Studenten nehmen vermehrt Psycho-Pillen gegen Depressionen und Störungen. Stress und Karrieredruck belasten die angehenden Akademiker.

Berlin. Immer mehr Studenten sind in Deutschland psychisch krank. Innerhalb von vier Jahren sei der Anteil der verschriebenen Medikamente zur Behandlung des Nervensystems bei Studenten um besorgniserregende 54 Prozent gestiegen, sagte der Chef der Techniker Krankenkasse (TK), Norbert Klusen, bei der Präsentation des TK-Gesundheitsreports. Psychopharmaka & Co. machten bei den Hochschülern damit mehr als ein Fünftel aller verordneten Arzneimittel aus. Bei den gleichaltrigen Beschäftigten entfielen der Studie zufolge dagegen lediglich knapp 14 Prozent der verschriebenen Arzneimittel auf entsprechende Präparate.

Aber nicht nur das Volumen der Medikamente steigt dem Bericht zufolge, auch der Kreis der mit den Präparaten behandelten Studierenden wird immer größer: So sei der Anteil der Hochschüler, die Antidepressiva bekommen hätten, in den vergangenen vier Jahren um mehr als 40 Prozent gestiegen, sagte Thomas Grobe vom Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitssystemforschung in Hannover (ISEG). „Fünf Prozent der Studentinnen und drei Prozent der männlichen Hochschüler bekommen mittlerweile Medikamente gegen Depression“, sagte Klusen. Bei fast jeder zehnten angehenden Akademikerin sei eine Depression dokumentiert worden, bei ihren Kollegen seien es vier Prozent. Alle psychischen Störungen zusammengenommen, sei bei mehr als jedem achten Studenten und bei fast 30 Prozent der Studentinnen 2010 mindestens einmal eine solche Diagnose gestellt worden.

Für die Auswertung hat die zweitgrößte deutsche Krankenkasse die Arzneimittelrezepte der 135.000 Studierenden mit einer eigenen TK-Mitgliedschaft sowie deren Diagnosedaten analysiert. Statistisch gesehen erhielt jeder Student im vergangenen Jahr für 65 Tage Medikamente. Das Verordnungsvolumen liegt damit unter dem ihrer erwerbstätigen Altersgenossen mit 72 Tagesdosen.

Der auffällig hohe Anteil von Psychopharmaka bei Studenten ist nach Ansicht von Psychologe Heiko Schulz darauf zurückzuführen, dass im Zuge des Bologna-Prozesses die Studienzeiten immer weiter verkürzt würden und sich der Karrieredruck insgesamt verstärke. So werde von Studenten verlangt, dass sie in sechs Semestern ihr Studium beendeten, am besten zugleich mit mehreren Praktika und Auslandssemester. Zudem gebe es für sie immer weniger Freiräume. (rtr)