Der Rauchmelder sprang an, doch der Beamte glaubte an einen Fehlalarm. Er telefonierte, während Oury Jalloh in der Zelle erstickte.

Magdeburg. Im neuen Prozess um den Feuertod des Asylbewerbers Oury Jalloh in einer Polizeizelle in Dessau hat der Angeklagte sein Schweigen gebrochen. In einer Erklärung beteuerte der Polizist, bei dem Vorfall vor sechs Jahren trotz mehrfachen Alarms nicht an einen Brand in der Zelle gedacht zu haben. „Ich muss unterschwellig an eine Fehlfunktion gedacht haben“, sagte der Mann im Landgericht Magdeburg. Dass ein Brand ausgebrochen war, habe er erst gemerkt, als er die Zellentür öffnete.

Der aus dem afrikanischen Sierra Leone stammende Jalloh war zu diesem Zeitpunkt schon tot. In der Zelle soll der 23-Jährige trotz Fesselung selbst Feuer gelegt haben. Der 50-jährige Polizist, der in einem ersten Verfahren in Dessau freigesprochen worden war, ist wegen Körperverletzung mit Todesfolge angeklagt. Vor Gericht brachte er sein Bedauern und seine Betroffenheit zum Ausdruck. „Der Tod geht mir sehr nahe, besonders, dass ich nicht rechtzeitig helfen konnte.“ Er wolle seinen Beitrag zur lückenlosen Aufklärung des Geschehens beitragen, betonte der Beamte, der nach dem Geschehen am 7. Januar 2005 zweimal schwer erkrankt war. Nachdrücklich wies er fremdenfeindliche oder rassistische Motive zurück.

Jalloh soll, obwohl an Händen und Füßen gefesselt, mit einem Feuerzeug die Matratze angezündet haben, auf der er lag. Er starb, weil er die extrem heißen Gase einatmete. Die Polizei hatte ihn festgenommen, weil er Frauen auf der Straße belästigt haben soll und seine Identität nicht eindeutig festgestellt werden konnte. Jalloh hatte fast drei Promille Alkohol im Blut. Bei der Polizei wehrte er sich heftig.

Der Angeklagte berichtete weiter, sein Dienstplatz sei per Wechselsprechanlage mit der Zelle verbunden gewesen. Er habe Rufe aus der Zelle gehört. Um ein Telefonat ungestört führen zu können, habe er zeitweise die Lautstärke heruntergedreht. Ähnlich hatte er sich im ersten Prozess vor dem Landgericht Dessau-Roßlau geäußert. Beim Öffnen der Tür der Zelle sei ihm dichter Rauch entgegen gekommen. Daraufhin habe er einen Feuerlöscher von einem Kollegen aus einem Streifenwagen geholt. Wegen des Rauches habe er jedoch das Feuer nicht löschen können und die Feuerwehr gerufen. „Erst später ist mir bewusst geworden, dass Jalloh bei dem Unglück gestorben ist.“ Dass es in der Zelle zu einem Brand gekommen war, habe er bis zum Öffnen der Zellentür nicht gewusst. „Unterschwellig habe ich an eine Fehlfunktion des Rauchmelders gedacht.“

Zum Auftakt des dritten Verhandlungstages am Freitag hatte die Verteidigung vor überzogenen Erwartungen gewarnt. Es gehe um die individuelle Schuld des angeklagten Polizisten, nicht um die Aufklärung des gesamten Geschehens. Die Gerechtigkeit, die die Familie von Jalloh erwarte, könne das Gericht nicht leisten. Familienmitglieder treten in dem Verfahren als Nebenkläger auf. Das Landgericht Dessau-Roßlau hatte am 8. Dezember 2008 den Angeklagten freigesprochen. Gegen dieses Urteil hatten Staatsanwaltschaft und Nebenklage Revision eingelegt. Im Januar 2010 hob der Bundesgerichtshof in Karlsruhe den Freispruch für den Dienstgruppenleiter auf. Es sah Lücken in der Beweiswürdigung.