Der oberste Repräsentant der Bundesrepublik ist überraschend in Kabul eingetroffen. Vor einem Treffen mit Staatspräsident Hamid Karsai macht Wulff deutlich: “Deutschland wird Afghanistan nicht im Stich lassen.“

Kabul. Am Sonnabend hielt er sich noch zu Immatrikulationsfeierlichkeiten an der Universität in Rostock auf, einen Tag später findet sich Christian Wulff in Afghanistan wieder. Der Bundesverteidigungsminister flog am Sonntag zu einem unangekündigten Staatsbesuch nach Kabul. In der Hauptstadt wollte Wulff mit Staatspräsident Hamid Karsai zusammenkommen. Nach Informationen des Bundespräsidialamtes sei ein gemeinsames Mittagessen vorgesehen. Zuvor waren Gespräche mit Vertretern von Nichtregierungsorganisationen sowie mit Frauen- und Menschenrechtlern vorgesehen. Es ist der erste Staatsbesuch eines Bundespräsidenten am Hindukusch seit 44 Jahren.

Wulff betonte nach seiner Ankunft: "Ich bin nach Afghanistan gekommen, um deutlich zu machen: Deutschland wird Afghanistan nicht im Stich lassen. Wir werden Afghanistan bei der Bewältigung der kommenden Aufgaben auch nach vollständiger Übernahme der Sicherheitsverantwortung 2014 ein verlässlicher und dauerhafter Freund und Partner sein.“

Wulff machte deutlich, dass die bessere Verwirklichung der Menschenrechte in Afghanistan für Deutschland ein zentrales Anliegen ist."„Ich habe großen Respekt vor den Leistungen der afghanischen Zivilgesellschaft“, sagte er. Diese spiele im Übergangsprozess hin zur vollen Souveränität des Landes eine entscheidende Rolle.

Der Staatsbesuch fand unter schärfsten Sicherheitsvorkehrungen statt und wurde erst nach der Landung des Bundespräsidenten in Kabul öffentlich bekannt gegeben. Wulff war am Sonnabendbend zunächst mit dem Luftwaffenairbus von Berlin ins usbekische Termes geflogen und dort am Morgen in eine Transall-Militärtransportmaschine nach Kabul umgestiegen.

Vorbereitung für Bonner Konferenz

Das Treffen des Bundespräsidenten mit Karsai dient auch der Vorbereitung der internationalen Afghanistan-Konferenz am 5. Dezember in Bonn. Dann sollen die entscheidende Weichen für den weiteren Friedensprozess des Landes gestellt werden. Die Beteiligung an der Internationalen Schutztruppe für Afghanistan (ISAF) ist mit derzeit mehr als 5.000 Soldaten der größte Auslandseinsatz der Bundeswehr. Bis Ende 2014 sollen die afghanischen Behörden die Verantwortung für die Sicherheit im Land vollständig übernehmen und die Kampftruppen das Land verlassen.

Nach den USA und Großbritannien ist Deutschland der größte Truppensteller. Maßgeblich für die Etappen des Abzugs ist das Vorgehen der USA. US-Präsident Barack Obama hatte angekündigt, bis zum Jahresende 10.000 der insgesamt noch 90.000 US-Soldaten abzuziehen. Weitere 23.000 sollen bis zum Sommer 2012 folgen.

Der Staatsbesuch Wulffs ist die dritte Reise eines deutschen Staatsoberhaupts nach Afghanistan. Sein Vorgänger Horst Köhler war kurz nach einem Blitzbesuch bei deutschen Soldaten am Hindukusch 2010 von seinem Amt zurückgetreten, nachdem er den Bundeswehreinsatz mit wirtschaftlichen Interessen in Verbindung gebracht hatte. Im März 1967 hatte Bundespräsident Heinrich Lübke Afghanistan erstmals einen Staatsbesuch abgestattet. Zuletzt hatte vor gut einem Monat Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière überraschend die Bundeswehrtruppen im Norden Afghanistans besucht .

Die überraschende Reise von Wulff gilt nicht nur den deutschen Soldaten, sondern hat einen politischen Schwerpunkt. Der Bundespräsident will in Kabul die lange Tradition von Kontakten zwischen Deutschen und Afghanen deutlich machen. Seit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen im Jahr 1919 arbeiten beide Länder zusammen. Bereits 1928 hatten die Berliner dem afghanischen König Amanullah und Gattin Soraya einen begeisterten Empfang bereitet. Der Monarch, der deutsche Wissenschaftler und Ingenieure in sein Land holte, war der erste gekrönte Gast in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes leben derzeit fast 90.000 Afghanen in der Bundesrepublik.

Mit Material von dpa, rtr und dapd