Kanzlerin im Abendblatt-Interview: Der Regelsatz steigt nicht um mehr als fünf Euro

Berlin. Im Ringen um die Hartz-IV-Reform hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) strikt gegen eine Erhöhung des Regelsatzes um mehr als fünf Euro gewandt. "Ich habe bisher noch kein einziges Argument gehört, das Ursula von der Leyens Berechnungen überzeugend infrage stellt. Sie beruhen auf Daten und Fakten, die von ihr sehr sorgfältig geprüft worden sind", sagte Merkel im Abendblatt-Interview. Das Bundesverfassungsgericht erwarte eine "nachvollziehbare und für alle transparente Berechnung des Hartz-IV-Satzes - und genau das hat das Arbeitsministerium geliefert". Die Höhe des Hartz-IV-Satzes entscheide im Übrigen auch über die Frage, inwieweit sich die Aufnahme von Arbeit lohne, sagte die Bundeskanzlerin. "Wir sind überzeugt: Wer arbeitet, soll mehr haben, als wenn er nicht arbeitet", betonte Merkel. "Auch daran richtet sich die Diskussion aus."

Nach den Plänen der Bundesregierung soll der Hartz-IV-Regelsatz für Alleinstehende von 359 auf 364 Euro angehoben werden. Das Verfassungsgericht hatte im vergangenen Jahr eine Neuberechnung gefordert. Die Opposition zieht die Zahlen der Regierung in Zweifel und hat das Vorhaben im Bundesrat gestoppt. Bei der Kompromisssuche geht es auch um das geplante Bildungspaket für 2,5 Millionen bedürftige Kinder und die Forderung der SPD nach einer fairen Bezahlung von Leiharbeitern.

Merkel machte die Opposition dafür verantwortlich, dass die Reform noch nicht in Kraft ist. "Die Bundesregierung hat pünktlich zum Jahresende eine verfassungskonforme Hartz-IV-Neuregelung vorgelegt, die mit dem Bildungspaket für Kinder eine wichtige Verbesserung mit sich bringt", sagte die Kanzlerin. "Die Verzögerung liegt am Widerstand der Opposition." Zugleich äußerte Merkel die Hoffnung, "dass wir in nicht allzu ferner Zukunft im Bundesrat die Lösung finden".

Nach dem Scheitern der Hartz-Reform in der Länderkammer sucht der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat eine Lösung. Die Verhandlungspartner haben sich bislang darauf geeinigt, dass Städte und Gemeinden für die zusätzlich geplanten Bildungsangebote an bedürftige Kinder zuständig sein sollen. Ursprünglich hatte Arbeitsministerin von der Leyen geplant, die Jobcenter mit dieser Aufgabe zu betrauen. Ein nächstes Treffen der Spitzenpolitiker von Koalition und Opposition wurde für den 6. Februar vereinbart. Der Bundesrat soll nach dem Willen der Koalition am 11. Februar dem bis dahin ausgehandelten Kompromiss zustimmen.

Für Unruhe in der Koalition sorgten am Freitag Äußerungen von FDP-Generalsekretär Christian Lindner, die zunächst als Entgegenkommen der Liberalen bei der Höhe der Regelsätze interpretiert worden waren. Lindner hatte der "Rheinischen Post" gesagt, man könne seriös anhand konkreter Statistiken über Veränderungen des Regelsatzes beraten. "Wenn tatsächlich nachweisbar wäre, dass ein konkreter Bedarf noch aufgenommen werden muss, verschließen wir uns dem selbstverständlich nicht." Der Opposition sei dieser Nachweis bislang aber nicht überzeugend gelungen, so Lindner. Ein FDP-Sprecher erklärte daraufhin, die Liberalen hätten ihre Position nicht verändert. Die FDP sei gegen eine weitere Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes.