Eine Bombe in der Gepäckabfertigung am Flughafen Domodedowo erschüttert Moskau. Die Leiche des mutmaßlichen Täters wurde bereits gefunden. Präsident Medwedew ordnet Alarmbereitschaft in ganz Russland an.

Moskau. Die Bombe explodierte in der Gepäckabfertigung. Die Maschinen Richtung Berlin und Hamburg waren bereits gestartet. Der Lufthansa-Jet und die Aeroflot-Maschine aus Hamburg waren noch auf dem Weg nach Moskau: Bei einem Selbstmordanschlag auf dem größten Moskauer Flughafen Domodedowo sind nach russischen Agenturberichten mindestens 35 Menschen getötet worden. Etwa 170 Personen seien verletzt worden, meldete die staatliche Agentur RIA unter Berufung auf das Gesundheitsministerium. Unter den Opfern sind nach offiziellen Angaben auch mindestens drei EU-Bürger. Auch eine Deutsche wurde verletzt. Ihr Zustand sei stabil, meldete die Agentur Interfax unter Berufung auf Mediziner. Die Deutsche Botschaft konnte die Angaben zunächst nicht bestätigen. Außerdem seien ein Italiener und ein Franzose verletzt worden, teilte das russische Gesundheitsministerium mit. Eine slowakische Schauspielerin erlitt Verletzungen, berichteten Mediziner.

Der staatliche Chefermittler sprach gegenüber der Nachrichtenagentur Interfax von einem Terroranschlag. Nach dem Selbstmordanschlag suchen die russischen Sicherheitskräfte nach drei verdächtigen Männern. Am Montagabend fanden Ermittler die Leiche des mutmaßlichen Attentäters. Es handele sich um einen Mann im Alter zwischen 30 und 35 Jahren mit „arabischem Aussehen“. Das sagte ein namentlich nicht genannter Ermittler Nachrichtenagentur Interfax. Über die mögliche Identität war zunächst nichts bekannt. Unter Berufung auf Sicherheitskreise hatte Interfax zuvor gemeldet, dass der Selbstmordattentäter vermutlich aus dem Konfliktgebiet Nordkaukasus stammt. Im Nordkaukasus liefern sich Terroristen, kriminelle Banden und kremltreue Einheiten fast täglich Gefechte. Islamisten haben immer wieder gedroht, den Terror auch in die russische Hauptstadt zu tragen.

Die Behörden bestätigten nach Angaben der Agentur Interfax, dass die Detonation am Montag eine Sprengkraft von mindestens sieben Kilogramm TNT gehabt habe. Fest steht: Um 16.32 Uhr Ortszeit (14.32 Uhr MEZ) sprengt sich mindestens ein Selbstmordattentäter im öffentlichen Teil des internationalen Ankunftsbereichs in die Luft – dort, wo die Fluggäste ihre wartenden Angehörigen treffen. Mindestens 35 Menschen sterben. „Ich bringe euch alle um!“, soll der Attentäter noch gerufen haben, berichtet der Fernsehkanal Westi.

Aufgrund der zeitweiligen Sperrung des Flughafens Domodedowo mussten drei Maschinen der Lufthansa umgeleitet werden. Die Flugzeuge seien auf benachbarte Flughäfen ausgewichen, sagte ein Konzernsprecher der Nachrichtenagentur dapd. Eine einzige Lufthansa-Maschine befinde sich derzeit noch am Flughafen Domodedowo. Sie werde jedoch am Abend wieder in Frankfurt erwartet.

Pro Woche fliege die Lufthansa bis zu 65 Mal den Flughafen Domodedowo an. Die Nonstop-Verbindungen gingen ab Frankfurt, München, Düsseldorf, Hamburg und Berlin-Tegel. Domodedowo sei der einzige Flughafen in Moskau, der von der Lufthansa angeflogen werde, fügte der Sprecher hinzu.

+++ Anschlag in Domodedowo: Deutsche Flüge nicht betroffen +++

Der Flughafen Domodedowo, der im Jahr von mehr als 20 Millionen Passagieren genutzt wird, wurde Interfax zufolge nach 20-minütiger Unterbrechung wieder geöffnet. Flüge wurden währenddessen zu den anderen Moskauer Flughäfen Wnukowo und Scheremetjewo umgeleitet.

Der Kurs der Aeroflot-Aktie fiel nach Bekanntwerden der Explosion am Flughafen um vier Prozent, der russische Aktien-Index MICEX gab um fast zwei Prozent nach. Im März 2010 hatten zwei Selbstmordattentäterinnen in der Moskauer U-Bahn den seit Jahren schwersten Anschlag verübt und 40 Menschen in den Tod gerissen.

Kremlchef Dmitri Medwedew hat nach dem Terroranschlag für die Verkehrsknotenpunkte im ganzen Land Alarmbereitschaft angeordnet. Auf Flughäfen und Bahnhöfen gelte von sofort an die erhöhte Sicherheitsstufe, sagte Medwedew im Staatsfernsehen. Zugleich kritisierte er, dass offenbar zu laxe Sicherheitsvorkehrungen zu dem Anschlag geführt hätten.

Russlands Regierungschef Wladimir Putin versprach umgehend Hilfe für die Angehörigen der Opfer. Er kündigte Interfax-Angaben schnelle Geldzahlungen als Unterstützung an. Putin schickte Gesundheitsministerin Tatjana Golikowa zu den Verletzten in die Krankenhäuser, um deren Pflege zu überwachen. Sie solle alles unternehmen, um zu helfen, sagte der frühere Kremlchef. „Die Zahl der Opfer wird steigen“, sagte Golikowa.

Unterdessen hat sich Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen „geschockt“ über den Anschlag in Moskau-Domodedowo gezeigt. „Ich verurteile diese entsetzliche Tat zutiefst“, erklärte Rasmussen in Brüssel. Der Terrorismus sei eine „gemeinsame Bedrohung, der wir uns vereint stellen müssen“. Daher müssten die Nato und Russland ihre Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terrorismus verstärken, fügte Rasmussen hinzu. „Die Nato drückt ihre Solidarität mit der russischen Bevölkerung und der Regierung aus.“

US-Präsident Barack Obama verurteilte den Selbstmordanschlag als „abscheulichen Terrorakt gegen das russische Volk“. Es handele sich um eine „vorsätzliche Attacke auf unschuldige Zivilisten“, hieß es in einer Erklärung des Präsidenten. Er unterstrich darin die Solidarität der USA mit Russland. „Wir teilen Ihre Trauer und stehen entschlossen in unserem gemeinsamen Kampf gegen jene an Ihrer Seite, die Terrorismus für politische Ziele benutzen.“

Auch Deutschlands Spitzenpolitiker reagierten betroffen. „Mit Bestürzung und Abscheu hat mich die Nachricht erreicht, dass bei einem feigen Anschlag auf dem Moskauer Flughafen Domodedowo viele Menschen ihr Leben verloren und eine noch größere Zahl von Menschen Verletzungen erlitten haben“, schrieb Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an Medwedew. Die Kanzlerin sprach dem russischen Präsidenten ihr „tief empfundenes Mitgefühl“ und den Opfern ihre Anteilnahme aus. Auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) reagierte mit Bestürzung auf den tödlichen Anschlag. „Ich verurteile diese grausame Bluttat auf das Schärfste“, erklärte der Vizekanzler in Berlin und fügte hinzu: „Dieser barbarische Akt ist durch nichts zu rechtfertigen.“ Westerwelle sprach den Angehörigen und Freunden der Opfer sein tiefes Mitgefühl aus, den Verletzten wünschte er rasche Genesung.

In Domodedowo wurden im Jahr 2009 18,7 Millionen Passagiere abgefertigt. Nach Angaben der Eigentümer-Gruppe East Line wird Domodedowo im Osten der Zehn-Millionen-Metropole gegenwärtig von 77 Airlines angeflogen, 36 davon sind ausländische Fluggesellschaften. Dazu gehören auch die deutschen Gesellschaft Air Berlin und Lufthansa. Außerdem gibt es in Moskau die beiden anderen internationalen Flughäfen Scheremetjewo und Wnukowo. In den vergangenen Jahren wechselten mehrere internationale Airlines zu dem komplett renovierten Airport Domodedowo. Beim Service hat der Flughafen positive Akzente im ansonsten weiterhin sehr passagier-unfreundlichen russischen Luftverkehr gesetzt. Wie bei den beiden anderen Flughäfen gibt es eine Direktanbindung per Schnellzug, mit der Reisende die Moskauer Innenstadt in 40 Minuten erreichen können.