Oppositionelle halten eine Beteiligung der Regierung an dem Anschlag in einer U-Bahnstation von Minsk für möglich. Zwölf Menschen starben.

Minsk. Immer mehr Opfer und erste Festnahmen nach dem Bombenanschlag in der Minsker Metro: Die Behörden im autoritär regierten Weißrussland haben nach eigenen Angaben mehrere Verdächtige ausfindig gemacht. Nähere Angaben zur Identität der Männer machte Vize-Generalstaatsanwalt Andrej Schwed zunächst nicht. Es habe sich bei dem verheerenden Anschlag mit mindestens zwölf Toten nicht um ein Selbstmordattentat gehandelt, sagte der Ermittler am Dienstag nach Angaben der unabhängigen Agentur Belapan. Der mit Metallteilen gespickte Sprengsatz sei ferngezündet worden.

Weitere Verdächtige würden gejagt, sagte Schwed. Nach Angaben des Chefs des Geheimdiensts KGB, Wadim Sajzew, hat einer der Männer „nichtslawische Gesichtszüge“. Der als „letzter Diktator Europas“ kritisierte Präsident Alexander Lukaschenko hatte bereits kurz nach der Detonation am Vortag gesagt, möglicherweise kämen die Täter „aus dem Ausland“. Medien veröffentlichten das Phantombild eines Verdächtigen. Die Generalstaatsanwaltschaft stufte die Bluttat als Terroranschlag ein. Weißrussland galt bislang nicht als Ziel von Terroristen.

Derweil mehren sich Spekulationen, die eine Beteiligung der weißrussischen Führung an dem Attentat nicht ausschließen. „Der Anschlag kann von Lukaschenko missbraucht werden, um die Opposition zu bekämpfen“, sagte der Regierungskritiker Ales Michalewitsch, der in Tschechien Asyl erhalten hat, der Nachrichtenagentur dpa. Ähnlich äußerte sich der frühere Präsidentenkandidat Alexander Milinkewitsch. Daraufhin warnte ihn der KGB vor „Aussagen, die auf die Diskreditierung der weißrussischen Gesellschaft und des Staates abzielen“.

KGB-Chef Sajzew sagte, dass die Täter das Land destabilisieren wollten. Auch ein Racheakt anarchistischer Jugendlicher sei nicht auszuschließen. Schließlich gebe es noch die Theorie eines verwirrten Einzeltäters, sagte Sajzew. Beobachter zeigten sich skeptisch, wie Täter in dem streng kontrollierten Land durch das engmaschige Sicherheitsnetz schlüpfen konnten.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) sprach seinem weißrussischen Kollegen Sergej Martynow sein Beileid aus. „Ich verurteile diesen Anschlag auf das Schärfste“, hieß es in dem in Berlin veröffentlichten Kondolenzschreiben.

Lukaschenko forderte den KGB auf, das Land auf der Jagd nach den Hintermännern „auf den Kopf zu stellen“. Beobachter erwarten, dass der seit 1994 regierende Staatschef nun die Daumenschrauben noch fester anziehen wird.

Zahlreiche Regierungsgegner sitzen in Weißrussland in KGB-Gefängnissen oder stehen unter Hausarrest, nachdem das Regime Proteste gegen die von Fälschungsvorwürfen überschattete Präsidentenwahl im Dezember 2010 niedergeknüppelt hatte. Daraufhin verhängte die Europäische Union Sanktionen wie etwa Einreiseverbote für Lukaschenko und rund 150 seiner Getreuen.

Durch die Explosion waren elf Menschen sofort getötet worden. In der Nacht starb dann einer der insgesamt mehr als 190 Verletzten im Krankenhaus. Den Angehörigen der Toten versprach die Führung des verarmten Landes jeweils umgerechnet 6900 Euro Schadenersatz.

Die Bombe mit einer Sprengkraft von mindestens drei Kilogramm TNT war unter einer Sitzbank auf dem Bahnsteig versteckt. In der Nähe der Haltestelle liegt auch eine Residenz Lukaschenkos.

Innenminister Anatoli Kuleschow sprach wie zuvor auch Lukaschenko von einer möglichen Verbindung zu einem Bombenanschlag am Tag der Unabhängigkeit in Minsk im Juli 2008 mit etwa 50 Verletzten. Der KGB hatte damals vier mutmaßliche Mitglieder der nationalistischen Untergrundorganisation Weiße Legion unter Terrorverdacht festgenommen. Der Fall wurde allerdings nie aufgeklärt.

Lukaschenko befahl, alle Militärdepots im Land auf fehlenden Sprengstoff zu überprüfen. Die Grenzkontrollen wurden verschärft. Russland schickte Experten seines Inlandsgeheimdiensts FSB, die bei den Ermittlungen helfen sollen, sowie Ärzte. An diesem Mittwoch will Weißrussland der Opfer mit einem Tag der Trauer gedenken.