Becker hat Siegfried Buback nicht erschossen – aber die Täter in ihrem Entschluss bestärkt, befindet das Oberlandesgericht Stuttgart.

Stuttgart. Das Oberlandesgericht Stuttgart hat die frühere RAF-Terroristin Verena Becker 35 Jahre nach dem Mord an Generalbundesanwalt Siegfried Buback zu vier Jahren Haft wegen Beihilfe verurteilt. Nach Überzeugung der Richter hatte sie sich „vehement“ für die Ausführung des Anschlags eingesetzt. Mit dem Urteil ging am Freitag wahrscheinlich das letzte große Verfahren gegen die „Rote Armee Fraktion“ (RAF) zu Ende. Ob und wie lange die 59-Jährige tatsächlich noch ins Gefängnis muss, entschied das Gericht nicht.

Becker habe die Entscheidung für den Anschlag „im Beisein der späteren Täter mit bestimmt und die Täter dadurch in ihrem Tatentschluss bestärkt“, sagte der Vorsitzende Richter Hermann Wieland. Die tödlichen Schüsse habe sie jedoch nicht abgegeben.

Mit dem am Freitag verkündeten Urteil blieb das Oberlandesgericht Stuttgart knapp unter dem Antrag der Bundesanwaltschaft. Von der Strafe gelten zweieinhalb Jahre bereits wegen einer früheren Verurteilung als abgegolten. Eine vorzeitige Entlassung ist in der Regel nach zwei Dritteln, unter Umständen sogar nach der Hälfte der Haftzeit möglich. Zudem saß Becker bereits vor Prozessbeginn rund vier Monate lang in Untersuchungshaft, was anzurechnen ist. Deshalb könnte es sein, dass Becker die Strafe nicht antreten muss. Hierüber kann aber erst nach Rechtskraft des Urteils das Vollstreckungsgericht entscheiden.

+++ Verurteilt: Vier Jahre Haft für RAF-Terroristin Verena Becker +++

Die Ex-Terroristin hatte in einer Erklärung vor Gericht jede Beteiligung an dem Anschlag bestritten. Die Verurteilung wegen Beihilfe „entspricht nicht unserer juristischen Überzeugung“, sagte Anwalt Hans Wolfgang Euler. Er ließ offen, ob die Verteidigung Revision gegen das Urteil einlegen wird. „Letztlich wird es Frau Becker entscheiden.“

Ein Mordkommando der „Rote Armee Fraktion“ (RAF) hatte Generalbundesanwalt Buback und seine beiden Begleiter am 7. April 1977 in Karlsruhe von einem Motorrad aus erschossen. Wer die beiden unmittelbaren Täter waren, konnte das Gericht in dem mehr als anderthalb Jahre dauernden Verfahren an 96 Verhandlungstagen nicht klären. Nach der Beweisaufnahme könne „der Angeklagten eine unmittelbare Beteiligung an dem Anschlag nebst der anschließenden Flucht nicht nachgewiesen werden“, sagte Wieland.

Am 3. Mai 1977 waren Verena Becker und Günter Sonnenberg in Singen (Baden-Württemberg) festgenommen worden. Wegen der Schießerei bei der Festnahme wurde sie wegen Mordversuchs zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Im September 1989 begnadigte sie der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker – Becker sei in der Haft vom Terrorismus abgerückt.

Den Vorwurf der Beihilfe zum Anschlag auf Buback begründete der Vorsitzende Richter im Wesentlichen damit, dass Becker an einem Vorbereitungstreffen der RAF-Mitglieder in den Niederlanden teilgenommen habe. Dort sei die Entscheidung für den Anschlag getroffen worden. „Die Angeklagte (...) setzte sich vehement dafür ein, dass das Attentat so schnell wie möglich durchgeführt werden müsse“, sagte Wieland. Becker habe eine „führende Rolle“ innerhalb der Gruppe gehabt. Das Gericht stützte sich dabei vor allem auf Aussagen des RAF-Aussteigers Peter-Jürgen Boock.

Die Bundesanwaltschaft zeigte sich zufrieden mit dem Urteil. Das Gericht habe sich im Schuldspruch dem Plädoyer der Anklagevertreter angeschlossen, sagte Bundesanwalt Walter Hemberger. Die Ankläger hatten allerdings im Strafmaß mit viereinhalb Jahren eine etwas höhere Strafe gefordert.

Es sei ein „außergewöhnliches Verfahren“ gewesen, an das hohe Erwartungen geknüpft gewesen seien, sagte der Vorsitzende Richter. „Diesen konnte das Verfahren nur zum Teil genügen.“ Der Prozess habe gezeigt, „dass die Tataufklärung nach mehr als 30 Jahren stark eingeschränkt ist“. Zahlreiche Zeugen seien inzwischen verstorben oder hätten keine genaue Erinnerung mehr.

Michael Buback, der Sohn des Opfers, reagierte enttäuscht auf den Schuldspruch. „Wir haben zur Kenntnis genommen, dass es dem Gericht in 21 Monaten nicht gelungen ist, der Aufklärungspflicht nachzukommen.“ Er hielt bis zum Schluss des Prozesses an seiner These fest, dass Becker selbst die tödlichen Schüsse abfeuerte. Anschließend sei sie bei den Ermittlungen von höherer Stelle geschützt worden.

Dies sei nicht haltbar, sagte Wieland. Wer behaupte, es habe Manipulationen gegeben, „nimmt Wertungen unter einem sogenannten Tunnelblick vor“. Becker habe zwar während ihrer Haftzeit Anfang der 80er Jahre Informationen an den Verfassungsschutz gegeben. Dafür habe sie Geld und Vorteile im Strafvollzug bekommen. Wieland: „Weitergehende Vorwürfe sind nicht haltbar.“ (dpa)