Der Anwalt der ehemaligen Chefin von News International beschuldigt die Polizei, Rebekah Brooks ohne triftigen Grund verhaftet zu haben.

London. Die ehemalige Chefin des britischen Verlags News International, Rebekah Brooks, hat sich nach Angaben ihres Anwalts keines Vergehens schuldig gemacht. Die Polizei würde Fragen darüber beantworten müssen, warum Brooks am Sonntag wegen des Verdachts auf Bestechung und Verschwörung zum Abhören von Gesprächen festgenommen worden sei, sagte der Anwalt, Stephen Harrison. Die 43-Jährige wird sich auch einer Befragung im Parlament stellen. Das berichtete der britische Fernsehsender BBC am Montag. Nach der Festnahme von Brooks im Zusammenhang mit dem Abhörskandal um den Konzern News Corp. war ihr Erscheinen vor einem Ausschuss von Abgeordneten in London am Dienstag zunächst fraglich. Brooks gilt als enge Vertraute Rupert Murdochs. News International ist die Zeitungssparte von dessen Medienunternehmen News Corp. Der 80-jährige Murdoch ist für diesen Dienstag vor den Ausschuss des Parlaments geladen und soll Licht in die Verstrickungen seines Unternehmens News International in illegale Recherchemethoden bringen.

Der Vorsitzende des Komitees, John Whittingdale, kündigte an, dass vor allem die Position von News International untersucht werden solle und es nicht um einen öffentliche Vorführung Murdochs gehe. Am Montag war zunächst unklar, ob auch die frühere Top-Managerin bei News International, Rebekah Brooks, vor dem Komitee erscheinen wird.

Am Sonntag war wegen der Abhöraffäre der Londoner Polizeichef zurückgetreten. Ihm sei das Ausmaß der Bespitzelungsaffäre nicht klargewesen, sagte Paul Stephenson am Sonntag mehreren Fernsehkanälen. Dem Chef der Metropolitan Police wurde vorgeworfen, den vorige Woche im Zuge des Skandals festgenommenen ehemaligen „News of the World“-Journalisten Neil Wallis ein Jahr lang bis September 2010 als PR-Berater beschäftigt und Journalisten gegen Schmiergeldzahlungen vertrauliche Informationen gesteckt zu haben. Zudem sollen sie den Vorwürfen gegen Reporter der mittlerweile eingestellten Boulevardzeitung „News of the World“ nicht entschieden genug nachgegangen sein. Journalisten des Skandalblattes wird vorgeworfen, Tausende Telefonate abgehört zu haben. Stephenson erklärte, er habe nicht über die Einstellung Wallis' entschieden und habe auch nichts von dessen Verstrickung in das Abhören von Mobiltelefonen gewusst. „Meine persönliche Integrität macht mir keine schlaflosen Nächte“, sagte er.

Rebekah Brooks gilt nicht nur als enge Vertraute Murdochs, sie aß an Weihnachten mit dem britischen Premierminister David Cameron zu Abend. Dessen konservative Regierung sieht sich nun zunehmend Fragen über ihre Beziehung zum Medienimperium Murdochs ausgesetzt.

Mit der Festnahme Brooks' rückten die polizeilichen Ermittlungen zur Abhöraffäre erstmals in den inneren Kreis des Medienmoguls. Möglicherweise könnten als Nächstes auch Les Hinton, der am Freitag zurückgetretene Vorstandschef des zur News Corp. gehörenden US-Verlags Dow Jones & Company, und Murdochs 38-jähriger Sohn, James Murdoch, ins Visier der Ermittler geraten. Hinton war zwölf Jahre für News International verantwortlich. James Murdoch leitet die Geschäfte der News Corp. in Europa und Asien. Der 38-Jährige genehmigte Zahlungen an einige der bekanntesten Opfer der Abhöraktionen der „News of the World“.

Rupert und James Murdoch sollten am morgigen Dienstag vor einem Ausschuss des britischen Parlaments aussagen. Ursprünglich wollte auch Brooks aussagen, allerdings war nach ihrer Festnahme und Befragung durch die Polizei unklar, ob sie sich den Fragen der Abgeordneten stellen würde. Die Aussage der Murdochs vor dem parlamentarischen Ausschuss sollte im Fernsehen übertragen werden.

Den 80-jährigen Rupert Murdoch hat der Abhörskandal nicht nur eine Zeitung – die „News of the World“ – gekostet. Er musste auch sein Angebot zur Übernahme des Fernsehsenders British Sky Broadcasting (BSkyB) zurückziehen. Inzwischen ermittelt auch die US-Bundespolizei FBI gegen Murdochs Konzern, um herauszufinden, ob Journalisten der News Corp. die Telefone von Opfern der Terroranschläge vom 11. September oder deren Angehörigen anzapften.

Der britische Premierminister David Cameron sagte derweil, er will im Abhörskandal noch einmal im Parlament Rede und Antwort stehen. Der Regierungschef sprach sich für eine Dringlichkeitssitzung der Abgeordneten am Mittwoch aus. „Dann kann ich noch einmal Stellung nehmen, das Haus auf den neuesten Stand der Ermittlungen bringen und Fragen beantworten, die heute oder morgen auftauchen“, sagte Cameron am Montag in Pretoria während einer Südafrika-Reise. Cameron verkürzt Medienberichten zufolge wegen des Abhörskandals um Rupert Murdochs Medienkonzern News Corp seine Afrika-Reise. Er wolle sich in die Ermittlungen einschalten, berichtete die Zeitung „Guardian“.

Porträt: Aufstieg und Fall der Rebekah Brooks

An Weihnachten dinierte Rebekah Brooks noch mit dem britischen Premierminister David Cameron und selbst als der Abhörskandal auf seinen bisherigen Höhepunkt zusteuerte – der Einstellung der Zeitung „News of the World“ nach 168 Jahren - erhielt sie öffentlich Unterstützung von ihrem Chef Rupert Murdoch. Nun ermitteln die Behörden gegen die 43-Jährige. All ihre Macht und ihre Kontakte sind mit einem Mal nichts mehr wert.

Am Freitag trat Brooks als Chefin der britischen Zeitungssparte des Medienimperiums von Murdoch zurück. Am Sonntag wurde sie festgenommen. Mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit verwandelte sie sich von einer der einflussreichsten Frauen Großbritanniens zu einer Figur, über die öffentlich gespottet wird.

Die Billig-Fluglinie Ryanair schaltete am Sonntag im „Observer“ eine Anzeige mit einem Foto von Brooks und einem Text, der den Lesern in Anspielung auf den Abhörskandal mitteilt, dass Brooks mit Ryanair günstig dem Schlamassel entfliegen wolle.

Die Auswirkungen von Brooks Festnahme gehen aber weit über ihre Person hinaus. Es stellt sich die Frage, wie ihr Rücktritt das Machtgefüge in Murdochs Medienunternehmen beeinflussen wird und wie die Affäre das Ansehen von Premierminister Cameron und anderen Politikern beschädigt, die bislang ein kuscheliges Verhältnis zum 80-jährigen Medienbaron pflegten.

Les Hinton, Geschäftsführer des „Wall Street Journal“ und langjähriger Mitstreiter Murdochs musste ebenfalls am Freitag nach 50 Jahren an der Seite des Australiers seinen Hut nehmen. Murdochs Sohn James, Chef der europäischen und asiatischen Geschäfte von Murdochs Stammunternehmen NewsCorp., steht unter besonderer Beobachtung. Er, sein Vater und Brooks sollen sich am Dienstag den Fragen britischer Abgeordneter stellen.

Brooks im Auge des Sturms

Doch seit der Skandal hochkochte, stand Brooks im Fokus. Die mit ihren lang gelockten, roten Haaren optisch auffällige Brooks war stets eine treue Statthalterin Murdochs – das Verhältnis zwischen den beiden soll so eng sein, dass sie praktisch zur Familie gehört. Allerdings war Brooks Chefredakteurin der „News of the World“, als die Journalisten der Zeitung Telefone gehackt haben sollen.

Seit Jahren sickerten immer wieder berichte über Abhöraktionen durch. Aber erst die Enthüllung, dass Journalisten sich 2002 Zugang zu dem Mobiltelefon des 13-jährigen Entführungsopfers Milly Dowler verschafft hatten, weckte den Zorn der Öffentlichkeit.

Doch während 200 Journalisten der „News of the World“ mit dem Ende der Zeitung ihren Job verloren, hielt Brooks an ihrem Posten fest. Das brachte ihr Unverständnis, Verachtung und Häme ein.

Rasante Karriere

Brooks Karriere bei „News of the World“ begann 1989, nachdem sie zuvor kurz für ein Unternehmen Murdochs als Sekretärin gearbeitet hatte. Sie begann als Reporterin, wurde Assistentin der Chefredaktion und schließlich stellvertretende Chefredakteurin. 1998 verließ sie die eine Boulevardzeitung für eine andere. Zwei Jahre arbeitete sie in London bei der ebenfalls zum Murdoch-Imperium gehörenden Zeitung „The Sun“. Als Brooks 2000 als Chefredakteurin zu „News of the World“ zurückkehrte, war sie gerade einmal 31 Jahre alt - ein Husarenstück in der britischen Presselandschaft.

Mit Skandalen aus den Leben berühmter Persönlichkeiten peppte sie das Blatt auf. Viel Lob erhielt sie dafür, dass sie die Zeitung als Plattform zur Unterstützung schärferer Gesetze gegen sexuellen Missbrauch nutzte. Brooks Kampagne, Pädophile öffentlich an den Pranger zu stellen, war umstritten. Die Polizei warnte davor, dass dadurch die Ermittlungen erschwert werden könnten und die Gefahr von Verwechslungen bestehe. Brooks aber verteidigte ihr Vorgehen damit, dass die Öffentlichkeit ein Recht auf diese Informationen habe.

2003 wurde Brooks die erste Chefredakteurin in der Geschichte der „Sun“. Gleich mit der ersten Ausgabe unter ihrer Verantwortung überraschte sie ihre Kritiker. Sie stampfte nicht wie erwartet die Serie mit den nackten Mädchen auf Seite drei ein. Stattdessen ließ sie unter der Überschrift „Rebakah aus Wapping“ das Bild eines Nacktmodels drucken, das ihren Vornamen trug.

Auf dem Gipfel

Sechs Jahre und etliche Schlagzeilen später wurde Brooks zur Chefin von News International befördert. Zwar machte Brooks fortan die Schlagzeilen nicht mehr selbst, doch fand sie sich des Öfteren darin wieder – etwa nach Abendessen oder Treffen mit Politikern oder nach einem kurzen Konflikt mit dem Gesetz.

2005 wurde Brooks festgenommen, weil sie ihren ersten Ehemann, den Fernsehschauspieler Ross Kemp, angegriffen haben soll. Allerdings wurde nie Anzeige erstattet. 2009 heiratete Brooks erneut, diesmal den ehemaligen Rennpferdetrainer Charlie Brooks. Das Paar wurde bekannt für sein enges Verhältnis zu einigen britischen Politikern und seine Auftritte bei gesellschaftlichen Anlässen etwa in Windsor Castle oder in Wimbledon.

Brooks pflegte nicht nur mit dem konservativen Premierminister Cameron eine enge Freundschaft, sondern auch mit den Frauen der früheren Premierminister Gordon Brown und Tony Blair von der Labour Partei.

Mit Material von dpa/reuters/dapd