Wieder Luftangriffe auf die Öl-Stadt al-Brega. Ein Hilfsschiff musste umkehren. Hamburg soll Flüchtlinge aus Libyen aufnehmen.

Tripolis/Hamburg. Reporter werden in ihren Hotels in Tripolis festgehalten. Seine Gegner ködert Libyens Staatschef Muammar al-Gaddafi mit Bargeld – und lässt weiter seine Kampfflugzeuge Angriffe fliegen. Die Lage in Libyen und rund um die Flüchtlinge hat sich am Freitag weiter zugespitzt. Kampfjets haben erneut Angriffe in der Umgebung der Öl-Stadt al-Brega geflogen. Ein Arzt in der östlichen Stadt „Rebellen-Hauptstadt“ Bengasi sagte, in al-Brega hätten die Truppen Gaddafis auch Panzer und Hubschrauber eingesetzt. In der benachbarten Stadt Adschdabija hätten sie aus der Luft ein Munitionsdepot und einen Versammlungsort von Aufständischen bombardiert. 18 Menschen seien getötet worden. Von anderer Seite konnte dies zunächst nicht bestätigt werden. Ein Augenzeuge sagte, die Rebellen kontrollierten weiter die Stadt al-Brega. Einige Aufständische zogen weiter nach Westen in Richtung des Hafens Ras Lanuf, der noch von den Truppen Gaddafis gehalten wird.

In Tripolis haben Sicherheitskräfte ausländische Reporter in ihrem Hotel festgehalten, darunter auch Reuters-Journalisten. Die Journalisten würden im Rixos-Hotel festgehalten, weil ihre Anwesenheit Zusammenstöße auslösen könnte, sagte ein Sprecher der libyschen Regierung. „Das sind außergewöhnliche Umstände. Ich weiß, dass ihr darüber reden und es so drehen werdet, wie Ihr wollt“, sagte der Sprecher. „Wir sind bereit, diesen Preis zu zahlen. Wir müssen euch an der Berichterstattung hindern, damit sich Tripolis nicht in Bagdad verwandelt.“ In dem Hotel befinden sich auf Einladung der Regierung etwa 130 Journalisten. Sie stehen unter Beobachtung der Behörden. Einwohner von Tripolis haben angekündigt, nach den Freitagsgebeten erneut gegen Machthaber Gaddafi protestieren zu wollen. Sie rechnen mit gewaltsamer Gegenwehr der libyschen Miliz.

Ein Schiff mit Lebensmitteln des Welternährungsprogramms (WFP) hat wegen der angespannten Sicherheitslage nicht den Hafen der libyschen Stadt Bengasi anlaufen können. Der Frachter mit 1000 Tonnen Weizenmehl musste nach Malta zurückkehren, wie das WFP am Freitag in Genf mitteilte. Die Hilfsorganisation Roter Halbmond hatte die Lebensmittel geordert.

Die Hamburger Diakoniechefin Annegrethe Stoltenberg hat die Stadt Hamburg aufgefordert, Flüchtlingen aus Libyen Schutz zu gewähren. „Niemand kann mehr bezweifeln, dass die Menschen vor Gewalt fliehen“, sagte sie. Ganz Europa müsse Solidarität mit den Flüchtlingen zeigen, die einen Anspruch auf ein faires Asylverfahren und auf humanitäre Hilfe hätten. „Wir sollten in Hamburg jetzt mit gutem Beispiel vorangehen und uns bereiterklären, gegebenenfalls Flüchtlinge aus Libyen aufzunehmen – zum Beispiel im Rahmen eines Kontingentverfahrens“.

Bei seinem Griff in die Trickkiste hatte Gaddafi bereits an Bürger in Tripolis Bargeld auszahlen lassen, um sich ihrer Loyalität zu vergewissern. Medien der libyschen Opposition meldeten, Gaddafi habe Vermittler in die westlichen Städte Misrata, Nalut und al-Sawija geschickt. Diese boten den Einwohnern der drei Städte, in denen es zuvor erbitterte Kämpfe zwischen Aufständischen und den Truppen Gaddafis gegeben hatte, viel Geld an. Angeblich lehnten die Vertreter der Aufständischen dieses Angebot alle ab. Die Oppositions-Website „al-Manara“ meldete zudem, in Misrata seien „Provokateure“ mit Autos durch die Stadt gefahren und hätten die Jugend der Stadt zum „Heiligen islamischen Krieg gegen Gaddafi“ aufgerufen. Die jungen Männer, die sich freiwillig gemeldet hätten, seien anschließend verschleppt worden.

Die arabische Tageszeitung „al-Sharq al-Awsat“ berichtete, in der Stadt al-Sawija hätten Gesandte Gaddafis jeder Familie, die durch die Unruhen ein Familienmitglied verloren hat, 250.000 Dinar (rund 145.000 Euro) angeboten. Alle anderen Familien sollten 20.000 Dinar erhalten.

Unterdessen hat der zweitjüngste Sohn Gaddafis München verlassen und darf nicht wieder in die Bundesrepublik einreisen. Seine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis sei erloschen, sagte ein Sprecher des bayerischen Innenministeriums am Freitag und bestätigte damit einen Bericht des Magazins „Focus“. Saif al-Arab Gaddafi habe sich rückwirkend zum 15. Februar offiziell aus München abgemeldet und sei nach „Unbekannt/Libyen“ gezogen. Damit dürfte er jetzt nur noch mit einem neuen Visum wieder einreisen – dies würde ihm das Auswärtige Amt jedoch verwehren. Der Grund: Wenn ein Mitglied des Gaddafi-Clans nach Deutschland käme, würde dies nach dpa-Informationen die außenpolitischen Interessen Deutschlands schwer beeinträchtigen. Zu den Sanktionen, die die EU gegen die libysche Führung beschlossen hat, gehört auch ein EU-weites Einreiseverbot für Angehörige des Regimes und Familienmitglieder Gaddafis.

Saif al-Arab Gaddafi lebte seit 2006 in München und soll in der Landeshauptstadt studiert haben. Bayern hatte dem 29-Jährigen im vergangenen Jahr einen verbesserten Aufenthaltsstatus erteilt, weil sein Jahreseinkommen über 66.000 Euro lag. Damit bekam er eine sogenannte Niederlassungserlaubnis für Hochqualifizierte. Er besaß eine Villa im Stadtteil Waldperlach und geriet mehrmals mit der Polizei aneinander. Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelte unter anderem wegen Waffenschmuggels und Körperverletzung gegen ihn, es kam jedoch nie zu einer Anklage.

Mit Material von rtr/dpa/epd