Neuer Einwurf in die Hartz-IV-Debatte: CDU-Abgeordnete im Bundestag wollen Bezieher von Hartz IV in die soziale Pflicht nehmen.

Hamburg. Neue Runde in der Diskussion über Ersatzleistungen von Hartz-IV-Empfängern: CDU-Politiker lassen derzeit prüfen, ob Empfänger von Hartz-IV-Leistungen zum gemeinnützigen Dienst an Stelle der bisherigen Zivildienstleistenden herangezogen werden können. Die CDU-Bundestagsabgeordneten Carsten Linnemann und Peter Tauber haben nach Informationen der „Bild“-Zeitung (Sonnabend) den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages beauftragt, die rechtlichen Grundlagen für die ersatzweise Heranziehung von Hartz-IV-Beziehern zu prüfen.

Das zuständige Bundesfamilienministerium äußerte sich überrascht. „Wir betonen, dass es im Bundesfreiwilligendienst um die Gewinnung von echten Freiwilligen geht und nicht um einen Zwangsdienst“, erklärte ein Sprecher. Gerade im sensiblen Dienst am Menschen seien Frauen und Männer nötig, „die das aus echter Überzeugung, mit Liebe und Engagement tun. Das geht nicht mit Zwang.“

Linnemann sagte der „Bild“-Zeitung: „Es darf keine Denkverbote geben. Hartz-IV-Beziehern sollte zugemutet werden können, auch in Alten-, Pflegeheimen und Krankenhäusern zu arbeiten, um mögliche personelle Engpässe zu überbrücken.“

Der Vorsitzende der Senioren-Union, Otto Wulff, begrüßte den Vorstoß laut Zeitung. „Selbstverständlich muss Hartz-IV-Empfängern zugemutet werden können, auch im sozialen Bereich zu arbeiten - zumal dann, wenn sich Befürchtungen bestätigen sollten, dass es zum Sommer nicht genügend Bewerber für den neuen Bundesfreiwilligendienst gibt. Soweit eine ergänzende gesetzliche Regelung in Bezug auf den Bundesfreiwilligendienst notwendig ist, bin ich – bevor wir einen Pflegenotstand haben – sehr dafür.“

Hintergrund ist, dass nach dem Aussetzen der Wehrpflicht von Juli an auch der Zivildienst wegfällt. Es würden mindestens 35.000 Helfer gebraucht – bisher soll es bundesweit aber erst wenige tausend Bewerber geben, hieß es.

Unterdessen sieht das Erwerbslosen-Forum Deutschland durch ein kompliziertes Verfahren viele Kinder vom Bildungspaket für Hartz-IV-Familien ausgeschlossen. Viele Eltern wüssten gar nicht, dass ihre Kinder einen Anspruch haben und Anträge für rückwirkende Leistungen nur diesen Monat gestellt werden können, erklärte der Sprecher der Arbeitsloseninitiative, Martin Behrsing, am Sonnabend in Bonn. Dem Bundesarbeitsministerium warf Behrsing vor, den Zugang mit Absicht zu erschweren. Nichtinformation, Anträge und Fristen verwehrten den Kindern ihre Rechte.

Eltern könnten für ihre Kinder einen Antrag auf rückwirkende Leistungen für die Monate Januar bis März stellen und so 108 Euro für jedes Kind geltend machen, führte das Erwerbslosen-Forum aus. „Wir verstehen nicht, warum die ausführenden Behörden, wie Bundesagentur für Arbeit, Wohngeldstellen und Sozialämter, die anspruchsberechtigten Eltern nicht angeschrieben haben, was in anderen Fällen üblich ist“, kritisierte Behrsing.

Im Rahmen des Ende Februar verabschiedeten Bildungspakets für Kinder aus bedürftigen Familien übernehmen die Kommunen rückwirkend für die Zeit ab Januar 2011 anteilig Kosten für Nachhilfe, Musikschule, Sport, Schulmittagessen oder Klassenausflüge. Rund 2,5 Millionen Kindern von Hartz-IV-Empfängern und aus Familien, die Wohngeld, Kinderzuschlag oder Sozialhilfe beziehen, soll über das Bildungspaket eine bessere Teilhabe sowie Bildung ermöglicht werden. Hartz-IV- und Sozialgeld-Empfänger können die Leistungen bis zum 30. April im Jobcenter beantragen.

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Es sollte Kindern und Jugendlichen aus armen Familien den Zugang zu Angeboten aus Bereichen wie Bildung, Sport, Musik, Ernährung und Schulausflügen erleichtern und so für mehr soziale Gerechtigkeit sorgen – doch wie eine von "Spiegel Online" durchgeführte Studie nun ergeben hat, stößt das im Rahmen der Hartz-IV-Reform beschlossene Bildungspaket auf wenig Nachfrage. Die zuständigen kommunalen Stellen der größten deutschen Stadte gaben demnach an, dass bisher nur wenige Anträge gestellt worden seien. Nur etwa zwei Prozent der 2,5 Millionen Berechtigten hätten das milliardenschwere Bildungspaket bisher beantrgt.

Den Informationen zufolge dürften allein in Berlin die meisten Berechtigten bald den Anspruch auf das Geld verlieren, da die Frist für die Beantragung ablaufe. In der Bundeshauptstadt sollten rund 200 000 bedürftige Kinder von dem Zuschuss profitieren. Laut Arbeitsagentur kämen die Anträge nur plätschernd herein. An keinem Standort gebe es mehr als ein paar hundert ausgefüllte Formulare. Das gleiche Bild zeige sich in Hamburg, München, Frankfurt, Düsseldorf und Dortmund.

Im Zuge der Hartz-IV-Reform war Ende März nach langem Streit ein Bildungs- und Teilhabepaket für bedürftige Kinder geschnürt worden, aus dem Angebote wie Nachhilfe, Musikschule, Sport, Mittagessen in Hort und Schule oder Klassenausflüge bezahlt werden sollen. Der Kompromiss trat erst mit dreimonatiger Verspätung in Kraft.

Langzeitarbeitslose und ihre Kinder, die die ihnen zustehenden Leistungen von Januar an rückwirkend haben wollen, müssen dies bis Ende April beantragen. Danach ist das Geld für die ersten drei Monate verloren. Für Wohngeldempfänger oder Familien mit Kinderzuschlag läuft die Frist Ende Mai aus. (dpa/epd)