehr Betreuung erforderten als bezahlt werde. Zehn bis 20 Prozent seiner Arbeit werde überhaupt nicht vergütet. "Wenn sich die Kassen in den Verhandlungen am Wochenende nicht bewegen, gibt es für die Patienten längere Wartezeiten."

Am Montag wollen Hamburger Ärzte über die Aktionen beraten. Nach einer anfänglichen Weigerung, die Praxen zuzusperren, sind die Mediziner der Stadt nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung nun deutlich protestwilliger. "Wir sind kampfbereit", sagte der Horner HNO-Arzt Heinrich, der sich in der Auseinandersetzung mit den Kassen zum Wortführer entwickelt hat. Heinrich warf den Kassen vor, mit Zahlen zu tricksen und die Öffentlichkeit in die Irre zu führen.

Der Kassenverband wandte ein, nur jeder vierte Arzt habe für Protestaktionen gestimmt, nicht 75 Prozent. Denn längst nicht alle Ärzte hätten sich beteiligt. Der Sozialverband Deutschland (SoVD) warnte vor schwerwiegenden Folgen. "Insbesondere kranke und ältere Menschen dürfen keinesfalls durch Versorgungsengpässe verunsichert werden", erklärte Verbandspräsident Adolf Bauer. Die Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz-Stiftung mahnte: "Es wäre für uns nicht zu akzeptieren, wenn Schwerstkranke auf einem Anrufbeantworter ihres niedergelassenen Arztes landen", sagte Vorstand Eugen Brysch.

Der Hamburger Ärztevertreter Dr. Stephan Hofmeister sagte dem Abendblatt: "Wir werden ein politisches Signal senden, ohne die Versorgung der Patienten zu gefährden."