Der SPD-Politiker verlangt eine zügige Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung. Die Vorbehalte seien “vollkommener Unsinn“.

Berlin. Im andauernden Streit um die Vorratsdatenspeicherung hat sich der frühere Bundesinnenminister Otto Schily zu Wort gemeldet. Der SPD-Politiker zeigte sich verärgert und verlangte eine zügige Wiedereinführung. Die Vorbehalte gegen die Regelung seien „vollkommener Unsinn“, sagte Schily. Auch der jetzige Ressortchef Hans-Peter Friedrich (CSU) drängelte angesichts der jüngsten Festnahme von zwei Terrorverdächtigen in Berlin. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) will sich aber nicht hetzen lassen. Union und SPD hatten die Vorratsdatenspeicherung in der Großen Koalition beschlossen – als Umsetzung einer EU-Richtlinie. Die Telekommunikationsfirmen wurden verpflichtet, sämtliche Telefon-, Handy- und E-Mail-Daten aller Bundesbürger ohne Anlass jeweils sechs Monate lang zu speichern.

Das Instrument soll beim Kampf gegen Kriminalität und Terrorismus helfen. Das Bundesverfassungsgericht kippte die Regelung jedoch vor mehr als einem Jahr. Seitdem streiten Union und FDP über eine Neuregelung. Schily kritisierte, die entstandene Debatte sei ihm völlig unverständlich. „Alle, die behaupten, Vorratsdatenspeicherung würde die Freiheitsrechte beeinträchtigen, schüren völlig unbegründete Ängste“, sagte er . Eine Vorratsdatenspeicherung gebe es schon lange, „nämlich zu Abrechnungszwecken, damit jeder seine Telefonrechnung überprüfen kann“.

Das wiederkehrende Argument, die Bevölkerung werde unter Generalverdacht gestellt, sei vollkommener Unsinn, sagte Schily. „Niemand ist deswegen von vornherein unter Verdacht.“ Die Daten seien da, „und wenn im konkreten Fall ein Verdacht entsteht, gibt es die Möglichkeit, auf einzelne Daten zuzugreifen“. Im politischen Raum gebe es bei diesem Thema jedoch zum Teil „eine ziemlich verquere Sichtweise“. Dabei sei die Vorratsdatenspeicherung für den Kampf gegen den Terror unabdingbar. Dieser Meinung sind auch die Polizeigewerkschaften.

+++ Terrorverdächtige: Seit zwei Monaten im Visier der Fahnder +++

Der Streit wird nun befeuert durch die Festnahme von zwei Terrorverdächtigen am Donnerstag in Berlin. Die beiden Männer sollen möglicherweise einen Bombenanschlag geplant haben. Hinweise darauf, dass sie mit einer Datenspeicherung ausfindig gemacht wurden gibt es nicht. Aus der FDP gab es höhnische Kommentar: Terrorverdächtige ohne Vorratsdatenspeicherung verhaftet, hieß die Überschrift einer Mitteilung.

Spitzenpolitiker der Union forderten dennoch ein Entgegenkommen vom Koalitionspartner FDP. Innenminister Friedrich sagte im ZDF-„Morgenmagazin“, angesichts der Bedrohung sei es notwendig, dass die Behörden mehr Möglichkeiten zur Auswertung der Daten von Verdächtigen bekämen als bislang. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe verlangte, die Liberalen müssten sich bei dem Thema „endlich bewegen“. Unions-Fraktionschef Volker Kauder ging Leutheusser-Schnarrenberger hart an. „Eine Justizministerin, die die Umsetzung einer verbindlichen EU-Richtlinie verweigert, ist ein Problem“, sagte der CDU-Politiker den „Ruhr Nachrichten“.

Leutheusser-Schnarrenberger hielt dagegen, die alte Regelung sei zu Recht für verfassungswidrig erklärt worden. Alle seien gut beraten, vor dem Hintergrund des Falls in Berlin nicht „schon wieder mit der Vorratsdatenspeicherung zu kommen“, erklärte die FDP-Politikerin im RBB-Inforadio. Sie wolle sich einer Debatte über eine Datensammlung nicht verschließen, werde diese aber nicht vor dem Hintergrund der konkreten Ereignisse führen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) macht nun vorsichtig Druck, um den Dauerstreit zwischen Innen- und Justizressort zügig zu beenden. Merkel ließ durch ihren Sprecher Steffen Seibert ausrichten, eine Neuregelung sei notwendig. Es gebe die Verpflichtung, die zugrunde liegende EU-Richtlinie umzusetzen und die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu befolgen. Merkel sah sich außerdem veranlasst, die Justizministerin in Schutz zu nehmen. Leutheusser-Schnarrenberger sei ein angesehenes Regierungsmitglied, sagte Seibert. Die Linke kritisierte, der Austausch der immer gleichen Argumente nerve langsam. Das sei ein „unwürdiges Schauspiel“.

Bundeskanzlerin Merkel hat zehn Jahre nach den Terroranschlägen vom 11. September die Bedeutung der Partnerschaft mit den USA betont. Zugleich unterstrich sie nach der umstrittenen deutschen Enthaltung bei der Libyen-Resolution im Uno-Sicherheitsrat, dieser Schritt habe „zu keinem Zeitpunkt Neutralität“ bedeutet. „Deutschland weiß um seine Verantwortung in der Welt“, sagte die Kanzlerin in Berlin bei einer Veranstaltung zum 50-jährigen Bestehen des „Bergedorfer Kreises“.

Die Beziehung Deutschlands zu den Vereinigten Staaten sei nicht alleine eine Sicherheitspartnerschaft, sagte Merkel. Sie sei vielmehr geprägt durch die gemeinsame Geschichte, Kultur und vor allem durch gemeinsame Werte. Der Wohlstand in Deutschland sowie Interessen und Werte verpflichteten die Bundesrepublik, Verantwortung zu übernehmen. Deutschland leiste in vielen Regionen der Welt wichtige militärische Beiträge und Aufbauhilfe.

Merkel betonte auch den Wert von Sanktionen. Aus diesem Grund trete Deutschland auch für schärfere Strafmaßnahmen gegen Syrien und den Iran ein. Der „Bergedorfer Kreis“ – gegründet 1961 von dem Unternehmer Kurt A. Körber – gilt als eine der wichtigsten Gesprächsrunden in Deutschland zur Außenpolitik.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel fordert die Einhaltung der Menschenrechte bei der Terrorbekämpfung. Die westlichen Staaten dürften sich nicht über demokratische Werte, rechtsstaatliche Errungenschaften und das Völkerrecht hinwegsetzen, sagte Gabriel in Berlin. „Nur der Geist des Rechts kann sich gegen das Unrecht behaupten.“ Die Anschläge vom 11. September bezeichnete der SPD-Chef als Angriff auf die Grundwerte unserer Zivilisation. „Wir müssen bei der Lösung regionaler Konflikte vorankommen, um die Entstehung von Verbitterung, Hass und die Bereitschaft zu terroristischer Gewaltanwendung zu verhindern.“ (dpa/dapd)