Die Euro-Länder sollen nach Ansinnen der Kanzlerin näher aneinanderrücken und möglichst die deutsche Stabilitätskultur übernehmen.

Brüssel. Der Plan der Bundeskanzlerin scheint aufzugehen: Die europäischen Staats- und Regierungschefs wollen den Plan von Angela Merkel für eine Wirtschaftsregierung der Euroländer aufnehmen. „Nicht-Euro-Länder sollen eingeladen werden, bei dieser Zusammenarbeit teilzunehmen“, heißt es im Entwurf der Abschlusserklärung für den EU-Gipfel, der am Donnerstagabend in Brüssel bekanntwurde. Weitere Themen des Treffens an diesem Freitag sind die Krise in Ägypten und eine Strategie für mehr Energiesicherheit.

Die deutsche Kanzlerin und der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy wollen ihren Partnern den sogenannten Pakt für Wettbewerbsfähigkeit erstmals vorstellen. Laut dem Erklärungstext, der der Nachrichtenagentur dpa vorliegt, wird der ständige Gipfelchef Herman Van Rompuy beauftragt, die weiteren Arbeiten für eine Euro-Wirtschaftsregierung zu leiten. Der neue Pakt wird von Berlin als Gegenleistung für die Stärkung des Rettungsfonds EFSF gefordert. Die Ausleihkapazität des Fonds von de facto 250 Milliarden Euro soll erweitert werden, um flexibler auf Schuldenkrisen in einzelnen Eurostaaten reagieren zu können, beispielsweise in Portugal. „Wenn wir das tun, wird das ein wichtiges Signal sein“, sagte Merkel mit Blick auf den Pakt am Donnerstag in Madrid nach einem Treffen mit Spaniens Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero.

Es gehe um gemeinsame Schritte bei Sozialsystemen, Lohnstückkosten, der Bemessungsgrundlage für Unternehmensteuern und der Erhöhung des Renteneintrittsalters. Feste Vereinbarungen sind bei dem Treffen in Brüssel nicht geplant. Die Staatenlenker der Union fordern erhebliche demokratische Reformen in Ägypten und Tunesien. Sie dringen auf freie und faire Wahlen in den beiden Ländern des südlichen Mittelmeerraumes. Der Gipfel will zudem die Gewalt in Ägypten verdammen. „Jeder Versuch, den freien Fluss von Informationen zu behindern, inklusive Aggressionen und Einschüchterungen gegen Journalisten, ist nicht hinnehmbar“, heißt es in dem Dokument. Daraus geht auch hervor, dass die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton in die Krisenregion reisen will. Bei der Debatte über die Energiesicherheit geht es unter anderem darum, wie der Verbund der 27 Staaten unabhängiger von russischen Energielieferungen wird. Die EU bezieht rund ein Viertel ihrer Gaslieferungen aus Russland. Die Staaten wollen die europäischen Leitungen besser vernetzen, damit auch in Krisensituationen die Lieferungen gesichert sind.

Deutschland und Polen drängen auf ein langfristiges Energiekonzept für die EU. In einem gemeinsamen Brief fordern die deutsche Kanzlerin und der polnische Regierungschef Donald Tusk eine Strategie bis zum Jahr 2050. „Die deutsche und die polnische Regierung würden eine entsprechende Initiative der Kommission willkommen heißen“, so das der dpa vorliegende gemeinsame Schreiben. Der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten im Europaparlament, Martin Schulz, sagte: „Ich hoffe, dass es wirklich ein Energie-Gipfel wird und nicht wieder einer, der überlagert wird von der Finanzmarktdebatte beziehungsweise von den Vorschlägen von Frau Merkel. Ich fürchte allerdings, dass das der Fall sein wird.“ Schulz fügte hinzu, die „Chefs“ hätten sich bereits darauf verständigt, beim nächsten regulären Gipfel am 24. und 25. März ein Paket zur Euro-Absicherung unter Dach und Fach zu bringen. Der italienische Regierungschef Silvio Berlusconi bemängelte in einem Schreiben an die EU-Spitzen, dass sein Land bei dem EU-Kompromiss zu einem Gemeinschaftspatent außen vor bleibt. Deutschland, Frankreich hatten im vergangenen Jahr beschlossen, bei dem EU-Patent mit anderen Partnern voranzugehen – allerdings ohne Italien und Spanien.

Kritik aus Reihen der SPD

SPD-Chef Sigmar Gabriel hat die Pläne von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für eine Wirtschaftsregierung in der Euro-Zone scharf kritisiert. Mit der jetzt lancierten Initiative setze Merkel "leider die falschen Schwerpunkte", sagte Gabriel dem Hamburger Abendblatt. "Europa braucht eine koordinierte Wirtschaftspolitik, die durch kluge Zukunftsinvestitionen in Innovation, Bildung und Forschung Wachstumsimpulse gibt." Die Mitgliedstaaten könnten dies aber nur leisten, wenn sie genügend finanzielle Mittel hätten, betonte Gabriel.

Hierfür sei die Einführung einer Finanztransaktionssteuer unabdingbar. "Auch an dieser Stelle muss Frau Merkel ihre Passivität aufgeben und sich an die Spitze der Bewegung setzen", forderte der SPD-Chef.

Zuvor war bekannt geworden, dass Merkel anderen Euro-Staaten einen "Pakt für Wettbewerbsfähigkeit" vorschlagen wolle. Wie der "Spiegel" aus einem Konzept des Bundeskanzleramts zitierte, solle die Vereinbarung "konkrete Verpflichtungen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit" enthalten, "die ehrgeiziger und verbindlicher sind als die im Kreise der EU 27 bereits beschlossenen". Ziel soll es sein, die Wirtschaftspolitik der Euro-Länder enger abzustimmen. Damit soll das Misstrauen der Finanzmärkte gegenüber der gemeinsamen Währung zerstreut werden.

Seit Ausbruch der Finanzkrise habe die SPD Merkel aufgefordert, konkrete Schritte für eine europäische Wirtschaftsregierung auszuarbeiten und diese mehrheitsfähig zu machen, sagte Gabriel. Der SPD-Chef forderte, man brauche zudem klare und verbindliche Vereinbarungen gegen Lohndumping, "insbesondere durch Mindestlöhne in Europa". Dazu aber finde sich in Merkels Initiative kein Wort.

"In den letzten Monaten haben viele Menschen den Eindruck gewonnen, dass die EU vor allem eine Interessengemeinschaft zur Rettung von Banken ist", kritisierte Gabriel. Wenn die Kanzlerin dieses fatale Bild korrigieren wolle, müsse sie zuallererst dafür sorgen, "dass die europapolitischen Bremser innerhalb der CDU/CSU-Fraktion und in der FDP ihren Widerstand gegen mehr Europa in der Wirtschaftspolitik aufgeben."

(dpa/abendblatt.de)