Die Waffe ist Teil der Ausrüstung. Doch mit der Furcht vor einem deutschen Angriff lässt sich das Gewehr zu Hause nicht mehr rechtfertigen.

Bern. In der Schweiz kommt die neben Uhren, Bankgeheimnis und Emmentaler Käse wohl bekannteste Spezialität auf den Prüfstand. Am Sonntag stimmen die Eidgenossen darüber ab, ob die Schweizer Männer weiterhin ihr Armee-Gewehr im Schrank zu Hause aufbewahren dürfen. Militärisch spielt der aus dem Zweiten Weltkrieg und der Angst vor einem deutschen Überfall herrührende Brauch schon längst keine Rolle mehr. Die Waffenaufbewahrungspflicht wurde denn auch vor einigen Jahren gelockert. Wer will, kann sein Sturmgewehr oder seine Pistole in einem Logistikzentrum der Armee hinterlegen.

Im Grundsatz gilt aber immer noch, dass man seine Waffe als Teil der persönlichen Ausrüstung zu Hause aufbewahrt. Munition gibt die Armee den Soldaten aber seit 2009 nicht mehr mit. Die Schweiz ist das einzige Land der Welt mit dieser Form der „Volksbewaffnung“. Aufgrund dieses Milizsystems hat die Eidgenossenschaft zumindest auf dem Papier eine der größten Armeen Europas. Schweizer Männer leisten ihren Wehrdienst in wochenweisen Blöcken über einen Zeitraum bis zu zehn Jahren ab.

Die Schweizer Regierung schätzt, dass sich derzeit rund zwei Millionen Waffen in Privatbesitz befinden, über die Hälfte davon sollen Armeewaffen sein. Dass die Schusswaffen-Praxis nicht ungefährlich ist, zeigt eine Reihe von Zwischenfällen mit Armeewaffen in den letzten Jahren. 2001 erschoss ein Amokläufer im Parlament des Kantons Zug 14 Abgeordnete. Neben einer Pump Gun hatte er ein Sturmgewehr und eine Armeepistole dabei. Auch die ehemalige Schweizer Spitzen-Skifahrerin Corinne Rey-Bellet und ihr Bruder wurden 2006 von ihrem Ehemann mit einer Armeepistole erschossen. Zudem wurden laut amtlicher Statistik zwischen 1998 und 2008 rund 17 Prozent aller Selbstmorde mit Schusswaffen verübt.

Trotz dieser Bilanz könnte die Initiative scheitern. Der letzten Umfrage zufolge wollen nur 47 Prozent der Stimmberechtigten mit Ja stimmen. Besonders Konservative und Traditionalisten haben gegen die Initiative „Schutz vor Waffengewalt“ mobilgemacht. Sie sehen das Schweizer Staatsverständnis in Gefahr. Dass der Staat seinem Bürger eine Waffe überlasse, sei ein Beweis des Vertrauens, argumentiert etwa Verteidigungsminister Ueli Maurer, der für die rechtspopulistische Schweizerische Volkspartei in der Regierung sitzt. Der Bürger sei der Souverän. „Die Waffe ist dort, wo die Macht ist“, sagt er.

Ohnehin, so argwöhnen die Gegner der Initiative, gehe es den Befürwortern nicht um die Waffen und die öffentliche Sicherheit. In ihren Augen soll die Armee geschwächt und letzten Endes ganz abgeschafft werden. Unter den Sprechern für die Waffeninitiative sind in der Tat prominente Armee-Gegner. Sportschützen und Jäger sind ohnehin gegen Einschränkungen beim Waffenbesitz. Die Sportschützen will die Waffeninitiative nach Darstellung ihrer Vertreter auch nicht behindern. Gefordert wird aber ein zentrales Waffenregister und ein Bedarfs- und Fähigkeitsnachweis.

Die Schweizer Regierung und eine Mehrheit des Parlaments haben sich ebenfalls gegen die Initiative ausgesprochen. Nach Ansicht des Bundesrates reicht das in den vergangenen Jahren verschärfte Waffengesetz aus. Allerdings ist die Haltung der Parteien nicht eindeutig. So hat sich zum Beispiel der Verband der Frauen innerhalb der Christdemokraten für die Annahme der Initiative ausgesprochen. Überhaupt scheinen Frauen eher zu einer strikteren Handhabung von Schusswaffen zu tendieren. Während sich in den großen Städten eine Mehrheit für eine strengere Kontrolle aussprechen dürfte, scheint die Mehrheit der ländlichen Bevölkerung eher einem Nein zugeneigt.