Reise gilt vor allem Verbündeten im Norden des Landes. Noch keine Angaben über künftige Truppenstärke. Rebellen unterstützen Taliban.

Meynameh/Islamabad. Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière ist am Sonntag zu einem unangekündigten Besuch in Afghanistan eingetroffen. Seine dritte Afghanistan-Reise seit seinem Amtsantritt gelte vor allem den Verbündeten im Norden des Landes, erklärte der CDU-Politiker. Bis zur Verlängerung des Mandats für den Afghanistan-Einsatz durch den Bundestag sei "eine koordinierte Haltung aller Verbündeten“ notwendig.

Er wolle die Entscheidung über die Truppenstärke für 2012 und die Mandatsverlängerung gerne verbinden, erklärte der Minister in Meynameh im Nordwesten Afghanistans. Absprachen mit den USA und anderen seien wichtig, da Deutschland weder fachlich noch politisch alleine eine verantwortbare Entscheidung treffen könne. "Alles hängt jetzt davon ab, was die Amerikaner entscheiden“, sagte de Mazière.

Deswegen sei es noch zu früh, konkrete Truppenzahlen für die Jahre 2013 und 2014 und Abzugspläne zu nennen, erklärte der Minister. Die Strategie der Truppenreduzierung sei weiterhin richtig. Die entscheidende Frage laute, wie in welchem Umfang die afghanischen Streitkräfte die Führung übernehmen könne.

Der Minister wollte auch mit Soldaten der Bundeswehr zusammentreffen. "Das Wichtigste ist natürlich, dass ich mit unseren Soldaten spreche und einen Eindruck gewinne, wie sie selbst die Lage beurteilen“, sagte er. Im Bundeswehrcamp Marmal in Masar-i-Scharif gedachte de Maizière gemeinsam mit Generalmajor Markus Kneip und Oberst Ulrich Kirsch am Ehrenhain der im Einsatz verstorbenen Soldatinnen und Soldaten.

Aufständische betonen Einheit mit Taliban

Unterdessen hat in Afghanistan erstmals eine besonders radikale Rebellengruppe Bedingungen für Friedensgespräche mit der Regierung gestellt. An solchen Verhandlungen werde das Hakkani-Netz nur im Einklang mit den Taliban teilnehmen, sagte Anführer Siradschuddin Hakkani am Sonnabend in einem Telefongespräch mit der Nachrichtenagentur Reuters. Die Gruppe unterstütze jegliche Lösungen, die die Taliban-Führung für die Zukunft Afghanistans vorschlage. Friedenangebote aus Kabul und Washington nur an die Hakkani würden aber weiter ausgeschlagen. Sie sollten nur einen Keil zwischen die Aufständischen treiben, sagte der Rebellenführer. Seinen Aufenthaltsort gab er nicht preis. Die USA haben auf ihn ein Kopfgeld von bis zu fünf Millionen Dollar ausgesetzt.

Unter den verschiedenen Taliban-Verbündeten gilt die Hakkani-Gruppe als gefährlichster Gegner der USA in Afghanistan. Die Washingtoner Regierung vermutet, dass die Gruppe hinter dem jüngsten Raketenangriff auf die US-Botschaft in der afghanischen Hauptstadt und einem Autobomben-Anschlag auf einen US-Stützpunkt steckt, durch den 77 amerikanische Soldaten verwundet wurden. Die Hakkani sollen Verbindungen zu Extremistengruppen wie auch Al-Kaida haben. Ein Einigung mit ihnen könnte die Chancen auf einen Afghanistan-Frieden erhöhen.

Experten: Wende in der Haltung der Gruppe

Kennern zufolge deutet die jüngste Äußerung Siradschuddins auf eine Wende in der Haltung der Gruppe hin. Sie signalisiere den USA die Bereitschaft zu ernsthaften Gesprächen in einem größeren Kontext mit den Taliban, sagte der pakistanische Sicherheitsexperte Edschas Haider. Offiziell unterstehen die Hakkani dem Kommando von Taliban-Chef Mullah Omar, doch nach Einschätzung von US-Vertretern zufolge kann die Gruppe auch unabhängig handeln.

Die USA haben ihren Verbündeten Pakistan wiederholt dazu gedrängt, verstärkt gegen die Organisation vorzugehen. Der Umgang mit dem Hakkani-Netz gehört zu den strittigsten Punkten in den US-Beziehungen zu Pakistan. Der Geheimdienst Pakistans steht seit vielen Jahren im Verdacht, Verbindungen zu der Gruppe zu unterhalten. Die Beziehungen reichen zurück in die 80er Jahre, als Siradschuddins Vater Dschalaluddin Hakkani ein gefürchteter Befehlshaber im Kampf der Mudschaheddin gegen die sowjetische Besatzungsmacht in Afghanistan war. Pakistan unterhält nach eigenen Angaben keine Verbindung zu der Gruppe.

Die Regierung in Washington vermutet die Hakkani in Pakistans unzugänglichem Stammesgebiet Nord-Wasiristan an der Grenze zu Afghanistan. Doch in dem Gespräch mit Reuters sagte Siradschuddin, die Organisation benötige diesen Rückzugsort nicht mehr. Sie fühle sich innerhalb Afghanistans sicher. Zudem habe sie ihre Vorherrschaft im Osten Afghanistans ausgedehnt, indem sie rivalisierende Rebellengruppen verdrängt habe.

(dpa/rtr/abendblatt.de)