Nach einem internen RWE-Szenario wäre das Abschalten des Atommeilers Biblis unter Umständen mittelfristig sogar gewinnbringender.

Hamburg. Der Atomausstieg steht bevor und die Energiekonzerne wehren sich nicht nur mit Händen und Füßen, sondern auch mit Argumenten für die Atomkraft. Doch jetzt muss sich RWE-Konzernchef Jürgen Grossmann vor seinen Aktionären rechtfertigen. Ist sein Kampf für die Atomkraft auch ökonomisch klug? Einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" zufolge, würde sich eine Abschaltung der Atomreaktoren in Biblis mittelfristig sogar positiv auf die Bilanz seines Energiekonzerns auswirken. Diese These wurde am Samstag von einem RWE-Sprecher eingeschränkt bestätigt. Dafür sei es allerdings Vorraussetzung, dass der Strompreis steigen würde, heißt es.

Hintergrund ist ein im Sommer 2010 vom Konzern erstelltes Szenario. Ein Abschalten der Atommeiler würde die Strommenge verknappen und den Strompreis steigen lassen. Profitieren würden die nur teilweise ausgelasteten Kohlekraftwerke von RWE. Die dort anfallenden Zusatzgewinne würden laut dem Szenario die Ausfälle in Biblis mittelfristig deutlich übersteigen. Nicht zuletzt, weil auch der Bund die Gewinne aus den Atommeilern mittels der neuen Brennelementesteuer abschöpfe.

RWE gesteht zwar die Möglichkeit eines solchen Effektes ein. Ob die Strompreise aber tatsächlich entsprechend steigen würden, wäre nicht kalkulierbar. Vielleicht hätte der Atomausstieg auch zur Folge, dass die fehlenden Strommengen durch Importe aus dem Ausland ausgeglichen würden. Die kurzfristigen Folgen des Moratoriums für den Energiekonzern seien in jedem Fall finanzielle Verluste in dreistelliger Millionenhöhe.

Großmann hingegen wagt die Flucht nach vorne und stellt öffentlich auch die abgesenkten Gewinnziele seines Konzerns infrage. Wegen der Katastrophe im Fukushima und des Atom-Moratoriums in Deutschland hätten sich die „Berechnungsgrundlagen und die Gewichtungen in der Branche verschoben“, sagt Großmann in einem Interview mit der Börsenzeitung. Nach dieser Prognose sank die RWE-Aktie am Freitag um 0,6 Punkte, während der Dax weiterhin zulegte. Großmann kündigt weiter an: „Die Mittelfristziele werden auf den Prüfstand gestellt.“

Aktuell sieht RWE nach eigenen Angaben aber keinen Anlass, die Prognose für 2011 zu ändern. Die Kontrolleure wollen RWE-Vorstandschef Jürgen Großmann auf einer Sitzung am Dienstag zu seinen Plänen befragen. Die aufgrund des Moratoriums zu erwartenden Ergebniseinbußen hatte Großmann mit einem dreistelligen Millionenbetrag beziffert. „Der Schaden resultiert daraus, dass der Strom aus Biblis bereits im Vorfeld verkauft worden ist zu niedrigeren Preisen, als wir ihn nun am Markt zurückkaufen können. Allein hierbei reden wir über einen dreistelligen Millionenbetrag. (abendblatt.de/dap/dapd)