Rabbiner sehen das Urteil als Angriff auf Religionsfreiheit. Kölner Landgericht bewertete Beschneidungen als Körperverletzung.

Bonn. Die Debatte um das Kölner Beschneidungsurteil reißt nicht ab. Harte Kritik kam am Donnerstag von der Konferenz Europäischer Rabbiner (CER), die das Urteil als Angriff auf die Religionsfreiheit bezeichnete. Aus Sicht des Münchner Juristen Christian Walter überschreitet die Entscheidung des Kölner Landgerichts, wonach die religiös begründete Beschneidung von Jungen eine strafbare Körperverletzung darstellt, die Kompetenzen des Rechtsstaats. Unterdessen drängten Vertreter von FDP und Grünen auf eine Legalisierung der Beschneidung.

Die Rabbinerkonferenz erklärte zum Abschluss einer eigens anberaumten Zusammenkunft in Berlin, unter allen Juden herrsche Konsens, dass die 4.000-jährige Tradition nicht zur Disposition stehen könne. Er hoffe auf eine rasche Klarstellung durch den Gesetzgeber, sagte der CER-Vorsitzende Pinchas Goldschmidt. Die Rabbiner riefen die jüdischen Beschneider und Eltern in Deutschland dazu auf, mit der Tradition fortzufahren, auch ohne eine endgültige juristische Klärung abzuwarten.

+++Islam-Verbände fordern ein Gesetz zur Beschneidung+++

Sollte das Kölner Urteil zum Maßstab werden, gebe es für den größten Teil der jüdischen Gemeinden in Deutschland „keine Zukunft“, mahnte Goldschmidt. Die meisten Juden würden in diesem Fall wohl auswandern. Allerdings würde ein solcher Schritt einen „kompletten Wandel“ der deutschen Nachkriegspolitik bedeuten, die sich dem Wiederaufbau der jüdischen Gemeinden verpflichtet habe. Gut 40 orthodoxe Rabbiner aus mehr als zehn europäischen Ländern hatten seit Dienstag über Konsequenzen aus dem Kölner Urteil beraten.

Nach Meinung des Rechtsprofessors Christian Walter übergeht der Richterspruch, dass Eltern in den Grenzen des Rechtsstaats selbst über das Kindeswohl entscheiden können. In einem Beitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (Donnerstag) verwies er auf Fälle, bei denen Eltern etwa abstehende Ohren ihrer Kinder chirurgisch korrigieren lassen. Das Urteil missachte das religiöse Erziehungsrecht der Eltern, so der Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht und Völkerrecht an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität.

+++Kritik an Urteil zu Beschneidungen weitet sich aus+++

Der integrationspolitische Sprecher der FDP, Serkan Tören, plädiert dafür, rituelle Beschneidungen durch eine Änderung des Patientenrechts zu legalisieren. In einem Brief an Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), der der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Donnerstag) vorliegt, schlägt Tören vor, den Paragraf 630, der auch ästhetische Eingriffe in Körper oder Gesundheit regelt, zu ergänzen.

Die Grünen streben eine gesetzliche Regelung für die Zulassung von religiös begründeten Beschneidungen an. Nach der Sommerpause wollten sie darüber mit Fachleuten und Verbänden diskutieren, sagte Grünen-Fraktionschefin Renate Künast der Tageszeitung „Die Welt“ (Freitag). Es müsse ein Weg zwischen der körperlichen Unversehrtheit des Kindes, elterlichem Sorgerecht und Religionsfreiheit gefunden werden, „bei dem die Beschneidung nicht bestraft wird“. (KNA)