Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat sich bei der Ermittlung der Kinderarmut verrechnet. Es gibt weniger arme Kinder als bisher gedacht.

Berlin. Um genau 6,3 Prozent haben sich die Statistiker des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) bei der Ermittlung der Kinderarmut verrechnet. Im Jahr 2005 lag der Anteil armer Kinder bei 10,0 Prozent – und nicht bei 16,3 Prozent. Das DIW korrigierte seine Berechnungen - weil immer mehr Befragte Auskünfte verweigern. „In den 11.000 befragten Haushalten hat sich die Zahl derjenigen, die nicht antworten, vergrößert", sagt DIW-Experte Markus Grabka. Vor allem bei Familien mit mehreren Verdienern habe man große Schätzprobleme bei unvollständigen Einkommensangaben. „Diesen Messfehler haben wir behoben“, sagt Grabka. Er bestätigte damit einen Bericht der „Financial Times Deutschland“. Aktuell liegt die Kinderarmutsquote in Deutschland bei 10 Prozent (Stand 2009).

Die Zahl von 16,3 Prozent veröffentlichte die OECD laut FTD 2009 in ihrem Bericht „Doing Better for Families“ drei Wochen vor der Bundestagswahl. Die Veröffentlichung führte damals zu Diskussionen und Versprechen im Wahlkampf. Nach der Wahl drehte sich die Debatte der schwarz-gelben Regierung um ein Plus beim Kindergeld. Geplant war zunächst eine Erhöhung von 164 auf 200 Euro, beschlossen wurden dann 20 Euro mehr pro Kind und Monat. Die Anhebung kostet den Staat jedes Jahr 4 Milliarden Euro.

Das DIW befragt für das sozio-ökonomische Panel (SOEP) – eine der wichtigsten Untersuchungen für soziale Aussagen – regelmäßig tausende von Haushalten. Die SOEP-Daten sind die Grundlage für die Berichte der OECD. Als arm gilt danach, wessen Haushaltseinkommen weniger als die Hälfte des Durchschnittseinkommens beträgt. Die Bundesregierung hatte immer niedrigere Zahlen als das DIW genannt.

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Ab sofort können die vom Gesetzgeber beschlossenen Zusatzleistungen für Kinder von einkommensschwachen Familien im Landkreis Stade abgerufen werden. Dabei handelt es sich um die rückwirkend zum 1. Januar 2011 eingeführten Zusatzleistungen des sogenannten "Bildungs- und Teilhabepakets" für bedürftige Kinder. Die Zusatzleistungen wurden Ende Februar mehrheitlich vom Bundestag und Bundesrat beschlossen.

Wie die Kreisverwaltung mitteilt, sind die Antragsvordrucke, die nötig sind, um die neuen Zusatzleistungen zu beantragen, jetzt erhältlich, und zwar in den Jobcentern in Stade, Buxtehude und Drochtersen, bei der Verwaltung des Landkreises Stade (Sozialamt und Wohngeldbehörde) sowie den Wohngeldbehörden der Hansestadt Stade und der Stadt Buxtehude. Dort werden die ausgefüllten Anträge auch wieder entgegengenommen. Außerdem können die neuen Antragsvordrucke auch auf der Internetseite des Landkreises heruntergeladen werden. Auf den Vordrucken ist detailliert aufgelistet, welche Zusatzleistungen seit dem 1. Januar für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene angeboten werden.

Die vom Gesetzgeber bewilligten Zusatzleistungen des Bildungs- und Teilhabepakets sind etwa Teilnahmen an Tagesausflügen und mehrtägigen Klassenfahrten, die von Schulen oder Kindertagesstätten organisiert werden, sowie ein Mittagessen für Kinder in jenen Kitas, Schulen oder Kinderhorten, die regelmäßig warme Mahlzeiten anbieten. Auch ein eventuell notweniger Nachhilfeunterricht, die Teilnahme an sozialen und kulturellen Aktionen wie etwa Sportvereine oder Musikunterricht, Zuzahlungen zum Material für den Schulbedarf (Stifte, Hefte, Wasserfarben oder Schulranzen) und die Schülerbeförderung für Kinder aus einkommensschwachen Familien zählen zum Angebot. Bisher wurden nur die Teilnahme an Ausflügen und Klassenfahrten, sowie das Schulmaterial vom Bund finanziell bezuschusst oder vollständig finanziert.

Bei den jetzt von der Bundesregierung angebotenen Leistungen gibt es aber noch einen Haken. "Leider ist die Entscheidung über die Anträge und eine Bewilligung von Leistungen derzeit nicht möglich", sagt Landrat Michael Roesberg. Als Grund nennt Roesberg die weiterhin ausstehenden Vorgaben des Gesetzgebers zum Verfahrensablauf. Wann genau diese Vorgaben festgelegt werden, steht noch nicht fest. Roesberg bezeichnet die derzeitige Situation als für alle Seiten unbefriedigend. Dennoch rät der Landrat den betroffenen Bürgern dazu, bereits jetzt Anträge für Zusatzleistungen einzureichen, weil die Kosten, die seit dem 1. Januar etwa für Ausflüge, Klassenfahrten, Verpflegung oder die Schülerbeförderung entstanden sind, gegen eine Vorlage der Kostennachweise auf Antrag erstattet werden können.

Die rückwirkenden Anträge müssen bis zum 30. April dieses Jahres gestellt werden. Später eingereichte Anträge dürfen laut der aktuellen Gesetzeslage nicht mehr berücksichtigt werden. Laut dem Jobcenter in Stade lägen in der Region bereits 107 Anträge für die seit Januar angebotenen neuen Zusatzangebote vor.